Miljenko Jergovic

Die unerhörte Geschichte meiner Familie

Roman
Cover: Die unerhörte Geschichte meiner Familie
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783895613968
Gebunden, 1144 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Als seine Mutter, zu der er kein einfaches Verhältnis hat, im Sterben liegt, reist Miljenko Jergović nach Sarajevo und bringt sie zum Erzählen über die Vorfahren. Dort, wo jede Straße ihn in die Vergangenheit seiner traumatisierten Heimat führt, setzt er sich in einem schmerzlichen Prozess mit ihrem Erbe auseinander: Kinder des einstigen Habsburgerreichs, waren sie als Eisenbahner Zugereiste, und jeder Krieg stellte ihre Identitäten und Loyalitäten neu auf die Probe. Das Gefühl von Fremdheit ist dem großen europäischen Erzähler Miljenko Jergović geblieben, auch wenn er sich an den Konflikten der Gegenwart auf seine Weise reibt. Fakten mit Fiktion vermischend und in konzentrischen Kreisen erzählend, zeigt er in diesem großen Weltentwurf, was das Leben in einem Vielvölkerstaat für den Einzelnen bedeutet, vor allem wenn er nicht zur Mehrheit gehört, sondern zu den "Anderen".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2017

Für Rezensentin Lerke von Saalfeld ist Milijenko Jergovics "unerhörte Geschichte meiner Familie" ein "pralles Großwerk der europäischen Literatur". Hymnisch fährt die Kritikerin fort: So "traurig" wie "düster" und zugleich farbenfroh und humorvoll entfaltet ihr der bosnische Schriftsteller das Panorama einer untergegangenen Welt und erinnert an ein Jahrhundert Geschichte auf dem Balkan, schwärmt Saalfeld. Allein, wie Jergovic das komplexe Figurenensemble im Griff hat, dabei nie chronologisch von den verschiedenen Generationen seiner Familie erzählt, ringt der Rezensentin größte Anerkennung ab. Ein schillerndes "Mosaik von Lebenswirklichkeiten", lobt die Kritikerin und bleibt nach der Lektüre der herrlich absonderlichen Anekdoten ganz verzaubert zurück.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.08.2017

Dem Rezensenten Nicolas Freund gefallen vor allem die anekdotischen und assoziativen Texte von Miljenko Jergović. Das vorliegende Buch scheint ihm dagegen an seiner Aufgabe zu scheitern, eben kein eitler Familienroman zu sein, sondern Reportage. Oder ist das Absicht? Als Roman wiederum stößt der Text an die Genregrenzen, findet Freund, da er die Erinnerungen (seine eigenen und die seiner Mutter) und den treffend "imitierten" Chronik-Stil immer wieder mit Kommentaren relativiert. Die Identitätssuche im Text und die Geschichte des Balkans verschmelzen im Buch, meint Freund.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.08.2017

Rezensent Norbert Mappes-Niediek ist sehr eingenommen von dieser dichten Familiengeschichte des bosnischen Schriftstellers Miljenko Jergovic, die zeigt, wie sich Traumata durch die Generationen ziehen können. Der Bruder von Jergovics Mutter war zwanzig, als er 1943 fiel, ihre Mutter Olga hat den Tod ihres Sohns nie überwunden und unbewusst ihrer Tochter die Schuld daran gegeben, die diese Gefühle dann wiederum an den eigenen Sohn, Miljenko Jergovic, weitergab. Jergovic schafft es, so Mappes-Niediek, dem Leser diese Familie und all die geschichtlichen und politischen Umschwünge, vom Wechsel Bosniens vom Osmanischen ins Habsburgische Reich, über den zweiten Weltkrieg bis in die heutige Zeit, so nahe zu bringen, dass irgendwann der Wunsch entsteht, "dem Autor zu schreiben". Dabei schreibt der Miljenko Jergovic frei nach der Devise "alles muss raus", was ihm auf weiten Strecken auch gut gelingt, in Teilen aber ein wenig unreflektiert wirkt, resümiert Mappes-Niediek.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.07.2017

Für den hier rezensierenden Autor Sasa Stanisic ist dieses Buch ein "aberwitziges Naturereignis von einem Roman". Denn die Geschichte, die der bosnische Autor Milijenko Jergovic hier von seiner Familie erzählt, ist nicht nur zugleich die Geschichte des Kritikers, der sich der Sogkraft der über tausend Seiten nicht entziehen kann, sondern auch die Geschichte der Jugoslawen, ja, der Europäer insgesamt, wie der Rezensent beteuert. Ob ihm der Autor in diesem verzweigten Epos von den verschiedenen Generationen der Familie Stubler, von jungen Wehrmachtssoldaten, von Nationalismus, Schuld, Tod, Religion oder "Identitätsstress" erzählt oder ob er die ebenso lieblose wie vorwurfsvolle "Unbeziehung" zu seiner Mutter schildert - stets trifft er auf viel Widerhall bei dem gleichermaßen ergriffenen wie vergnügten Kritiker, der zudem staunt, wie geschickt Jergovic Realität und Fiktion zu verbinden weiß. Dass all dies in einer schnörkellosen, leichten Sprache erzählt wird, ringt Stanisic ohnehin größte Anerkennung ab.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.05.2017

Weltliteratur, ruft Rezensent Andreas Breitenstein angesichts von Miljenko Jergovićs Geschichte seiner Familie, die für den Rezensenten zugleich eine Geschichte der Stadt Sarajevo im 20. Jahrhundert ist. Das Gewirr der Lebensgeschichten, Themen und Motive im Buch überfordert Breitenstein, lässt ihn aber die Rechercheleistung des Autors und das Wissen bewundern, das in dem Text steckt. Vielvölkerthematik, Massaker, Eisenbahnwesen, Bienenzucht, der Autor lässt nichts aus, meint er. Jergovićs empathischer Blick von unten scheint Breitenstein von aufklärerischer Kraft.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2017

Eine Familiengeschichte "dicker als ein Ziegelstein", voller uneindeutiger Charaktere, voller Exkurse, Skizzen, Pausen, detailreich, keiner Chronologie und keinen Konstanten folgend, ist das neue Buch des kroatisch-bosnischen Autors Miljenko Jergovic, erklärt Rezensentin Doris Akrap und man ist schon überzeugt, einen Verriss zu lesen, doch dann die überraschende Wende: Nur ein hervorragender Schriftsteller schafft es, so eine Geschichte spannend zu erzählen, und so einer ist Jergovic, meint Akrap. Die Geschichte des Niedergangs der Familie Stubler aus Sarajevo ist zugleich ein "zeithistorisches Porträt" der damaligen jugoslawischen Gesellschaft und überdies raffiniert gebaut, spannend und erhellend, lobt die Rezensentin.

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