Rüdiger Zill

Der absolute Leser

Hans Blumenberg. Eine intellektuelle Biografie
Cover: Der absolute Leser
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518587522
Gebunden, 816 Seiten, 38,00 EUR

Klappentext

Mit 43 SW-Abbildungen. Hans Blumenbergs Denken ist eng verbunden mit seiner eigenen Lebenszeit und mit der Gesellschaft der alten Bundesrepublik. Unter dem Nationalsozialismus wegen seiner jüdischen Mutter verfolgt, geprägt vom katholischen Milieu seines Vaters und einem humanistischen Elitegymnasium in der Hansestadt Lübeck, war er seit frühester Jugend ein obsessiver Leser, der Literatur, Philosophie, Theologie, Naturwissenschaften und Zeitgeschichtliches gleichermaßen aufgesaugt und daraus ein herausragendes Werk geschaffen hat. Im Rückgriff auf bisher unerschlossene Archivquellen legt Rüdiger Zill in seinem reich bebilderten Buch die lebensgeschichtlichen Wurzeln dieses Werks frei und zeigt, dass es keineswegs so monolithisch ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Vielmehr versteht man es nur, indem man seine Wege und Umwege nachvollzieht sowie die Vernetzungen mit den Wissenschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
"Der absolute Leser" gewährt erstmals einen umfassenden Einblick in die Werkstatt eines Autors, der wie kein zweiter die Entwicklung seiner Arbeit akribisch dokumentiert hat. Hans Blumenberg beim jahrzehntelangen Lesen, Entwerfen und Formulieren über die Schulter zu sehen heißt auch, etwas über das faszinierende Handwerk des Denkens selbst zu lernen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.07.2020

In einer Sammelrezension bespricht Lothar Müller mehrere Beiträge zum "Blumenbergjahr". Zwei posthum herausgebrachte Schriften von Blumenberg selbst ("Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie" und "Realität und Realismus", beide Suhrkamp) zieht er nur jeweils kurz zur Klärung der biografischen Lektüre heran. Lesenswert findet er offenbar Rüdiger Zills Blumenberg-Biografie. Der Kritiker stellt den "Fixpunkt", den er bei Zill ausgemacht hat, als Grundmotiv des Lebens und Denkens von Blumenberg dar, nämlich die Lagerhaft im Februar 1945. Andere Ereignisse - etwa schon die Verweigerung der Abiturrede 1939 als Jahrgangsbester, weil seine Mutter jüdisch war - gehören zu jenen Prägungen hinzu. Dann aber konzentriert sich der sehr kompakt schreibende Kritiker auf die intellektuelle Biografie, wie sie Zill verspricht - und hier laut Kritiker einlöst; vor allem über den hier herausgehoben behandelten "Zettelkasten" des Gelehrten als Mittel des Lesens, Denkens und Schreibens scheint er sich zu freuen. Ein abschließendes Urteil zu dieser Biografie bleibt er uns dann allerdings schuldig.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 13.07.2020

Rezensent Jörg Später stört die Aufteilung in "Leben" und "Werk" in Rüdiger Zills Blumenberg-Biografie. Besser hätte dem Rezensenten gefallen, der Autor hätte das eine aus dem anderen entwickelt. Dass sich Zill als gründlicher Leser Blumenbergs und all der Bücher, die der Philosph gelesen hat, erweist, dass er Blumenbergs philosophischen "Denkrichtungen" erfasst und eigene Interpretationen wagt, findet Später allerdings aufschlussreich. Vor allem gefällt ihm, wie Zill die philosophische Neugierde bei Blumenberg anhand von Fragen und Methoden des Philosophen selbst zu rekonstruieren und zu analysieren versucht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.07.2020

Rezensent Micha Brumlik erfährt das Werk von Hans Blumenberg als immensen Akt der Verdrängung eines Traumas beim Lesen von Rüdiger Zills "monumentaler" Biografie des Philosophen. Dass der Band Maßstäbe setzt, indem er akribisch den Lebensstationen Blumenbergs folgt und dabei keinen Beleg schuldig bleibt, steht für den Rezensenten schon mal fest. Brumlik interessiert dabei besonders der dritte Teil des Buches, in dem es um philosophische Inhalte geht, um die von Gesellschaftskritik und Sprachanalytik weitgehend freie "Universitätsphilosophie", mit der Blumenberg sich die Brüche in der Weltgeschichte erschloss.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2020

Rezensent Helmut Mayer stellt Rüdiger Zill guten Gewissens ins Blumenberg-Regal. Zills "intellektuelle Biografie" basiert laut Mayer vor allem auf unpubliziertem biografischem Material, mit dem Ziel, Blumenbergs Arbeitsweisen und Denken zu erkunden. Dass die so zutage tretenden zentralen Motive in Blumenbergs Werk im Buch "biografischen Leitlinien" folgen, scheint Mayer zu goutieren, zumal der Autor sich eingehend genug Blumenbergs universitärem und publizistischem Werdegang widmet.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.07.2020

Dem Nachdenken über Blumenberg und seine Rezeption ist eine große Besprechung von Uwe Justus Wenzel gewidmet. Dabei zeichnet der Kritiker durch viele wichtige Blumenberg-Titel selbst das nach, was er eine "Herkunftsgeschichte unseres Bewusstseinshorizonts" nennt, bevor er sich anerkennend über Zills "magistrale" Biografie zu Hans Blumenberg äußert. Dem Kritiker gefällt außerordentlich, wie sich Zill einlässt auf die Denkbewegungen des Philosophen und nicht etwa versucht, irgendwelche Thesen zu beweisen oder alles in eine bestimmte Richtung zu kämmen. Da Zill aus dem Nachlass schöpfen konnte, sind seine Funde ungemein reichhaltig und stammen aus allen Lebensphasen, erfahren wir. Dabei gehörten nicht nur Titel geschriebener Bücher, so hebt der Kritiker hervor, sondern auch die der gelesenen, denn Blumenberg führte Leselisten; es gehören frühe Feuilletons ebenso ins Bild wie gewichtige Vorlesungen. Vor einem knappen, ebenfalls meist positiv gestimmten Schlenker zu anderen Autoren, die sich kürzlich zu Blumenberg äußerten - darunter Goldstein, Wolff und Heidenreich - sagt er deutlich, was ihn an Zills Arbeit besonders beeindruckt: Es sind die "Kennerschaft" und eine gewisse Gelassenheit, mit der der Biograf die unterschiedlichsten Aspekte darlegt.