Victor Zaslavsky

Der Sprengprofessor

Lebensgeschichten
Cover: Der Sprengprofessor
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783803112927
Gebunden, 144 Seiten, 15,90 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen, bzw. Russischen von Rita Seuß und anderen. Kein politisches Sachbuch, keine Reportage könnte das Leben in Russland zur Zeit des Stalinismus und danach intensiver und plastischer darstellen als diese oft sehr persönlichen Lebensgeschichten. Kann jemand, der aus einer jüdischen Familie kommt, ein guter Sowjetbürger sein? Und was tun, wenn die Vorfahren aus der Bourgeoisie stammen? Was passiert, wenn man eine alte Lehrerin so lange ärgert, bis sie sich zu einem konterrevolutionären "barmherziger Gott" hinreißen lässt? Was, wenn der Trotzkimörder Bibliotheksnachbar ist? Ist es opportun, den Kontakt zu seinem in Ungnade gefallenen Professor, dem man so viel zu verdanken hat, aufrechtzuerhalten? Victor Zaslavsky erzählt wunderbar einfach, fast beiläufig und dabei nicht selten komisch von den Menschen, die bei scheinbar alltäglichen Entscheidungen und Begegnungen an einen Wendepunkt ihres Schicksals geraten. Sollen sie ihrem Gewissen oder den undurchschaubaren Dogmen der Partei folgen?
Es sind Erinnerungen an seine Kinder- , Jugend- und Studentenzeit, eine Serie von Anekdoten, in denen unversehens große Lebensgeschichten abgebildet werden. So entsteht das Portrait eines Russlands, das nach dem richtigen kommunistischen Weg sucht und dabei absurden Windungen folgt, ohne Rücksicht auf den Einzelnen. Ein Russland, an das Putin heute gerne wieder anknüpfen möchte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2013

Mit großem Interesse und zugleich erschüttert hat Rezensent Uwe Stolzmann Victor Buch "Der Sprengprofessor" gelesen, das private Beiträge und kleine autobiografische Novellen des in Leningrad geborenen Soziologen versammelt. In dem Buch, das auf eindrucksvolle Weise die Ohnmacht und Demütigung des Einzelnen im Sowjetsystem beschreibt, erfährt der Kritiker etwa, wie Zaslavsky beobachtet, wie der Mörder Trotzkis dessen Bücher in einer Bibliothek liest oder wie er in der psychiatrischen Klinik, in der seine Tante arbeitet, einem wegen "konterrevolutionären Wahns" inhaftierten Clown begegnet, der verkrüppelt und mit der Vorgabe als "Spitzel" zu arbeiten, entlassen wird. Diese in lakonischem Ton erzählten Anekdoten gewähren ebenso tiefe wie schauderhafte Einblicke in ein "kafkaeskes" System, urteilt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2013

Egal ob in wissenschaftlichen Studien oder Prosatexten: Victor Zaslavsky ist ein meisterlicher, gänzlich uneitler Erzähler, dessen Stimme über die Grenzen strikt geschiedener Textsorten hinaus wiedererkennbar bleibt, merkt Detlev Claussen an. Auch dieser Band, in dem der Historiker und Soziologe die Geschichte der Sowjetunion in ihrem Gesamtverlauf anhand einzelner Lebensschicksale begreif- und nacherlebbar macht, ist für den Rezensenten wahrlich ein literarischer Suchtstoff: "Gibt es denn nicht noch mehr davon?", fragt er sich, obwohl ihm bei der Lektüre der lebensnahen Schilderungen der ganz gewöhnlichen Alltagsparanoia unter dem Sowjetregime schon auch ordentlich das Frösteln gekommen ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.03.2013

Die nun unter dem Titel "Der Sprengprofessor" erschienenen Lebensgeschichten des russischen Autors Victor Zaslavsky sollte man unbedingt lesen, fordert Rezensent Friedmar Apel. In seinen autobiografischen Erzählungen berichte Zaslavsky so herrlich "unaufgeregt" von seinen Familienmitgliedern, dass der Kritiker das Gefühl hat, die Mentalitätsgeschichte des kommunistischen Russlands von einem guten Freund erzählt zu bekommen. Ihm begegnen etwa die Mutter und die Tante des Autors, die beide in einer Psychiatrie arbeiten und dort feststellen, dass sich die schizophrenen Patienten zwar für den Zar oder Napoleon halten, nie aber für Lenin oder Stalin - Jahre später erfährt der Autor, dass die Klinik für Patienten mit "konterrevolutionärem Wahn" eingerichtet wurde. Der Kritiker, der sich während der Lektüre bisweilen an die "dämonischen" Erzählungen Gogols und Puschkins erinnert fühlt, kann diese Geschichten auch im Hinblick auf die Entwicklungen im heutigen Russland nur dringend empfehlen.
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