Bücherbrief

Nackt und mit einem Gewehr bewaffnet

02.04.2023. Andrej Stasiuk zoomt in seinem großartigen neuen Roman auf einen winzigen Ausschnitt der Bloodlands. Teresa Präauer lädt zu einem schicken Abendessen ein. Randall Kenan erzählt vom Leben als schwarzer, schwuler Mann im Süden der USA. Uwe Neumahr lädt ins Schloss der Schriftsteller ein. Und im vielleicht wichtigsten Sachbuch dieser Saison dröseln Reinhard Bingener und Markus Wehner "Die Moskau-Connection" Gerhard Schröders und seiner "Frogs" auf. Dies alles und mehr in unseren besten Büchern des Monats April.
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Weitere Anregungen finden Sie in in der Lyrikkolumne "Tagtigall", dem "Fotolot", in den Kolumnen "Wo wir nicht sind" und "Vorworte", in unseren Büchern der Saison, den Notizen zu den jüngsten Literaturbeilagen und in den älteren Bücherbriefen.


Literatur

Andrzej Stasiuk
Grenzfahrt
Roman
Suhrkamp Verlag. 355 Seiten. 25 Euro

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Viel ist Andrej Stasiuks neuer Roman noch nicht besprochen worden, dabei ist er trotz seines historischen Sujets erschreckend aktuell, versichern uns die Kritiker. Stasiuk erzählt von den letzten Tagen vor dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion in einer abgelegenen Gegend in Polen. In der Nähe der deutschen Besatzer verstecken sich polnische Partisanen ebenso wie untergetauchte Juden. Dazu kommen ein deutscher Soldat und ein polnischer Fährmann. Hier offenbart sich Weltgeschichte im Kleinen, erklärt Richard Kämmerlings in der Welt. Stasiuk "zoomt in jenem von Timothy Snyder 'Bloodlands' genannten Osteuropa einen winzigen Ausschnitt heran", der multiperspektivisch im Kleinen vom Großen erzählt: "Totalitarismus rechter und linker Ausprägung, Vernichtungskrieg, Holocaust." Das liest sich für Kämmerlings höchst spannend und ist gleichzeitig raffiniert erzählt, wenn beispielsweise die zunächst anonymen Figuren peu a peu zu Individuen werden oder wenn Stasiuk den Handlungsort plötzlich aus der Sicht seiner Kindheit beschreibt. Für den polnischen Autor kann "Geschichte nur als Fiktion" bewahrt werden, erkennt der tief beeindruckte Kritiker. Im Dlf Kultur staunt Martin Sander, wie Stasiuk die Schrecken von Krieg und Besatzung durch sinnliche Eindrücke vermitteln kann: "der Geruch der Bauern, der Angstschweiß der Herumirrenden, Wut und Angst des Schweins, das seinem Schlächter noch ein Stück Fleisch aus dem Körper reißt". Mit diesem Roman knüpft Stasiuk an seine ganz großen Romane an, versichert Sander, der auch den Hut zieht vor Renate Schmidgalls "hervorragender" Übersetzung.

Teresa Präauer
Kochen im falschen Jahrhundert
Roman
Wallstein Verlag. 198 Seiten. 22 Euro

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Einen sehr vergnüglichen Roman kredenzt uns die österreichische Autorin Teresa Präauer. Für den Zeit-Kritiker Ijoma Mangold ist der Roman nicht weniger als die "literarische Spielanleitung zu einem soziologischen Distinktionswettbewerb". Präauer lässt hier ein paar arrivierte Vierzigjährigen zum Dinnerabend zusammenkommen, dänischer Esstisch samt Alvar-Aalto-Vase mit Wiesenblumen inklusive. Die Figuren bleiben namenlos, werden von Präauer aber mit psychologischer Präzision gestaltet, versichert Mangold, der vor allem die tänzerische "Avantgarde" und "Sprachbewusstheit" der Autorin bewundert: Wie sie ihr Personal, das bei allem Hedonismus angestrengt versucht, jeden Zynismus zu vermeiden, aufeinanderprallen lässt, bereitet dem Kritiker viel Spaß. Einen so witzigen und klugen Roman, der auch den sozialen Identitätsfaktor "Essen" seziert, liest Marc Reichwein in der Welt. In der taz lobt Frank Schäfer, wie Präauer zwischen Milieudiagnose und satirischem Witz balanciert, die Überlegungen zur Soziologie des Kochens sind ihm allerdings zu viel.

Randall Kenan
Der Einfall der Geister
Roman
Suhrkamp Verlag. 300 Seiten. 24 Euro

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Weltliteratur!, jubelt eine hingerissene Lara Sielmann im Dlf Kultur nach der Lektüre von Randall Kenans Debütroman, der im amerikanischen Original bereits 1989 erschien, nun aber erst auf Deutsch vorliegt. Und zwar in sehr gelungener Übersetzung von Eva Bonné und Aminata Cissé, ergänzt Sielmann. Kenans literarisches Lebensthema - das Leben als schwarzer, schwuler Mann im Süden der USA -  ist hier angelegt, erläutert uns NZZ-Kritikerin Irene Binal: Wir folgen dem sechzehn Jahre alten Horace Thomas Cross, den ein Dämon heimsucht und ihm befiehlt, nackt und mit einem Gewehr bewaffnet durch die Kleinstadt Tims Creek zu rennen und sich seiner Schuld zu stellen: Horace ist homosexuell, in seiner streng religiösen Familie gilt das als Sünde. Dass Kenan auch Horace' Familie nicht verurteilt, sondern "behutsam" zeichnet, rechnet ihm Binal hoch an. Nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der gelungenen Mischung aus Leichtigkeit und Düsternis, Realität und Fantasie, empfiehlt sie den Roman nachdrücklich. Dlf-Kultur-Kritikerin Lara Sielmann hebt besonders die kunstvoll beschriebene Lebendigkeit des Milieus hervor sowie die Freude, mit der Kenan sich zwischen den Genres bewegt und Prosa, Dramatik und Gospellieder in den Text einbindet. Laut FAZ-Kritikerin Verena Lueken spricht hier ein Meister, geschult an großen Autoren wie William Faulkner und ganz im Zeichen des Postmodernismus. Im Dlf steht Oliver Jungens Kritik als Audiofile online.

Brigitte Reimann
Die Geschwister
Roman
Aufbau Verlag. 224 Seiten. 22 Euro

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Es gibt gleich zwei Gründe, diese Neuausgabe von Brigitte Reimanns bereits vor sechzig Jahren erschienenem Roman "Die Geschwister" zu lesen, versichern uns die KritikerInnen: Spektakulär ist schon die Tatsache, dass sechzig Jahre nach Veröffentlichung nun dank bei Bauarbeiten entdeckten Manuskriptseiten erstmals die Urfassung des Textes vorliegt: Bereinigt um die in der DDR vorgenommene Zensur ist diese Fassung den Absichten Reimanns so nahe wie keine andere, versichert im Dlf Frank Meyer. Und dann ist da natürlich die Geschichte selbst um drei Geschwister, die kurz vor dem Mauerbau zwischen Bleiben und Gehen hin- und hergerissen sind - ein Bruder will fliehen, die regimetreue Schwester verrät ihn - die so geschickt gestaltet ist, dass sich nicht nur Dlf-Kultur-Kritikerin Carola Wiemers in diese Zeit hineindenken kann. Anhand der Geschichte des dritten Geschwisterkinds Konrad - der bereits im Westen lebt - lässt sich nun auch genau nachvollziehen, wovor die SED Angst hatte, als sie das Manuskript besonders dort zensierte, wo es um Moral und Kunst ging, erkennt taz-Kritiker Helmut Böttiger. Den Vergleich mit Ingeborg Bachmann und  Christa Wolf scheut er nach der Lektüre nicht. Für Iris Radisch (Zeit) ist der Roman nicht zuletzt ein Dokument darüber, welche Auswirkungen die Teilung im Kleinen hatte. Die meisten KritikerInnen hätten sich allerdings einen Kommentar der Herausgeber gewünscht, der erklärt, welche Bearbeitungen vorgenommen oder im Vergleich zur DDR-Zensur rückgängig gemacht wurden.

Judith Hermann
Wir hätten uns alles gesagt
Frankfurter Poetikvorlesungen
S. Fischer Verlag. 192 Seiten. 23 Euro

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Kürzlich erst lüftete Arno Geiger das Geheimnis seines Schreibens, nun ist es Judith Hermann, die uns ihre Poetik offenbart. Wir bekommen Einblicke in die (Familien-)Geschichte der Autorin, erfahren von Traumata der Kriegsenkel, schweigend verbrachten Therapiestunden, vom Großvater, der bei der Totenkopf-SS war oder vom schwer depressiven Vater, der ihr im Alter von vier Jahren das Lesen beibrachte und nur glücklich war, wenn er an den Krieg erinnert wurde. All das hat Hermann mit "unglaublicher Energie, Schönheit, Brutalität und Strahlkraft" niedergeschrieben, schwärmt Volker Weidermann, der sich für die Zeit mit Hermann getroffen hat. Klugheit und Poesie entdeckt auch SZ-Kritikerin Sigrid Löffler in den drei Prosastücken, in denen Hermann ein "verhüllendes Enthüllungsspiel" mit dem Leser treibe: Sie gibt Persönliches preis, um es im nächsten Moment als literarisches Konstrukt zu entlarven, erkennt Löffler. Im Dlf formuliert Helmut Böttiger es so: Im Kreisen darum, Unerzählbares, Prägendes zu erzählen, wird die Autorin ihrem Anspruch, so zu schreiben, "dass am Ende nichts mehr richtig ist, aber alles wahr", absolut gerecht. In der FAZ verfällt auch Emilia Kröger sofort dem besonderen Judith-Hermann-Sound, gern hätte sie allerdings mehr von Hermann über die ihr Schreiben bestimmende Kurzform der Erzählung erfahren.


Sachbuch

Reinhard Bingener, Markus Wehner
Die Moskau-Connection
Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit
C.H. Beck Verlag. 304 Seiten. 18 Euro

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Dieses Buch muss man lesen, finden die Kritiker. Hier erfährt man, wie Deutschland in eine derartige Abhängigkeit von Putin geraten konnte. Im Zentrum stehen Gerhard Schröder und seine "Frogs" (wie sie sich selbst nannten), die gemeinsam eine Loge bei Hannover 96 teilten. Sie putzten Deutschland als Brautgeschenk für Putin auf: die wirtschaftlichen Strukturen hierzulande wurden so verändert, dass Gazprom einen möglichst großen Markt hatte, außerdem wurden dem russischen Gaslieferanten gleichzeitig die größten Gaslager in Deutschland übergeben, so dass er totalen Zugriff auf den deutschen Gasmarkt hatte. Mit Nordstream 2 sollten gleichzeitig die osteuropäischen Länder ausgebootet werden. Aber eigentlich begann die Geschichte schon früher, in der zweiten Phase der Ostpolitik, unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. "Skandalös" findet es in der SZ Florian Keisinger, was die Autoren über die Verflechtungen des Altkanzlers mit der russischen Politik zusammengetragen haben, wie die horrenden Summen, die ihm aus dem russischen Energiesektor zuflossen. Zudem macht das Buch deutlich, so Keisinger, wie Schröder auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik durch Vertraute wie Sigmar Gabriel seine politische Agenda durchsetzten konnte. Keisinger schätzt die Leserfreundlichkeit des Buches, stellenweise findet er die Ausführungen aber auch ein bisschen plakativ. Er hätte gern auch vom Beitrag der CDU zur Russlandabhängigkeit gelesen. In der FR hofft Michael Hesse dazu auf einen zweiten Band. Lesenswert ist außerdem Gerd Koenens Essay "Im Widerschein des Krieges" (bestellen). Für den FAZ-Kritiker Stefan Plaggenborg ist das Buch, in dem Koenen Putins Weg bis zum Angriffskrieg gegen die Ukraine nachgeht, weniger eine geschichtliche Analyse, als ein "mit kunstvollen Pinselstrichen" entworfenens "Tableau".

Ilona Haberkamp
Plötzlich Hip(p)
Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst
Wolke Verlag. 224 Seiten. 28 Euro

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Die 1925 in Leipzig geborene Pianistin Jutta Hipp spielte mit Größen wie Miles Davis, Thelonious Monk, Horace Silver und vielen anderen, im westlichen Nachkriegsdeutschland war sie eine Ausnahmekünstlerin in der Welt des Jazz. Bereits Ende der fünfziger Jahre beendete sie ihre Karriere abrupt, arbeitete als Näherin, verfiel dem Alkohol und wurde vergessen. Wenn die deutsche Jazzsaxofonistin Ilona Haberkamp sie nun mit einem an Details und Erkenntnissen reichen Buch zurück auf die Bühne holt, fängt taz-Kritiker Helmut Böttiger sofort Feuer: Er erfährt hier nicht nur, wie Hipp nach Kriegsende zu einer Attraktion in amerikanischen GI-Clubs aufsteigt und schließlich von einem Impresario nach New York geholt wurde, sondern liest auch, weshalb sie den ganz großen Durchbruch letztlich nicht schaffte: Laut Haberkamp lag das vor allem an den patriarchalen Zuständen in der Jazzkultur. Hipp hat wohl auch sexuelle Übergriffe erlebt. In der ARD-Audiothek steht ein Beitrag zum Buch online. Und da wir gerade bei Biografien sind: Empfohlen werden außerdem Jan Philipp Reemtsmas Wieland-Biografie (bestellen) und zwei Werke über Leben und Werk von Thomas Mann: Dlf-Kritiker Wolfgang Schneider rät Hanjo Kestings "Thomas Mann. Leben und Werk" (bestellen) und Dieter Borchmeyers "Thomas Mann. Werk und Zeit" (bestellen) parallel zu lesen, ergänzen sie sich doch bestens.

Hier eine Aufnahme mit Hipp am Klavier live aus dem Hickory House, 1956:



Nancy Fraser
Der Allesfresser
Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt
Suhrkamp Verlag. 282 Seiten. 20 Euro

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Die  These vom Kapitalismus als alles verschlingendes Ungeheuer ist sicher nicht neu, aber so radikal wie von Nancy Fraser wurde sie selten formuliert, meint in der taz Robert Misik. Die amerikanische Philosophin und Feministin nimmt uns in den hier versammelten Essays und Vorträgen mit auf einen Ritt durch mehrere Jahrhunderte Wirtschaftsgeschichte, den sie aber verständlich und nachvollziehbar aufbereitet, versichert Caspar Dohmen im Dlf. Wenn Fraser über Bedingungen für einen neuen Sozialismus nachdenkt, nimmt Dohmen das gern als Gedankenfutter mit, weil sie anders als andere TheoretikerInnen über eine reine Analyse der Krise hinaus gehe. Auch FAS-Kritiker Harald Staun kann Fraser gut folgen, wenn sie erklärt, wie der Kapitalismus gerade ausbeutet, was nicht den Regeln der Warenwirtschaft unterliegt, die Natur zum Beispiel. Wie Fraser feministische, ökologische und postkoloniale Ansätze zusammenbindet, findet Dlf-Kultur-Kritiker Leander Scholz unbedingt lesenswert. Dem in der FAZ rezensierenden Historiker Werner Plumpe erscheint das Buch allerdings arg unterkomplex: Fraser bleibt mit ihrer Kritik am Kapitalismus im Allgemeinen, statt sich den " realen Akteuren der kapitalistischen Welt" zu widmen, moniert er.  Und wenn sie von einem künftigen Sozialismus schwärmt, sagt sie auch nicht, wie der genau funktionieren soll und vor allem, ob er wirklich zu einer Schrumpfung der Armut führen wird, wie es im Kapitalismus bei aller Kritikwürdigkeit tatsächlich der Fall sei.

Uwe Neumahr
Das Schloss der Schriftsteller
Nürnberg '46
C.H. Beck Verlag. 304 Seiten. 26 Euro

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Was für ein Who's Who hatte sich 1946 im Schloss der Bleistift-Dynastie Faber-Castell versammelt, um im dort von den Amerikanern aufgeschlagenen Pressezentrum den Nürnberger Prozessen beizuwohnen: Erich Kästner, Martha Gellhorn, Golo Mann, Wolfgang Hildesheimer, Elsa Triolet, Willy Brandt oder Gregor von Rezzori, um nur ein paar Namen zu nennen. Diesem Ort, wo "Weltliteratur auf Weltgeschichte" traf, so SZ-Kritiker Joachim Käppner, hat der Historiker und Literaturagent Uwe Neumahr dieses so lehrreiche wie spannende Buch gewidmet, in dem er sich nicht nur dem historischen Verlauf der Prozesse, sondern auch die Fragen der anwesenden Schriftsteller aufgreift: Wie über das Unfassbare schreiben? Nebenbei erfährt Käppner auch, wie ärmlich die Prozessbeobachter untergebracht wurden: Das Schloss erschien ihnen wie "Stein gewordene 'German Schrecklichkeit'". Im Dlf Kultur lobt Marko Martin die sorgfältige Recherche, mit der uns Neumahr hier deutsche Nachkriegskulturgeschichte erzählt, in der NZZ verdankt Bernd Noack dem Band auch zahlreiche Anekdoten über Affären und viel Whiskey- und Wodkakonsum. Auch FAZ-Kritiker Andreas Platthaus liest vergnügt manchen Gossip, gern hätte er aber noch mehr über den deutschen Zeitgeist der frühen Nachkriegsjahre erfahren.

Meron Mendel
Über Israel reden
Eine deutsche Debatte
Kiepenheuer und Witsch Verlag. 224 Seiten. 22 Euro

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Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, hat in wenigen Jahren in Deutschland eine rasante Karriere zum Hauptorakel in Identitäts- und Israelfragen zurückgelegt. In den Medien ist er omnipräsent. Zusammen mit seiner Frau Saba-Nur Cheema betreibt er in der FAZ ein multikulturelles Blog. Politisch versucht er eine Zwischenposition zwischen linkem Postkolonialismus und und einer liberalen oder ebenfalls eher links getönten Israel-Solidarität zu halten. Er stimmt in den linken Zeitgeist ein, wenn er die dänischen Mohammedkarikaturen und Charlie-Hebdo-Karikaturen in einer seiner Kolumnen mal schnell als "islamophob" abstempelt. (Mehr hier) In der chaotischen Documenta-Debatte wurde er als Experte und Mittler eingeschaltet, warf aber hin. In seinem Buch versucht er zu umreißen, welche Bedeutung Israel im deutschen öffentlichen Diskurs hat. Begeistert bespricht es Ronen Steinke, der in der SZ eine ähnlich gemäßigt linke Position vertritt wie Mendel selbst. Mendel bemühe sich zwar um gegenseitiges Verständnis, nehme aber auch kein Blatt vor den Mund: Es werde keine vernünftige Diskussion möglich sein, solange in Deutschland beide Seiten den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern als "Projektionsfläche" für die Zurschaustellung ihrer eigenen "moralischen Überlegenheit" nutzen würden. Auch Günther Nonnenmacher lobt in der FAZ Mendels "analytischen Steifzug durch die deutsch-israelischen Beziehungen".
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