Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Architektur

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.11.2023 - Architektur

Berlin: Kaufhaus Lafayette, Foto: Wladyslaw Sojka, Free Art License


Weiterhin viel diskutiert wird in Berlin der von Kultursenator Joe Chialo ins Spiel gebrachte Plan, die Berliner Zentral- und Landesbibliothek im Gebäude des Lafayette-Kaufhauses an der Friedrichsstraße unterzubringen (unser Resümee). Auf einer von der Stiftung Zukunft Berlin organisierte Gesprächsrunde wurde nun, wie Nikolaus Bernau im Tagesspiegel berichtet, ein weiteres Mal Unterstützung laut: "Bei dieser Veranstaltung plädierten nun auch der Architekt Juan Lucas Young von Sauerbruch Hutton Architekten, der Regionalökonom Lech Suwala und der Stadtplaner Urs Kohlbrenner ähnlich vehement für den Umzug. Kohlbrenner verwies auf die Kriterien seiner Bibliotheksstandort-Untersuchungen von 2008: 'Wenn ich einen Großteil der damaligen Argumente anwende - dann ist das Lafayette eine Möglichkeit.' Zudem sei mit diesem Projekt für die Gesellschaft und die Politik 'ein Blumentopf' zu gewinnen - bei einem Erweiterungsbau für die Amerika-Gedenkbibliothek, der ja auch immer noch im Gespräch ist, ginge alles seinen gewohnten Gang, so Kohlbrenner. Beim Lafayette-Projekt aber seien vollkommen neue Ideen möglich." Allerdings: Die Zeit drängt, und Teile der SPD sind, warum auch immer, gegen den Plan.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.11.2023 - Architektur

Exhibition View © Erik-Jan Ouwerkerk

FAZ
-Kritiker Michael Mönninger war in der Jubiläumsausstellung der Graft-Architekten im Berliner Architekturforum Aedes, denen die schwierige Gratwanderung "zwischen Pro-bono-Arbeiten für gute Zwecke und For-Profit-Aufträgen für finanzstarke Bauherren" gelingt. Mönninger blickt beeindruckt nach oben: "In der Berliner Ausstellung steht eine gewaltige Installation mit meterhohen skulpturalen Großmodellen aus Holz, aus denen sich die Volumina, Umrisse und plastischen Linien der präsentierten Gebäude so kraftvoll herausarbeiten, dass man fast an Michelangelos unvollendete Sklaven-Figuren in der Florentiner Accademia denken könnte. Doch wichtiger ist der praktische Mehrwert dieser Modellwerkstatt. Statt musealen Berührungsverbots herrscht hier Berührungszwang, weil die sensualistisch ondulierten und polierten Oberflächen ertastet und gespürt werden wollen. Das hatte schon Walter Benjamin über die taktile Wahrnehmung von Architektur gesagt, dass sie weniger den Augenschein als den Bewegungs- und Berührungssinn anspricht."

In der taz nimmt Philine Bickhardt die Architektur der "sowjetische Moderne" in Usbekistan und Kirgistan in den Blick. Überall sieht Bickhardt in Taschkent die Beton-Plattenbauten, die hier gar nicht trostlos sind, sondern "in dieser Stadt mit Mosaiken und Ornamenten liebäugeln, zumeist auch usbekischen Motiven." Langsam bilden sich einige wenige Initiativen, die versuchen, dieses kulturelle Erbe zu bewahren, aber die Politik hat ganz andere Interessen, seit 2016 lässt der Staat reihenweise Häuser abreissen, so die Kritikerin, tausende Menschen werden wohnungslos, die historischen Bauten zerstört: "Neugebaut wird im westlichen Stil. Die neuen Business-Skyliner und Wohnkomplexe sind jedoch weder für eine breite Bevölkerung erschwinglich, noch reicht etwa der durchaus beeindruckend in den Himmel hinaufragende, 266,5 Meter hohe Tower im Stadtzentrum Taschkents 'Nest One' ästhetisch an das heran, was die Platten bieten."

Weiteres: Maritta Adam-Tkalec nimmt uns in der Berliner Zeitung mit auf einen Rundgang durch das Kino International in Berlin. Und versucht herauszufinden, wie das Gebäude nach der Sanierung aussehen wird. Wird der Charme des, wie wir lesen, zweifach denkmalgeschützen Baus ("als Teil des Ensembles Karl-Marx-Allee" und als "herausragendes Beispiel der Ostmoderne") erhalten bleiben?

Efeu - Die Kulturrundschau vom 08.11.2023 - Architektur

Gerhard Matzig porträtiert in der SZ anlässlich einer Ausstellung im Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein Iwan Baan, einen unkonventionellen Architekturfotografen, dessen Bilder Menschen und Gebäude zueinander in Beziehung setzen: "Diese Ausstellung feiert nicht das Bauen, sondern das Leben. Das ist es, was Baan zu einem der derzeit interessantesten Architekturfotografen macht: Er dokumentiert keine Bauten, er feiert keine Bauten, er inszeniert keine Bauten, er betreibt kein Marketing (Stahlträger vor Sonnenuntergang), er hofiert die Architekten nicht, er lobpreist nicht die Bauherren (wie immer selten: Baudamen) - sondern er erzählt vom Alltag in, vor, hinter und neben den Bauwerken. Das ist es, was sein eigenes Werk groß macht. Es birgt nämlich auch eine Idee vom Kleinen. Eben vom Menschen."

Für den Tagesspiegel besucht Bernhard Schulz eine Gesprächsveranstaltung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) mit dem britischen Stararchitekten Norman Foster. Der Gast präsentierte sich, erfahren wir, als ein Pragmatist des Bauens. Mit den behördlichen Mechanismen, die in Deutschland öffentliche Bauvorhaben plagen, ist das möglicherweise nur bedingt kompatibel: "Was soll ein Mann wie Foster mit Verweisen auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Senat und Bezirk anfangen? Dass gerade erst 15 Jahre alte Masterpläne und Regelwerke vollständig überarbeitet werden müssen, lässt für die 'Geschwindigkeit', die Diskussionsleiter Stephan Frucht seitens des VBKI mehrfach anmahnte, nichts Gutes erwarten." Das heißt freilich nicht, dass Foster für die Architekturwüste Berlin keine Hoffnung sieht: "Moderator Frucht suchte die Stimmung im Saal anzuheizen, als er Berlin 'dreckig, langsam, dysfunktional' nannte, doch Norman Foster sprang darauf nicht an, im Gegenteil. 'I love Berlin!', rief er aus...Die breiten Straßen, das viele Grün! Manchmal braucht es eben den Blick von außen. Und den entsprechenden Anstoß: So gab Foster der Stadt den Rat, keine kleinen Pläne zu machen: 'Think big!' Budgetäre Beschränkungen wollte er erst recht nicht gelten lassen, wenn es um Qualität geht..."
Stichwörter: Foster, Norman, Baan, Iwan

Efeu - Die Kulturrundschau vom 06.11.2023 - Architektur

Nach einer Biennale bleibt oft eine Menge Müll übrig, erinnert FAZ-Kritikerin Nalna Bahlmann. Das Team des deutschen Pavillons hat sich dieses mal dafür eingesetzt, dass dieser eine neue Verwendung findet: "Unter dem Leitsatz 'Open for Maintenance' - 'Wegen Umbau geöffnet' hat das diesjährige Kuratorenteam, das aus Mitarbeitern der Zeitschrift 'Arch+' und den beiden Architekturbüros Juliane Greb und Summacumfemmer besteht, den deutschen Pavillon für die gesamte Laufzeit der Biennale in ein Materiallager, eine Werk- und Lehrstatt verwandelt, wo die Bauabfälle der letzten Kunstbiennale recycelt, repariert und dann an verschiedenen Orten der Stadt umgenutzt oder neu aufgebaut werden. Der deutsche Pavillon führt damit vor, wie eine nachhaltige Baukultur aussehen kann, die sich zugleich als 'soziale Praxis' versteht.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 04.11.2023 - Architektur

2014, Umbrella-Movement, Hongkong Protestcamp im Mong-Kok-Distrikt Foto: © Vicky Chan, 6. November 2014

Eine spannende und aktuelle Ausstellung sieht NZZ-Kritiker Andres Herzog im Deutschen Architekturmuseums (DAM): Die Schau "Protest/Architektur" befasst sich mit der materiellen Seite des politischen Widerstandes: "Es geht in erster Linie um das handfest Gebaute, nicht um die politischen Inhalte der Proteste. Also nicht ums Klima, sondern um den Klebstoff, mit dem sich die Aktivisten auf der Strasse befestigen." Von der Julirevolution 1830 über die Blockaden der Anti-Atomkraftbewegung in Deutschland sieht Herzog die unterschiedlichsten (Bau)formen des Protestes, dabei sind es oft die alltäglichsten Dinge, die große Wirkung entfalten: "Oft werden einfache Gegenstände zum Symbol einer Protestaktion. Etwa die Regenschirme, mit denen sich die Demonstranten in Hongkong vor den Überwachungskameras schützten. In Wien wurde ein pyramidenförmiges Gebäude zum ikonischen Zeichen der Bewegung, die ein Auengebiet vor der Zerstörung durch einen Autobahnzubringer retten will. Die wiedererkennbare Geometrie macht die Architektur zum idealen Träger der Protestbotschaft."

Die Architekturbiennale in Venedig legt ihren Fokus dieses Jahr auf afrikanische Länder: Wird auch Zeit, meint NZZ-Kritiker Hubertus Adam. Allerdings wurden sowohl Beginn und Ende der Biennale von Skandalen überschattet, wie Adam schildert: Zuerst waren da die Missbrauchsvorwürfe gegen den Architekten David Adjay (der daraufhin einen Teil seiner Mandate niederlegte). Jetzt wird bekannt, dass der französische Architekturkritiker Léopold Lambert, der auch an der Ausstellung teilnimmt, das Massaker der Hamas vom 7. Oktober in einem Facebook-Post verteidigte. Auch hier sieht man wieder, so Adam: "Antisemitismus ist nicht nur im postkolonialen Diskurs von Entwicklungs- und Schwellenländern - man denke an die Documenta-Macher des vergangenen Jahrs in Kassel -, sondern auch in akademischen und kulturellen Milieus der westlichen Welt ein nicht zu unterschätzendes Problem." Der Kritiker versucht sich aber trotz allem auf die Ausstellung zu konzentrieren und sieht tolle Beiträge: "Der Goldene Löwe für den besten Länderpavillon wurde in diesem Jahr an einen Beitrag der nichtwestlichen Welt verliehen. Das überrascht kaum. Mit einer eindrücklichen Installation - der Boden des von Carlo Scarpa entworfenen Länderpavillons ist mit Erde bedeckt - dekonstruiert Brasilien das Narrativ, dass die synthetische Hauptstadt Brasilia im Niemandsland gebaut worden sei. Vielmehr wurde nämlich die indigene Bevölkerung vertrieben - 'Terra', so der Titel der Schau, erinnert daran."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 31.10.2023 - Architektur

Die Heilig-Geist-Kirche in Wolfsburg. Entworfen von Alvar Aalto. Foto: Stiftung Heilig-Geist, Wolfsburg.

Der "standardisierten doktrinären Moderne der Entfremdung" setzte der schwedische Architekt Alvar Aalto eine "warme Moderne aus dem kalten Norden" entgegen, weiß NZZ-Kritiker Ulf Meyer, der die Entwürfe für Aaltos "menschenfreundliche" Nachkriegsbauten in der Ausstellung "Gezeichnete Moderne" im Berliner Museum für Architekturzeichnung bewundert: "Die ersten Skizzen zeigen meist den Duktus des Meisters, während die Werkpläne von der liebevollen Umsetzung seiner Gestaltideen in gebaute Wirklichkeit zeugen. Es sind einfache Bleistift-Linien-Zeichnungen auf Papier, teils ganz von Hand, teils mit dem Lineal gezeichnet, die den Entwurf einer neuen Architektur eröffneten. Schnitte, Grundrisse und Ansichten überwiegen. Vereinzelt wurde die Raumwirkung der Neubauten auch anhand von manuell konstruierten Perspektiven überprüft."
Stichwörter: Aalto, Alvar

Efeu - Die Kulturrundschau vom 25.10.2023 - Architektur

In Usbekistans Hauptstadt Taschkent droht der spätsowjetischen Architektur der Abriss, lernt Tagesspiegel-Kritiker Bernhard Schulz von einer Konferenz im Staatlichen Kunstmuseum der Hauptstadt. Und wäre das nicht schade, denkt er sich. Taschkent war nämlich "seiner Lage und historischen Bedeutung wegen das 'Schaufenster des (sowjetischen) Orients'. Hier wurde mehr und freier als anderenorts experimentiert, durfte von Norm- wie von Stilvorgaben abgewichen werden. Das haben die Architekten zu nutzen gewusst, und so ist in Taschkent ein erstaunlich kohärentes Ensemble von Bauten entstanden, die diese relative Freiheit widerspiegeln, doch ihrer repräsentativen Aufgabe als Botschafter einer 'modernen Sowjetunion' verlustig gegangen sind und oft nicht mehr angemessen unterhalten werden. Das Kunstmuseum als Veranstaltungsort der Konferenz wie der zugehörigen Ausstellung zur Taschkent-Moderne ist selbst ein Bauwerk dieser Epoche - und ein Beispiel der Gefährdung." Außen notdürftig und billig renoviert, "im Inneren jedoch zeigt der Bau mit seinem quadratischen, mit umlaufenden Galerien versehenen Lichthof genau die Qualität einer neuen Leichtigkeit. Unterstrichen wird die Verbindung von Repräsentativität und Eleganz in vielen Bauten durch ebenso helle wie wertvolle Materialien, gerne durch weißen Marmor, der in der Breschnew-Zeit offenbar in großen Mengen zur Verfügung stand". (Einige schöne Beispiele finden Sie hier)

Saudi-Arabien plant ein gigantisches Architekturprojekt, "The Line", eine Stadt, die 170 Kilometer lang sein soll und in die das Königreich ihr ganzes aus schmutzigen Energien gewonnenes Geld stecken will, um eine blitzsaubere Zukunftsvision zu produzieren. Die Sky-Dokumentation "The Line - Saudi Arabia's City of the Future in Neom" feiert das Projekt - und gibt laut der Architekturprofessorin Dana Cuff, die sich den Film für Dezeen angeguckt hat, unfreiwillig ein ziemlich trübes Bild von der Profession: "Wenn all das saudische Geld auf einen Berufsstand trifft, der nach vielen Maßstäben immer ärmer wird, sind selbst die renommiertesten Vertreter der Branche Opportunisten. Was wir sehen, ist ein Geiselvideo, bei dem die Talking Heads vom Stockholm-Syndrom befallen zu sein scheinen. Jegliche Diskussion über die Kontroverse im Zusammenhang mit dem Projekt, einschließlich angeblicher Todesurteile für Demonstranten, die von der UNO angeprangert wurden, fehlt auffallend."

Ebenfalls in Dezeen klagt der Architekturprofessor Aaron Betsky, dass niederländische Architektur nach Jahrzehnten der Blüte langweilig geworden sei, lauter Boxen mit Verzierungen. Und dann fallen ihm doch ein paar Gegenbeispiele ein, auf die man in Deutschland nur neidisch sein könnte: "Das soll nicht heißen, dass die Arbeit einer ganzen Reihe jüngerer Büros - von den sorgfältig ausgearbeiteten Fassaden und Renovierungen von Marjolein van Eig über die zurückhaltenden öffentlichen Gebäude und Wohnbauten von Happel Cornelisse Verhoeven bis hin zum großzügigen Minimalismus von Maarten van Kesteren - nicht verdienstvoll ist. Diese Architektur arbeitet mit den niederländischen Traditionen und reagiert auf sie, und sie versucht, sich in einem Gefühl der Zurückhaltung zu erden, das vielleicht durch das alte niederländische Sprichwort veranschaulicht wird: 'Sei normal, dann bist du schon seltsam genug'."

Besprochen wird eine Ausstellung über den Wohnkomplex Leipziger Straße im Mitte-Museum Berlin (BlZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 24.10.2023 - Architektur

Gustav Düsing, Berlin mit wolff:architekten, Berlin mit Architekten für nachhaltiges Bauen, Walsrode und emmerik garden design and research, Rotterdam

Ein Entwurf, der mehr "an Feste als an Festung" erinnert und dem SZ-Kritiker Peter Richter von ganzem Herzen eine schnelle Realisierung wünscht: Der Berliner Architekt Gustav Düsing hat einen Wettbewerb zur Neugestaltung der deutschen Botschafterresidenz in Tel Aviv gewonnen, der den Kritiker auf allen Ebenen überzeugt. Düsing hob sich von den anderen Entwürfen unter anderem dadurch ab, dass er das noch bestehende Gebäude in seine Planung mit einbezog: "Das Haus stehen lassen, innen neu zuschneiden und modernisieren, der zusätzliche Raum für die gelegentlichen Empfänge wird dagegen vor und neben dem Haus untergebracht, auf der ausgreifenden Terrasse, in einem Zwischending zwischen Drinnen und Draußen, nämlich beschirmt von einem leichten, nach Bedarf verschiebbaren Vorhang aus Metall. Das ist natürlich eine maximal wörtliche Auslegung des klassisch-modernen Begriffs von der 'Vorhangfassade'. Dieser halbdurchsichtige, aber winddichte Gittervorhang soll dann einfach dahin gezogen werden können, wo man jeweils eine Verschattung braucht oder die Privaträume blickdicht haben will."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 19.10.2023 - Architektur

Wolfgang Pehnt. Foto: Maltheheesen, Lizenz: CC BY-SA 4.0 Deed, Quelle: Wikipedia


Die Feuilletons würdigen den im Alter von 92 Jahren verstorbenen Architekturkritiker Wolfgang Pehnt. Peter Richter erinnert in der SZ an einen wachen Geist, der mit Labeln wie Modernismus oder Konservativismus nie hinreichend zu fassen war. Schon das von Wolfgang Meisenheimer erbaute Kölner Haus, in dem er lange Jahre lang lebte, sagt viel aus über den Mann: "Von außen wirkte es abstrakt und fast verschlossen, dieses Haus, ein Gefüge schwarzer und weißer Wandflächen unterschiedlicher geometrischer Formen. Innen dann Öffnung zu behaglich dimensionierter Weite, darin der Gelehrte mit seiner beträchtlichen Bibliothek. Es war schwer, nicht an 'Hieronymus im Gehäus' zu denken, und bestimmt hatte Pehnt auch über diesen sehr architektonischen Bildtopos irgendwann und irgendwo einmal etwas geschrieben."

In der FAZ schwärmt Falk Jaeger: "Die sinnlichen Qualitäten und die Eindrucksfülle realer Architektur, die Sicherheit und Geborgenheit, die sie zu geben vermag, die Potentiale der Gehäuse für die Organisation eines selbstbestimmten Lebens waren ihm in seiner Architekturkritik Richtschnur und Motivation. Dabei leitete ihn ein feines Sensorium für die wahren Werte und Motive." Postmodernen und historizistischen Modetrends hingegen fanden selten die Zustimmung des Kritikers, der sich zeitlebens "nach jener Moderne, die humane Lebenswelten zur Verfügung stellt", sehnte. Im Tagesspiegel verfasst Nicola Kuhn einen Nachruf.

Weitere Artikel: Ein kostenmäßig aus dem Ruder laufender Gefängnisbau in Zwickau sorgt für Ärger, weiß Gerhard Matzig in der SZ. Im Tagesspiegel bespricht Helga Meister die Postmoderne-Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle (unser Resümee).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 18.10.2023 - Architektur

Lagos Water Communities Project. Nleworks. Photo credit: Ade Adekola, Iwan Baan

Andres Herzog schreibt anlässlich einer Buchveröffentlichung des Architekten Kunlé Adeyemi in der NZZ über die Idee, angesichts steigender Meeresspiegel und vor allem im subsaharischen Afrika steigender Bevölkerungszahlen dem Meer nicht mehr länger bloß bewohnbares Land per Deichbau abzutrotzen - sondern gleich auf dem Wasser zu bauen. Adeyemi selbst baute 2013 "in der Lagune von Lagos eine schwimmende Schule, die aus dreieckigen Holzelementen aufgebaut war. Das Gebäude dockte im Stadtteil Makoko an, wo 100 000 Personen in informellen Pfahlbauten über dem Wasser wohnen. Die Bauteile für das 'Makoko Floating System' wurden lokal vorgefertigt und vor Ort zusammengebaut. Adeyemi realisierte Versionen davon in Belgien, China, Kap Verde und an der Architekturbiennale 2016 in Venedig." Das Gebäude war damals noch nicht ausgereift, es kollabierte nach heftigen Regenfällen, dennoch sind die Hoffnungen auf einen neuen architektonischen Umgang mit Wasser groß: "Laut dem Programm UN-Habitat könnten schwimmende Städte die weltweite Wohnungsnot lindern. Forbes sieht darin gar 'den nächsten großen Immobilienboom'."

In der taz freut sich Bettina Maria Brosowsky, dass die Ausstellung "Nicht Neues - Besser Bauen mit Bestand" im temporären Ausstellungsort aufhof in Hannover nicht Neubauten (und implizit den Abriss älterer Gebäude), sondern Bestanderhaltung in den Fokus rückt. Nach wie vor setzt die Politik vor allem auf umweltpolitisch problematische Neubauprojekte. Doch es gibt Hoffnung: "Die Ausstellung in Hannover wirft auch einen Blick auf komplexe Prozesse wie das 'Erneuern' in Dorf und Stadt. Beispiel hierfür: das Gängeviertel in Hamburg, 2009 durch die 'kulturelle Inbesitznahme' vor Verfall und Abriss gerettet. Mittlerweile ist der Weiterbestand durch eine Genossenschaft gewährleistet, ausgestattet mit einem 75-jährigen Erbbauvertrag, bis 2027 soll sukzessive saniert werden. Das Viertel bleibt ein Stück selbstverwalteter Stadt - ohne Gentrifizierung oder sonstige ökonomische wie soziale Verdrängung, die häufig auf Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen folgt."