Simon Urban, Juli Zeh

Zwischen Welten

Roman
Cover: Zwischen Welten
Luchterhand Literaturverlag, München 2023
ISBN 9783630877419
Gebunden, 448 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Zwanzig Jahre sind vergangen: Als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig. Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung DER BOTE gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen. Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen. Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen, sich per E-Mail und WhatsApp gegenseitig aus ihren Welten zu erzählen. Doch während sie einander näherkommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Und können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02.2023

Rezensent Patrick Bahners ist schlicht entsetzt von Juli Zehs und Simon Urbans Roman. Denn was die Bestsellerautorin und ihr Kollege da abgeliefert haben, bewegt sich für ihn erzähltechnisch in unterster Schublade - und das, obwohl er gerade ein Erzähltheorieseminar zur Ausgangssituation wählt: Dort haben sich die brandenburgische Ökobäuerin Theresa und der Hamburger Journalist Stefan zu Studienzeiten kennengelernt, bevor sie nun, nach einigen Jahren Pause, wieder in intensiven E-Mail- und WhatsApp-Kontakt treten und sich über ihre gescheiterten Existenzen austauschen. Nichts daran gerate jedoch irgendwie glaubhaft, findet Bahners: Die Versandzeiten und die Ausführlichkeit der Nachrichten habe nichts mit einem normalen Alltag oder den Eigenheiten von digitaler Kommunikation zu tun, die Wortwahl entspreche einem "betulichen Schulaufsatzstil", und nicht einmal die basalsten Regeln des Erzählens beherrschen Zeh und Urban anscheinend, schimpft Bahners. Ein unfreiwilliger "Unbildungsroman", dem jegliche "auktoriale Ironie" und auch nur handwerkliche Kompetenz abgeht, wettert der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.02.2023

Leben und Literatur gehören zusammen, sieht Rezensent Jakob Hayner bei Juli Zeh und Simon Urban: So schlagen die Wellen der digitalen Diskussion gleich wieder hoch, nicht immer fundiert, ein Thema, das sich auch im Roman "Zwischen Welten" prominent wiederfindet. Theresa, Bäuerin in Brandenburg, und Stefan, Journalist in Hamburg, kennen sich noch aus dem Studium, verrät der Rezensent, und führen jetzt eine Art digitalen Briefwechsel über aktuelle Aufregerthemen von Gendern bis Ukraine, wobei sie oft aneinandergeraten. Juli Zeh hat den richtigen Riecher für die Gegenwart, meint Hayner, vielleicht mehr als für die Sprache, er liest den Roman als wichtigen Debattenbeitrag zu moralischer Überheblichkeit und kluge Reflexion, die, auch wenn sie manchmal recht plakativ Feuilletonthemen aufgreift, ein großes Publikum findet wird, da ist er sich sicher.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.01.2023

Der "Merksatzdetektor" des Rezensenten Dirk Knipphals springt im neuen Roman von Juli Zeh und Simon Urban auf jeder Seite an: Die bunt zusammengewürfelten Empörungsthemen in diesem whatsappifizierten Briefroman reichen vom Gendern über Ostdeutschland bis zu Cancel Culture und bilden für ihn eine reine Klischeeparade. Das liegt dem Kritiker zufolge besonders an den beiden Protagonist*innen Theresa, Brandenburger Bäuerin, und Stefan, Hamburger Journalist, da sie in ihren Nachrichten stets moralinsaure Gemeinplätze austauschen, so der genervte Rezensent. Aber auch die Nebenfiguren können ihn nicht überzeugen. Was der tieferliegende Sinn der ständigen Martin Walser-Erwähnungen sein soll, der sich wie Zeh ständig und nicht immer gelingend in aktuelle Debatten eingemischt hat, hat sich für Knipphals auch nicht recht erschlossen. Konflikte und Gemeinsamkeiten von Journalismus und politischer Aktion hätten ein spannendes Thema sein können, überlegt er, doch Zeh und Urban haben dazu für ihn nichts neues beigesteuert. Eine eigentlich gute Idee scheitert krachend an der uninspirierten Umsetzung, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.01.2023

Schon wieder eine als Roman getarnte Einmischung Juli Zehs in aktuelle Diskurse, seufzt Rezensentin Katharina Teutsch, diesmal mit Simon Urban als Co-Autor. Um die früheren Kommilitonen Theresa und Stefan geht es, schildert sie, Theresa übernimmt den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg, Stefan ist Journalist bei - für die Kritikerin anspielungsreich - der Hamburger Wochenzeitung "DER BOTE". Er beschäftigt sich dort mit allerhand moralischen Empörungsthemen vom Gendern und Ostdeutschland bis zum Klimawandel und tauscht sich in Textnachrichten mit seiner Freundin darüber aus, die ihn immer wieder ermahnt, nicht in moralische Überheblichkeit zu verfallen, so die Kritikerin. Erzählt wird von den tagesaktuellen Themen im Endeffekt wenig, stellt Teutsch resigniert fest, für sie hat das Buch wenig literarischen Wert - die Aktualität der Thesen könnte auf Kosten der nicht auserzählten Romanhelden zustande gekommen sein, wie auch die zitierten Ausschnitte zeigen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 26.01.2023

Rezensent Jörg Magenau ist davon überzeugt, dass Juli Zeh und Simon Urban mit Emails und Messenger-Nachrichten die richtige Form für den Inhalt rund um kontroverse Themen wie Gender, Klima und Krieg gefunden haben. Theresa, Bäuerin in Brandenburg und Stefan, Journalist in Hamburg, alte Studienfreunde, begegnen sich mit ihren bisweilen weit divergierenden Meinungen auf diesen Kommunikationskanälen, berichtet der Rezensent, wo die Diskussionen sich verengen, und so, wie er findet, ein gutes und "bestsellertaugliches" Bild der gegenwärtigen Öffentlichkeit abgeben. Für ihn ist klar, dass Juli Zehs eigene Erfahrungen die Figur Theresa beeinflusst hat, gleiches bei Simon Urban und Stefan, doch nie fühlt sich der akribisch geplante Roman dabei konstruiert an, lobt Magenau anerkennend. Hochaktuell und dabei sehr gelungen, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.01.2023

Rezensentin Judith von Sternburg mag den Roman von Juli Zeh und Simon Urban nicht. Die Figuren der Landwirtin Theresa in Brandenburg und des Hamburger Journalisten Stefan Jordan, die sich zwischen Januar und Oktober 2022 über die großen Weltthemen austauschen, sind ihr zu "papieren". Was die beiden sich über den Alltag in ihren jeweiligen Blasen erzählen, ist zwar ungemein aktuell, schreibt von Sternburg, aber der Schlagabtausch der beiden ehemaligen Kommilitonen sei letztendlich Besserwisserei - was den Verlauf der Geschichte wiederum unwirklich mache. Eine Prise Satire hätte sich die Rezensentin gewünscht und ein bisschen weniger: "Das muss jetzt endlich mal gesagt werden".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.01.2023

Rezensent Wolf Schneider amüsiert sich durchaus mit dieser Satire von Juli Zeh und Simon Urban, in der das Autoren-Duo mit Verve das zukurzgekommene Land gegen die arrogante Stadt in Stellung bringt. Klar, heillos übertrieben und nicht immer frei von Ressentiments ist das, befindet Schneider, aber die beiden zentralen Gestalten des Romans seien nicht unlustig: Während ein woker Hamburger Feuilletonchef von der "Kommandobrücke des Zeitgeists" aus den Kampf gegen Rassismus und toxische Männlichkeit führt, kämpfte seine alte WG-Freundin in Brandenburg gegen eine schikanöse Agrarbürokratie. Dass die Brücke, die die beiden zueinander schlagen, am Ende krachend einstürzt, bedauert Schneider, aber eine Satire ist auch kein Genre, das Hoffnung verbreitet, erinnert er uns.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.01.2023

Rezensent Burkhard Müller ist begeistert von Juli Zehs Trilogie-Schlusspunkt nach "Unterleuten" und "Über Menschen", dieses Mal gemeinsam mit Simon Urban verfasst. Denn in "Zwischen Welten" umschiffe Zeh alle Klippen, die ihr bisher Probleme waren, durch die Form des Romans: Durch eine Korrespondenz auf verschiedenen Plattformen hindurch wird von zwei alten Freunden erzählt, der Ökobäuerin Theresa und dem Journalisten Stefan, die sich nach "idyllisch-rebellischer" WG-Zeit wiedertreffen, sich einmal auch körperlich näherkommen, dann aber doch lieber auf schriftlichen Kontakt umsteigen. Glücklicherweise fallen dabei "Figurenzeichnung und Dialog" als Schwächen von Zeh weg, und die Anpassung an trendige Strömungen, die ihr zum Teil vorgeworfen wurde, wird in der Korrespondenz zum "formalen Prinzip" - da wächst Zeh über sich hinaus, findet er. Wobei er sich auch gerne vorstellt, dass Zeh Theresas Passagen und Urban die von Stefan verfasst hat. Trotzdem bleibt es im Buch aber nicht nur bei dieser gelungenen Meta-Verhandlung von Debattenkultur, sondern werde in der Schilderung der Lebensumstände der Freunde auch sehr konkret und spannend. Ein schlaues, satirisch-scharfes und sehr aktuelles Buch, lobt Müller.
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