Andrzej Stasiuk

Grenzfahrt

Roman
Cover: Grenzfahrt
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431269
Gebunden, 355 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Juni 1941, wenige Tage vor dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. Im Dorf am Bug haben sich deutsche Besatzungssoldaten einquartiert, in der Nähe verstecken sich polnische Partisanen. Jeder hier weiß, dass Lubko, der Fährmann, gegen Geld Fliehende und Händler ans andere Ufer rudert. Doris und Maks, ein jüdisches Geschwisterpaar aus der Stadt, wollen sich vor Verfolgung retten - hinüber nach Russland, am besten bis an den Amur. Doch Lubko weigert sich. Was er tut, ist gefährlich, macht ihn erpressbar, und die Nächte in jenen Tagen sind mondlos. Das Geschehen scheint sich aus der verträumten, nächtlichen Flusslandschaft zu entwickeln, die fremd und bedrohlich wirkt, seit Motorräder, Lastwagen und Panzer hindurch rollen und deutsche Wörter durch die Luft schwirren. Zurück in jenem Dorf, am Ende des Lebens, will dem Vater des Erzählers nicht mehr einfallen, dass er hier Kind war.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.12.2023

Einen überzeugenden historischen Roman über Polen im Zweiten Weltkrieg hat Andrzej Stasiuk vorgelegt, versichert Kritiker Gerhard Gnauck: Er kennt den Autor schon von verschiedenen Road novels, hier steht ein Grenzfluss im besetzten Polen 1941 im Fokus, an dem sich allerhand zwischenmenschliche Begegnungen entspannen, von Partisanen bis jüdischen Flüchtlingen. Eine zweite Ebene ist zwischengeschaltet, erzählt Gnauck, in der der Erzähler die Schauplätze von damals heute noch einmal besucht und feststellen muss, dass die letzten Zeitzeugen wegsterben. Eine lebhafte Schilderung des Vergangenen, das gar nicht so vergangen ist, von Renate Schmidgall bravourös ins Deutsche übersetzt, lobt Gnauck.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.08.2023

Rezensent Martin Pollak ist begeistert: Endlich wieder ein neuer Roman von Andrzej Stasiuk, und was für einer! Die Handlung ist in der Vergangenheit angesiedelt, in einem kleinen armen Dorf am Fluss Bug, der damals Polen von der Sowjetunion trennte. Die Bewohner werden von den Deutschen ausgenommen, die ihnen die Vorräte wegfressen, aber auch von von "sogenannten Partisanen", die gegen die Deutschen nicht ankommen und darum mit ihrem Hurrapatriotismus lieber die Dorfbewohner terrorisieren. Allein das macht den Roman für Pollak zu einem "brandaktuellen" Buch. Auf einer zweiten Ebene erzählt Stasiuk von einer Reise mit seinem dementen Vater in die Gegend, wo er als Kind viel Zeit bei den Großeltern verbrachte. Von Vergangenheit, die die Gegenwart prägt, liest Pollack. Aber auch immer wieder wunderbare Landschaftsbeschreibungen wie sie nur Stasiuk kann. Ein "grandioses" Buch, "so berückend wie bedrückend", schwärmt Pollak.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.05.2023

Rezensentin Elke Schmitter liest mit diesem Kriegsroman des polnischen Autor Andrzej Stasiuk einen "Thriller", dem es nicht an erzählerischer Raffinesse mangelt, der sich jedoch für ihren Geschmack viel zu sehr den Genre-Grenzen unterwirft. Die Geschichte dreht sich um den Einfall der deutschen Wehrmacht in die Gebiete der Sowjetunion im Jahre1941, das sogenannte "Unternehmen Barbarossa". Die Leser begegnen Wehrmachtssoldaten, die sich während ihrer Razzien in sadistische Ungeheuern verwandeln, der einheimischen Bevölkerung, die sich verschanzt, ideologisch radikalisierten polnischen Partisanen und jüdischen Flüchtlingen. Vor allem die sinnlichen Naturschilderungen entfalten eine hohe "suggestive Kraft", meint Schmitter. Stasiuk kann erzählen, daran lässt die Kritikerin keinen Zweifel: in "ruhigen, lakonischen Sätzen". Sie lobt auch die grandiose Übersetzung von Renate Schmidgall. Erst am Ende rückt die Rezensentin damit heraus, dass ihr das alles ziemlich auf die Nerven ging: rauchende, gewalttätige Soldaten sind ihr in der Literatur schon viel zu oft begegnet, genau wie die Natur als "großer, dunkler Trost."

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.03.2023

In einer kurzen Besprechung widmet sich Rezensent Martin Sander dem neuen Roman des polnischen Autors Andrzej Stasiuk, der von den letzten Tagen vor dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion in einer abgelegenen Gegend in Polen erzählt. Stasiuk erzählt von Partisanen, Besatzern, aber auch von untergetauchten Juden, ohne den Bezug zur Gegenwart zu verlieren, freut sich Sander. Ihn überzeugen vor allem auch die sinnlichen Eindrücke, die der Autor durch die Beschreibungen von Angstschweißgeruch und Bombenlärm heraufzubeschwören vermag. Die Lektüre empfiehlt er gerne und beeindruckt weiter.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.03.2023

Ein Buch, das zwar zu großen Teilen Vergangenes in den Blick nimmt, aber erschreckend aktuell ist, meint Rezensent Richard Kämmerlings über Andrzej Stasiuks neuen Roman. Die Handlung spielt vorwiegend in den Tagen um den Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 in einer abgeschiedenen Gegend Polens, wo Partisantruppen auf jüdische Untergetauchte treffen, wo Gewalt herrscht und sich die Weltgeschichte im Kleinen offenbart, zeigt sich Kämmerlings beeindruckt von der Kunst Stasiuks, all das miteinander zu verweben. Eingewoben ist eine zweite Ebene, auf der der Erzähler den Orten seiner Erinnerung nachgeht und klar zu machen versucht, dass "Geschichte nur als Fiktion zu bewahren ist", ein Appell, die Erinnerung wachzuhalten, dem sich auch der Kritiker anschließt.