Link des Tages

Der Jimi Hendrix der Dhol Trommel

... und 1.299 andere Künstler
22.10.2003. Das Berliner Haus der Kulturen der Welt bietet mit culturebase.net eine umfassende Künstlerdatenbank. Von Alexander Kraus
Koffi Kôkô aus dem Benin ist nicht allein Voodoo-Priester sondern gilt zugleich als einer der "versiertesten modernen Tänzer, Choreographen und Tanzwissenschaftler Afrikas". Papa Wemba hingegen verhalf dem zairischen Soukous "zu neuem Leben". John Kalsi wiederum, der Leiter der Dhol Foundation, hat "für die traditionelle Punjabi Dhol Trommel in etwa das erreicht, was Jimi Hendrix" für die Rockgitarre gelang. - Allein, wer kennt sie schon in Europa?

Das Wissen über Künstler aus den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas hält sich in Grenzen. Dieser Unkenntnis ist nun die internationale Künstlerdatenbank Culturebase.net mit dem Anspruch entgegengetreten, genau da Abhilfe zu schaffen und "Entdeckungsreisen durch interkulturelle Gemeinsamkeiten und Differenzen" zu ermöglichen. Wer also zukünftig Einblicke in die Performance des Voodoo-Priesters bekommen (Kôkô), sich den Rhythmen anderer Kontinente (Wemba, Dhol) öffnen möchte, wird in diesem Medium fündig.

Nachdem culturebase.net sich bereits seit 2001 als Unterseite des HKW online präsentiert, ist nun die Phase der internationalen Vernetzung abgeschlossen und die Homepage im Spätsommer dieses Jahres als eigenständige Seite neu gelauncht worden. Sie stellt das Ergebnis einer durch das Haus der Kulturen der Welt initiierten und durch die Europäische Union mit Mitteln aus dem Programm Culture 2000 geförderten strategischen Kooperation der renomierten Kulturinstitutionen Intercult in Stockholm und Visiting Arts in London dar. Mit dem Danish Center for Culture and Development in Kopenhagen ist schnell ein weiterer Kernpartner hinzugekommen, so dass die multimediale Datenbank mittlererweile weit mehr als 1.300 Künstler aus über 150 Ländern erfasst, die in den Genres Bildende Kunst, Film, Fotografie und Design, Theater, Tanz oder Musik sowie Literatur und Wissenschaft tätig sind.

Mit dieser Datenbank ist culturebase.net einerseits das ideale "Einstiegsportal und erste verlässliche Informationsquelle" für Journalisten, Veranstalter und Aussteller über internationale Künstler", so Eva Stein in ihrer Projektbeschreibung aus dem letzten Jahr; bietet jedoch andererseits auch all den international arbeitenden Künstlern ein Forum, deren Bekanntheit sich bislang kaum über die eigenen Grenzen erstreckt. Die Partnerorganisationen werden auch zukünftig den an ihren laufenden Projekten beteiligten Kunstschaffenden die Möglichkeit bieten, sich einem größeren Publikum vorzustellen. Das Berliner HKW hat beispielsweise allein zum aktuellen Projekt body.city, New Perspectives from India, die Datenbank um etwa fünfzig Künstler erweitert.

Die einzelnen Künstlerporträts erschöpfen sich jedoch nicht mit den detailreichen, von kompetenten Fachjournalisten verfassten Artikeln, sondern ermöglichen teilweise auch einen direkten Einblick in das Schaffen der Künstler. Das Spektrum reicht hier von Bildern und Texten bis hin zu Audio- und Videofiles. Allerdings verbirgt sich hinter den meisten Videofiles ein rein akustischer Hörgenuss, da den Audiofiles kein eigener Anwahlbutton zugestanden wurde. Ausführliche Biographien und Werkverzeichnisse runden das Angebot der Datenbank ab. Leider unterscheidet sich aber die Quantität der Informationen zu den einzelenen Künstlern erheblich. Alle Beiträge sind in englischer Sprache verfasst und entsprechend der Projektorganisation zusätzlich in deutsch, dänisch oder schwedisch abrufbar. Die benötigten plug-ins wie Quicktime, Real Player und Acrobat Reader können über die Seite heruntergeladen werden.

Die optisch ansprechend gestaltete Startseite, der man höchstens die etwas klein geratene Schriftgröße und die dem Design geopferte Lesbarkeit der Menuleiste vorwerfen möchte, präsentiert die zuletzt hinzugekommenen Künstlerporträts und Projekte. Die Suche selbst erfolgt über ein umfassendes Auswahlsystem, dass sowohl allgemeine als auch sehr spezielle Suchergebnisse ermöglicht. Allein ersteres gestaltet sich mitunter recht kompliziert, fehlt doch beispielsweise im regionalen Suchfeld die Option, einen ganzen Kontinent mit einer einzigen Anfrage durchforsten zu lassen. So stehen für Afrika zwar die Optionen Zentral, Ost, Nord, Süd und West zur Wahl, jedoch nicht der Kontinent als ganzer. Breit gefächert hingegen sind die Unterkategorien zu den einzelnen Genres; allein die Sparte Musik weist hier weit mehr als hundert Stilrichtungen auf. Schade nur, dass eben nicht zu jedem Künstler Hörproben vorhanden oder Werkbeispiele dokumentiert sind.

Eine vielversprechende Neuheit ist die sogenannte "Crossroads"-Suchmöglichkeit. Sie erlaubt eine themenorientierte Suche nach Schlagworten, die von "Langeweile" bis hin zum "Existenzialismus", vom "Islam" bis "Voodoo" bunt gefächert ist. Die Trefferliste präsentiert sodann all die Künstler, die sich mit entsprechenden Themen beschäftigen. Allerdings gilt hier: Je spezieller die Suche, desto schneller stößt man an die Grenzen der Datenbank.

Auch culturebase.net verschickt regelmäßig einen umfangreichen Newsletter (Interessierte können sich hier anmelden). Die Linkliste verzeichnet eine Vielzahl vielversprechender Links zu den Sparten Visual Arts, Digital Media, Music, Performing Arts und Film, die jedem Kunst- und Kulturinteressierten manch bisher unbekannte Seite des Netzes anzeigen wird.

Culturebase.net erfreut sich eines stetigen internationalen Zuspruchs, wie uns Annette Schäfer von der Pressestelle im HKW freudig mitteilte, was sich an konstant steigenden Seitenzugriffen zeigt. Zurecht, finden wir, denn wie hat schon die Stuttgarter Zeitung richtig bemerkt: "Denn auch wer viel kennt, kennt immer nur ein bisschen".

Alexander Kraus