Juliane Rebentisch

Der Streit um Pluralität

Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt
Cover: Der Streit um Pluralität
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518587812
Gebunden, 287 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

In zehn hochkonzentrierten Kapiteln legt Juliane Rebentisch Hannah Arendts politische Philosophie der Pluralität frei und diskutiert sie im Horizont gegenwärtiger Debatten. Politik und Wahrheit, Flucht und Staatenlosigkeit, Sklaverei und Rassismus, Kolonialismus und Nationalsozialismus, Moral und Erziehung, Diskriminierung und Identität sowie Kapitalismus und Demokratie sind die Stichworte der entsprechenden Auseinandersetzungen. Indem sie den Fokus auf das Motiv der Pluralität legt, lässt Rebentisch in diesen unterschiedlichen thematischen Kontexten jeweils den Zusammenhang von Arendts Gesamtwerk ebenso greifbar werden wie die Widersprüche, die es durchziehen.Das Buch macht vermittels genauer Lektüren und unter Einbeziehung zeitgeschichtlicher Hintergründe die weitreichenden Implikationen von Arendts Denken sichtbar, und zwar vor allem dadurch, dass es die begrifflichen Sperren, die Arendt selbst diesem Denken setzte, klar herausarbeitet und konsequent kritisiert. Gerade deshalb erweist sich der Streit um Pluralität, der hier mit und gegen Hannah Arendt auf beeindruckende Weise ausgetragen wird, als überaus passende Reverenz an eine Autorin, deren Liebe zur Welt sich auch in der Streitbarkeit ihrer Urteile gezeigt hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.05.2022

Rezensent Martin Hartmann stockt der Atem, wenn Juliane Rebentisch Hannah Arendt zitiert. Da treten rassistische Klischees überdeutlich zutage, findet Hartmann. Dass es der Philosophieprofessorin Rebentisch jedoch nicht darum zu tun ist, Arendt zu verunglimpfen, wird für Hartmann ebenso deutlich. Es geht der Autorin vielmehr um eine Ehrenrettung Arendts, stellt er fest. Rebentischs akribische Analyse arbeitet laut Rezensent die Ambivalenzen im Denken Arendts heraus, vor allem, wenn die Autorin Arendts affirmatives Nachdenken über Pluralität untersucht. Bedauerlich findet Hartmann, dass Rebentisch ihm die Frage nicht beantwortet, wie es bei Arendt zu so eklatanten Widersprüchen kommen konnte.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.04.2022

Rezensent Wolfgang Schneider empfiehlt Juliane Rebentischs Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt mit Einschränkungen. Kenntnisreich und "differenziert" legt ihm die Philosophin Arendts Pluralitätsbegriff dar - mit Blick auf die Gemeinsamkeiten zur heutigen Diskussion um Diversität - aber auch in klarer Abgrenzung zur gegenwärtigen Identitätspolitik: Kollektive Zuschreibungen lehnte Arendt vehement ab, erinnert Schneider. Rebentischs Verbindungen zwischen Arendts Philosophie und aktuellen Debattenthemen, etwa Populismus, Rassismus, Flucht und Antisemitismus findet der Kritiker meist klug, über gelegentliche bloße Lippenbekenntnisse der Autorin kann er hinwegsehen. Nicht sehr originell erscheint ihm indes, wie Rebentisch Arendts Gedanken zur afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und zur Entstehung von Rassismus aus den Erfahrungen des Kolonialismus beurteilt: Kälte und Abgehobenheit gegenüber sozial Benachteiligten attestiert Rebentisch der Philosophin. Lange Satzkaskaden, ein mitunter erschöpfender Seminarton und insgesamt das Fehlen von Provokation und Anschaulichkeit machen die Lektüre für den Kritiker allerdings nicht eben einfach.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2022

Rezensent Thomas Meyer liest zwei Bücher, die Hannah Arendts Verhältnis zum Rassismus gegenüber Schwarzen und zum Kolonialismus beleuchten: "Der Streit um Pluralität" von Juliane Rebentisch und "370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive" von Marie Luise Knott. Rebentischs Buch gibt Meyer wenig zu denken. Er findet viel Kritik an Arendt, aber wenig "Konstruktives". Früh stehe für die Autorin fest, dass Arendt "unrettbar eurozentrisch" sei und die Opfer des Kolonialismus für sie praktisch unsichtbar. Das möchte Meyer so nicht stehen lassen: Wer Arendts "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" unvoreingenommen lese, könne sehr wohl erkennen, wann sie spricht und wann ein "weißer Rassist", den sie als Täter sprechen lässt. Erhellender findet Meyer Knotts Buch, das sich mit der Reaktion Arendts auf einen Essay des afroamerikanischen Autors Ralph Ellison befasst, der ihr Arendt vorwarf, Schwarze nur von oben herab betrachten zu können. Wie Knott die unterschiedlichen Erfahrungen Arendts und Ellisons analysiert und kontextualisiert, imponiert ihm, weil sie diese Unterschiede verstehen und nicht glattbügeln oder gegeneinander ausspielen will. Dass man Arendts Überlegungen auch aus ihrer Zeit heraus verstehen muss, scheint ihm evident.