Andrej Sinjawskij

Eine Stimme im Chor

Die Werke des Abram Terz. Band 2
Cover: Eine Stimme im Chor
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783100744364
Gebunden, 332 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Swetlana Geier. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Taja Gut. Andrej Sinjawskij, Autor phantastischer Erzählungen und satirischer Romane, stellte seine ersten Bücher unter dem Pseudonym Abram Terz vor, ein Deckname für den Literaturwissenschaftler am Moskauer Gorki-Institut für Weltliteratur, der tagsüber an Studien arbeitete und nachts Erzählungen und Romane schrieb, die eine ironische Abrechnung mit dem Stalinismus vorlegten.
1965 wurde Andrej Sinjawskij vom russischen Geheimdienst verhaftet und gemeinsam mit seinem Freund Juli Daniel in einem Schauprozess angeklagt. Er erklärte sich für unschuldig und blieb dabei - ein Novum in der Sowjetunion. Das Urteil lautete auf sieben Jahre Zwangsarbeit. In der Zeit schmuggelte er auf abgerissenes Papier gekritzelte Briefe an seine Frau Maria aus dem Lager, die "Eine Stimme im Chor" bilden. Es sind Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, die durch die Freiheit ihrer Gedanken bestechen und vom Überleben mit tiefer Humanität berichten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.06.2010

Der Odem geistiger Freiheit entströmt für Reinhard Lauer spürbar diesen Aufzeichnungen aus dem Gulag des Moskauer Literaturwissenschaftlers und Dissidenten Andrej Sinjawski. Was der Autor in den Briefen an seine Frau an subjektiven Notaten, Aphorismen, Sprüchen, Beobachtungen und Essays zusammenschreibt, spiegelt laut Lauer formal zwar die Lagersituation wider. Inhaltlich wechseln allerdings Gefangenfantasien und -vorurteile ab mit literarischen Themen. Erstaunt über Sinjawskis Belesenheit entdeckt Lauer zwischen Gedanken zu Jonathan Swift, Isaak Babel oder Anna Achmatowa manchen Keim zu einer größeren wissenschaftlichen Untersuchung. Bemerkenswert erscheint Lauer schließlich das Fehlen jeglicher Larmoyanz. Anders als bei Solschenizyn etwa, erklärt er, spreche eine ungeheure, fast heitere Lebenskraft aus diesem Buch.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.09.2009

Tief beeindruckt zeigt sich Rezensent Ulrich M. Schmid vom Werk des russischen Schriftstellers Andrej Sinjawski, dessen in sowjetischer Lagerhaft entstandenes Buch "Eine Stimme im Chor" als zweiter Band der deutschsprachigen Werkausgabe jetzt vorliegt. Als Abraham Terz entzog er sich sowohl der Existenz des staatstreuen Sowjetbürgers wie des Dissidenten und verschrieb sich stattdessen radikal der Kunst, die selbst im sibirischen Lagerleben das "ästhetische Potential" sieht, erklärt der Rezensent. "Eine Stimme im Chor" schrieb der Autor während der Haft, die Textteile wurden in Briefen an seine Frau aus dem Lager geschmuggelt und später wieder zusammengesetzt, erzählt Schmid. Sinjawski alias Terz interessierte sich nicht für die politischen Hintergründe oder die Lebensumstände im Arbeitslager, ihm ging es allein um die Kunst, und so wird ihm beispielsweise auch die unmenschliche Kälte Sibiriens zum "ästhetischen Phänomen", so der Rezensent fasziniert. Dabei versammelt das Buch aber nicht nur kunstphilosophische Betrachtungen, Aphorismen und Alltagsszenen sowie literarische Essays über Swift, Achmatowa oder Mandelstam, auch die Stimmen der anderen Lagerinsassen werden hörbar und demonstrieren damit Terz' "Volksverbundenheit", so Schmid. Für ihn ist "Eine Stimme im Chor" ein "weises Buch", das trotz seiner Vielstimmigkeit durch "innere Einheit" überzeugt. Schmid ist jedenfalls froh, dass das Werk des 1998 verstorbenen Autors nun endlich die verdiente Aufmerksamkeit bekommt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.07.2009

Voller Respekt und Wohlwollen stellt Helmut Böttiger die deutsche Neuauflage der im Gulag verfassten Texte von Andrej Sinjawskij vor. Als erstes bekanntes Opfer eines Schauprozesses nach Stalin war der Autor 1965 bis 1971 in sowjetischen Straflagern inhaftiert und schrieb dort unter dem Kunstnamen "Abram Terz" Prosatexte, die hauptsächlich aus Briefen an seine Frau zusammengestellt worden sind, erklärt der Rezensent. Weit entfernt von den Vorgaben des Sozialistischen Realismus verwandelt sich unter der Feder Sinjawskijs und dem Blick seiner Kunstfigur Abram Terz das bittere Leben des Lagers in Kunst, ja wird dieser Alltag als "eine spezifische Form der Kunst" greifbar, so Böttiger bewegt. Hier wird Kunst zum Gegen- und Überlebensmittel, was diesem Dokument eine zeitlose Dimension verleiht, schreibt der tief beeindruckte Böttiger.
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