Die gute Nachricht vorweg: Die seit Donnerstagmorgen vermisste
SZ-Vize-Chefredakteurin
Alexandra Föderl-
Schmid wurde lebend gefunden,
meldet unter anderem der
Standard: "Konkrete Informationen zu ihrem Gesundheitszustand liegen vorerst nicht vor, nach ersten Aussagen befindet sich die im Jänner 53 Jahre alt gewordene Föderl-Schmid aber
nicht in Lebensgefahr."
Ebenfalls im
Standard skizziert ein Autorenteam die "
Chronologie einer Hetzjagd", die einsetzte, nachdem
Nius, das Online-Portal des geschassten Ex-Bild-Chrefredakteurs
Julian Reichelt, ein Plagiatsgutachten bei
Stefan Weber beauftragte, dies auf dem Portal ausschlachtete, orchestriert von einem "
Internetmob", wie der
Standard schreibt: "Auf X, vormals Twitter, teilte Reichelt genüsslich seine
Nius-Storys. Er hat 277.000 Follower und nennt sich selbst 'die Stimme der Mehrheit'. Föderl-Schmid habe ihre 'Karriere auf Abschreiben' aufgebaut, schrieb er unter anderem. Seinen Followern gefiel das. 'Yes Baby, sehr geil', stand da zwischen vielen Emojis, genauso wie 'Bäng!!!'. Die Leute begannen auch, Föderl-Schmid zu taggen. 'Falle tief!', wünschte ihr der anonyme Account @zmmkz77h. Im Netz waren
alle Hemmungen gefallen. Föderl-Schmid sei eine 'linke Sudeljournalistin', war zu lesen, eine 'schäbige Betrüger:IN', 'fanatische Tastaturaktivistin'. Die 'professionelle linke Hetzerin und Rufmörderin' sei endlich von ihrem 'hohen moralischen Ross geholt' worden und müsse jetzt die Konsequenzen tragen. In den sozialen Medien kann eine Dynamik entstehen, die auch dann nicht abbricht,
wenn ein Mensch strauchelt."
In der
NZZ kommentiert Thomas Ribi: "Die Art und Weise, wie Weber seine Enthüllungen publik macht, ist nur auf eines kalkuliert:
bestmögliche Wirkung. Denen, deren Texte er untersucht, gibt er keine Gelegenheit, sich zu erklären. (…) Dass auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Anspruch auf
Fairness haben, ist Weber anscheinend egal. Plagiat ist ein unschönes Vergehen, aber kein Kapitalverbrechen."
Ebenfalls in der
NZZ greift Lucien Scherrer den vom deutschen
Innenministerium herausgegebenen Bericht "
Muslimfeindlichkeit -
eine deutsche Bilanz" auf, der deutschen Medien eine
Mitverantwortlichkeit für Muslimfeindlichkeit attestiert.
Henryk Broder, namentlich im Bericht genannt, hatte geklagt und in zweiter Instanz vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nun recht bekommen. Tatsächlich sei der im letzten Juni präsentierte Bericht in vielerlei Hinsicht problematisch, kommentiert Scherrer: "Die 'Experten', die ihn verfasst haben, stellen Muslime in Deutschland mehr oder weniger
kollektiv als Opfer und Unterdrückte dar. Die Gefahr, die von islamistischem Gedankengut ausgeht, spielen sie dagegen herunter. Für ihre alarmistischen Befunde in Sachen 'Muslimfeindlichkeit' stützen sich die Verfasser unter anderem auf islamistische und proislamistische Vereine wie
Ditib und Claim. Oder sie berufen sich auf postkoloniale Ideologen, die in ihren Werken nur in Anführungszeichen von islamischem Antisemitismus schreiben, als gäbe es das gar nicht."
Was kann die Zivilgesellschaft, was können die Medien gegen die
Verbreitung von Fake-
News durch Populisten tun, wenn reine Faktenchecks nicht mehr weiterhelfen,
fragt Volksverpetzer Thomas Laschyk in der
taz: "Wir dürfen nicht mehr den Fake News hinterherlaufen, sie nicht mehr wiederholen, selbst wenn wir ihnen widersprechen wollen, wir dürfen
nicht mehr die Faschisten in die Talkshows einladen, nur um danach verwundert zu sein, warum die ganze Aufklärung so wenig bringt. (…) Jeder von uns ist gefragt, seine Stimme zu erheben, auf die Straße zu gehen, Faktenchecks zu teilen, seinen Abgeordneten zu schreiben. Wir müssen der trägen Politik und den trägen Medien mehr Druck machen."
Im "
digitalen Bunker" von
Tiktok sorgen die
AfD und ihre Influencer durch "zielgruppenspezifische Kommunikation" für
Radikalisierung und Entsolidarisierung, schreibt der Politologe und Soziologe
Özgür Özvatan, der in der
SZ fragt: "Wieso haben demokratische Institutionen wie Ministerien, Sicherheitsbehörden, Stiftungen und Parteien bisher keine digitalen Strategien für die Verteidigung der Demokratie? Wo waren bisher die Strategien gegen die Vormachtstellung einer rechtsradikal bis rechtsextremen AfD und ihrer Peripherie auf Tiktok? Wie kann es sein, dass Demokratie- und Frauenfeindlichkeit, Rassismus,
Islamismus und Antisemitismus vor unseren Augen
in Minutenschnelle wachsen können? Für einen effektiven Kampf gegen Gewalt auf Videoplattformen bedarf es eines ganz anderen Tempos. Automatisierte Erkennung,
Gegenrede in Echtzeit und wissenschaftliche Sofortanalysen sind unerlässlich. Wer wird das Instrumentarium der wehrhaften Demokratie gegen die Bedrohung durch Tiktok finanzieren wollen?"