9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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2004 Presseschau-Absätze - Seite 5 von 201

9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.01.2024 - Medien

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht, auch weil sie, wie ihr Pressereferent Christopher Resch im taz-Gespräch erklärt, unter anderem davon ausgeht, dass die israelische Armee möglicherweise gezielt Journalisten in Gaza getötet habe. Zudem hat er Zweifel an der unabhängigen Berichterstattung: "Journalisten kommen seit dem 7. Oktober nur nach Gaza, wenn sie mit der israelischen Armee unterwegs sind. Sie müssen der Armee anschließend ihr Material vorlegen, was für diese Art der Berichterstattung aber nicht ungewöhnlich ist. Wir fordern, dass über die israelischen und den ägyptischen Grenzübergang mehr internationale Medien ins Land gelassen werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 08.01.2024 - Medien

Für Künstliche Intelligenz, wie sie von Microsoft und Co. entwickelt wird, sind journalistische Texte unverzichtbar. Das ist eine Chance für Zeitungen, ruft Barnaby Skinner in der NZZ. Die New York Times ergreift sie gerade am Schopf und klagt gegen Open AI, eine Firma, in die Microsoft massiv investiert hat. Dass die NYT nicht zufrieden ist mit den Brosamen, etwa 10 Millionen Dollar, die ihr die Techmogulen hinwerfen, "ist richtig und für den Rest der Medienwelt ein Glücksfall. Denn wer die Klageschrift nach der einführenden Selbstbeweihräucherung vollständig liest, dem wird klar: Journalistische Inhalte sind für die Qualität der großen Sprachmodelle eine wertvolle Ressource - wertvoller, als Technologieunternehmen zugeben möchten", so Skinner und legt einige Zahlen vor: "Microsoft hat 13 Milliarden Dollar in Open AI investiert und besitzt 49 Prozent der Anteile. Es sieht so aus, als ob sich die Investition schon rentiert. Open AI erzielt bereits über eine Milliarde Dollar Umsatz pro Jahr mit Abonnementgebühren für die kostenpflichtige Version von Chat-GPT. Und die Gründer von Open AI haben sich verpflichtet, drei Viertel ihrer Gewinne an Microsoft zu überweisen, bis die anfängliche Investition abbezahlt ist ... Kein anderes Big-Tech-Unternehmen hat in letzter Zeit mehr an Wert zugelegt als Microsoft. Der Firmenwert beträgt mittlerweile 2,8 Billionen Dollar. Das ist mehr als das Dreifache des gesamten Bruttoinlandprodukts der Schweiz."

Zelda Biller hat sich für die NZZ das Videoblog "Jung & Naiv" von Tilo Jung zum Nahostkonflikt angehört. Belanglos findet sie dessen vermeintlich harmlose "Israelkritik" nicht, denn Jung hat immerhin eine viertel Million Abonnenten auf Twitter und eine halbe Million Abonnenten auf Youtube: "Seit 2013 führt er dort oft mehrstündige Interviews mit Politikern und Experten. Fachmänner für Israel-Hass sind besonders willkommen, ein Hamas-Funktionär durfte schon 2014 dabei sein und von Jung als 'unser Freund von der Hamas' vorgestellt werden. Im Gespräch spielt er als Fragesteller bloß eine Rolle, die des Naiven und politisch Uninformierten, darauf beharrt er zumindest. Es hat ja auch Vorteile, wenn man nicht man selbst sein muss. So kann zum Beispiel jede gesagte Dummheit oder Terroristen-Liebelei später auf die Kunstfigur des einfältigen Interviewers geschoben werden, und gleichzeitig erweckt genau diese Kunstfigur den Anschein von Meinungslosigkeit. Der Kategorie also, die zurzeit von immer mehr Journalisten überstürzt als vermeintliches Gegenmittel zur Polarisierung westlicher Demokratien gepriesen wird."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 04.01.2024 - Medien

Holger Stark, der als Spiegel-Redakteur 2010 mit dem Wikileaks-Gründer Julian Assange zusammengearbeitet hatte, alarmiert in der Zeit, dass Assange nun nach einem letzten Gerichtstermin in London Ende Februar in die USA ausgeliefert werden könnte, wo ihm eine langjährige Gefängnsstrafe droht: "Woher kommt dieser Zerstörungswille? Und wo bleibt der öffentliche Aufschrei, der angesichts der brachialen Verfolgung angemessen wäre?" Und "Warum also wird Assange für etwas ins Gefängnis geworfen, wofür man Journalisten mit Preisen auszeichnet?"

Die britische Zeitung The Daily Telegraph könnte bald dem Vizepräsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Abu Dhabis Scheich Mansour bin Zayed Al-Nahyan, gehören, schreibt Daniel Zylbersztajn-Lewandowski in der taz. Die bisherigen Inhaber, die Familie Barclay, konnte einen Schuldenberg von 1,4 Milliarden Euro nicht tilgen, wozu sich die neuen Besitzer bereiterklärten, was aber nicht ausreichen könnte: "Das liegt an kritischen Stimmen aus den Reihen konservativer Politiker:innen, die sich gemeinsam in einem offenen Brief gegen die Übernahme durch einen anderen Staat aussprachen. Der lauteste unter ihnen war der ehemalige Tory-Chef Iain Duncan Smith. In einem Meinungsstück im Daily Telegraph selbst sprach er von potenziellen Risiken, etwa möglichem Einfluss von China oder Russland auf Abu Dhabi. Gerade in einer Zeit der Beeinflussungsversuche in den sozialen Medien sei die Unabhängigkeit des Daily Telegraph wichtig."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 29.12.2023 - Medien

Für die Presse lief's dieses Jahr nicht so gut, schreibt Michael Hanfeld in der FAZ. Zum einen knabbert KI ihre Inhalte an, und man führt die üblichen Prozesse, um wenigstens Leistungsschutzrechte abzukriegen. Und zum zweiten werden Institute abgewickelt, wie Gruner + Jahr bei Bertelsmann: "22 Titel wurden eingestellt, von 1.900 Stellen sind 700 weggefallen, übrig bleiben wenige Magazine, allen voran der Stern, die zu Digitalmarken werden sollen. Diesen Wechsel zu vollziehen fällt Zeitschriften vielleicht noch schwerer als Zeitungen. Sie alle beklagen einen weiteren Rückgang der gedruckten Auflagen und richten ihr Augenmerk auf digitale Abonnenten. Druckereien werden geschlossen, die Zeitung auf Papier gibt es per Zustellung in einigen Regionen nicht mehr."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.12.2023 - Medien

Die neugewählte polnische Regierung hat den Staatssender TVP übernommen, und dabei kam es zu recht turbulenten Szenen, berichtet Gabriele Lesser in der taz. Der Sender war zuvor in den acht Jahren der PiS-Herschaft gleichgeschaltet worden. "Gegen den Verlust dieser gewaltigen Medienmacht sträubt sich die PiS nach Kräften. Nicht nur, weil TVP in den letzten Jahren immer wieder Zuschüsse von zuletzt jährlich rund zwei Milliarden Zloty (circa 470 Millionen Euro) aus dem Staatssäckel erhalten hat, sondern auch weil für 70 Prozent der PiS-Anhänger TVP die Hauptinformationsquelle darstellt. Schon im April 2024 stehen aber Kommunal- und Regionalwahlen in Polen an, bei denen die Stimmergebnisse für die PiS - ohne die PiS-Propagandamaschinen - massiv einbrechen könnten. Ähnliches gilt für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024."

Die Lösung der Staatsmedien aus dem PiS-Zugriff ist dabei eine heikle Angelegenheit, berichtet Reinhard Veser in der FAZ: "Die neue Mehrheit hat keine Aussicht, die Lage bei den öffentlichen Medien rasch auf dem Gesetzeswege zu ändern, weil das von Präsident Duda oder von dem von der PiS kontrollierten Verfassungsgericht blockiert würde. Duda warf der Regierung wegen ihres Vorgehens bei TVP im Interview mit Radio Zet einen 'empörenden Verfassungsbruch' vor." Und ähnlich schwierig wird eine Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit angesichts einer gleichgeschalteten Justiz, so Veser.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.12.2023 - Medien

Der AfD sei es wie keiner anderen Partei auf Social Media gelungen eine breite Masse an Followern zu versammeln, schreibt Philipp Bovermann in der SZ. "Politiker aus FDP und SPD wackeln in Videos mit dem Hintern und machen alberne Challenges, um sich so richtig doll volksnah zu geben. Die AfD hingegen macht plattformübergreifend etwas ganz Verrücktes: Sie spricht über Politik". Dabei wäre es an der Zeit für "Gegenöffentlichkeiten zur Gegenöffentlichkeit". "Parteien werden sich nach außen und nach innen öffnen, sie werden stärker wie Bewegungen funktionieren müssen, als kommunikative Netzwerke. Diese Netzwerke brauchen klare narrative Leitlinien, klare Visionen, aber jeder Knotenpunkt, jedes Parteimitglied, jede Unterstützerin, jeder Unterstützer, muss und soll diese Vision in ihren eigenen Worten formulieren dürfen. Das klingt wüst und chaotisch, wie der Albtraum verdienter Parteifunktionäre, ohne Shitstorms wird das nicht ablaufen - aber alles ist besser, als den Feinden der Demokratie kampflos das Feld zu überlassen."

Bald werden die Menschen in ihre Suchleisten nur noch eine Frage eingeben und eine KI wird ihnen eine direkte und passende Antwort generieren, prophezeit Christian Meier in der Welt. Dieser, "in wenigen Sekunden generierte Journalismus" schüchtere gerade die Medienbranche ein, da sie fürchte, durch die Suchfunktion nicht mehr gefunden zu werden, die KI aber dennoch über ihre Daten verfüge. "Bedeutet also: Reagieren Medienunternehmen nicht auf die nächste Welle der technologischen Revolution, hin zur individuellen Nachrichtenabfrage durch Konsumenten, könnten sie weiter an Boden verlieren. Fraglos wird es weiter eine substanzielle Zahl von Menschen geben, die sich eine Zusammenstellung von Nachrichten durch menschliche Redakteure wünschen, wie etwa bei einer Zeitungsseite und Nachricht." Meier schreibt pro domo: Der Springer-Verlag hat die Flucht nach vorn angetreten und gibt für viel Geld alle seine Daten freiwillig an die Firma OpenAI mit ihrer Software ChatGPT (unser Resümee).

9punkt - Die Debattenrundschau vom 19.12.2023 - Medien

Zunächst erhoben Mitarbeiter der rumänsichen Tageszeitung Libertatea und der investigativen Sportzeitung Gazeta Sporturilor Vorwürfe gegen den Schweizer Medienkonzern Ringier, der Konzern untergrabe kritische Berichterstattung gegenüber Anzeigenkunden, Chefredakteure und leitende Redakteure wurden bald entlassen, die Printausgabe der GSP eingestellt - Ringier streitet die Vorwürfe ab, berichtet Cathrin Kahlweit in der SZ: "Das Pikante jedoch an dieser speziellen Auseinandersetzung ist, dass Ringier in den Augen der empörten Journalisten - vor allem - die rumänische Glücksspielindustrie schützt. Laut Raimar Wagner, Leiter des rumänischen Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, ist die Glücksspielindustrie in Rumänien sehr mächtig, 'das sieht man in der öffentlichen Präsenz und in der Werbung. Daher kann man ein Zusammenspiel der Branche mit der Politik nicht ausschließen'. Die Naumann-Stiftung hat gerade gemeinsam mit dem Zentrum für unabhängigen Journalismus (CJI) einen aktuellen Bericht zur Lage der rumänischen Medien vorgestellt. Das Vertrauen in Medien sei auf dem niedrigsten gemessenen Stand aller Zeiten, heißt es dort; politischer und ökonomischer Druck auf Medieneigentümer, Redaktionen und Journalisten nehme stetig zu und gefährde die redaktionelle Unabhängigkeit. Und nächstes Jahr finden, aber das nur nebenbei, vier Wahlen in Rumänien statt: Kommunal- und Europa-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen."
Stichwörter: Rumänien, Ringier

9punkt - Die Debattenrundschau vom 18.12.2023 - Medien

In der FAZ kritisiert Michael Hanfeld scharf das neue Mediengesetz der EU. Verleger würden damit ebenso übergangen wie der Presserat und die Bundesländer, denen in Deutschland die Aufsicht über die Presse oblag. Künftig haben "EU-Bürokraten" das Sagen, so Hanfeld: "Insbesondere Verleger werden entrechtet, heißt es im Medienfreiheitsgesetz doch, Journalisten sollten vollkommen unabhängig in ihrer Arbeit sein. Auch das zielt erkennbar auf Ungarn oder Polen, treffen aber wird es alle. Und wie wir die EU kennen, lässt sie ihre Muskeln nur dort spielen, wo die rechtsstaatlichen Verhältnisse in Ordnung sind. Viktor Orbán, da gehen wir jede Wette ein, wird sich bei seiner Zerstörung der EU von innen nicht beirren lassen und keinen Deut um das Gesetz scheren. Und die EU, die nicht in der Lage ist, Orbáns Unterstützung für Putins Vernichtungskrieg in der Ukraine zu konterkarieren, wird nichts tun." Immerhin soll aber auch Regierungswerbung in Medien kontrolliert werden - die deutsche Praxist ist da bisher eher intransparent.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.12.2023 - Medien

Der arabische Dienst von Al Jazeera strahlt ausschließlich Hamas-Propaganda aus, schreibt der israelische Autor Hagai Dagan in der taz. Der Sender ist meist die einzige Informationsquelle der arabischen Bevölkerung: "Al Jazeera wird von Katar aus ausgestrahlt, kontrolliert und finanziert. Eine interessante Frage ist, warum Katar, ein reiches autokratisches Fürstentum, die Muslimbruderschaft und die Hamas unterstützt und sich so bemüht, Israel in der Welt zu entfremden. Wenn man diskutieren will, ob Al Jazeera geschlossen werden soll, müsste man zunächst die grundlegende Frage klären: Sollten Propagandasendungen im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein?"

Aucb die dpa sprach zunächst von "Hamas-Kämpfern", benutzt aber jetzt den Begriff "Hamas-Terroristen", im Gegensatz zu den meisten anderen Agenturen. In der FAZ wirbt Froben Homburger, Nachrichtenchef der dpa, um Verständnis: "Selbst dieses kurze Zögern mag befremden. Auch der sachliche Schreibstil vieler dpa-Meldungen kann irritieren bei einem so monströsen Verbrechen, für dessen Schilderung Nachrichtensprache an ihre Grenzen stößt. Nachrichtenagenturen sind grundsätzlich zurückhaltend darin, Zuschreibungen zu verwenden, die ein Geschehen nicht nur einordnen, sondern bewerten. Das gilt besonders für den Beginn großer Konfliktlagen, wenn nüchterne Beschreibung mit neutralen Formulierungen im Fokus steht."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.12.2023 - Medien

Der Axel-Springer-Verlag hat eine Kooperation mit dem ChatGPT-Anbieter Open AI gschlossen, meldet die FAZ. Für Springer soll die Vereinbarung "achtstellige Erlöse pro Jahr" bringen. Wie genau dieser Profit zustande kommen soll, wird aus dem Artikel nicht ganz klar: "Konkret erhalten Nutzer von ChatGPT im Rahmen der Kooperation von Springer und Open AI weltweit Zugang zu ausgewählten Nachrichteninhalten von Medienmarken aus dem Hause Springer wie Bild, Welt, Politico und Business Insider. Dazu gehören auch Zusammenfassungen kostenpflichtiger Inhalte, wie Springer am Mittwoch mitteilte. Zusammen mit den Inhalten des Verlagshauses werden von ChatGPT Quellenangaben und Verweise auf die entsprechenden Internetseiten der Springer-Medien ausgespielt."
Stichwörter: ChatGPT, Axel Springer Verlag