Jean-Jacques Schuhl

Ingrid Caven

Roman
Cover: Ingrid Caven
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783821845050
Gebunden, 312 Seiten, 27,61 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Uli Aumüller. Weihnachten 1943 singt ein kleines Mädchen, vier Jahre alt, Heilige Nacht für die Soldaten der Wehrmacht. In der Ferne detonieren Bomben. Es ist Ingrid Cavens erster Auftritt. Ein halbes Jahrhundert später - inzwischen hat sie in Fassbinders Filmen gespielt und als Sängerin die Pariser und New Yorker Bühnen erobert - gibt sie ein Konzert in der Zitadelle von Jerusalem. Sie ist die Heldin eines Romans, dessen Register vom Märchenton bis zum Comic strip, vom Dokumentarischen bis zur Feerie reicht. Bald lakonisch, bald ausschweifend, führt Jean-Jacques Schuhl ein Maskenspiel vor, dem es an schwarzem Humor nicht fehlt und in dessen Hintergrund ein Schrecken lauert, der nicht vergehen will.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.01.2002

Stefan Zweifel ist tief beeindruckt von diesem Roman, den Jean-Jacques Schuhl über seine Lebensgefährtin Ingrid Caven verfasst hat. Er preist das Buch als "virtuose Collage", die es versteht, "Klatsch einer Epoche" mit der einzigartigen Stimme der Schauspielerin und Sängerin zu verbinden. Ein wahrer "Glücksfall", schwärmt der Rezensent, der das "aquarellartige" Buch allerdings auch für eine besondere Herausforderung für den Übersetzer hält. Denn der "deutsche Subtext", den der Autor aus deutschen Liedern und Redewendungen seinem französischen Text unterlegt hat, führt nach Ansicht des Rezensenten manchmal zu "etwas plumpen Übergängen" in der deutschen Ausgabe, die er aber gar nicht dem Übersetzer anlasten will. Besonderes Lob findet auch die unter Enzensberger entstandene "vorbildliche Edition", der es sogar gelungen sei, durch den "größeren Echoraum" besonders der Fassbinder-Episoden "mehr anklingen" zu lassen als die Originalausgabe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2001

Kein Roman, keine Biografie, stellt Roger Willemsen fest. Was dann? Das Buch eines Journalisten, meint Willemsen, aber vom "morbus wolfii" besessen: Klatsch & Tratsch, Anekdoten, das Banale kunstvoll arrangiert, gar erhöht. Der Berichterstatter ist, sollte man wissen, mit dem Objekt seiner Berichterstattung verbandelt. Schuhl ist der Lebensgefährte von Ingrid Caven, Sängerin, Schauspielerin und einst mal mit Fassbinder verheiratet. Schuhl also breitet das illustre Leben der Sängerin aus, ohne dass er, findet Willemsen, eine Entwicklung in ihrem Leben, eine Vorgeschichte zeigt. Der Autor selbst, der fast zwanzig Jahre kein Buch mehr veröffentlicht hatte, wie Willemsen genussvoll ausbreitet, präsentiere sich mit der Geste eines Dandy an der Seite der Diva, wobei diese Pose auf Willemsen bloß antiquiert wirkt, weil sie keinen Bezug zur Wirklichkeit herstelle. Überhaupt der ganze Kitsch! Dieser "Talmi der Fassbinder-Kirche", der alte Geniekult - ihn nervt's! Die Caven selbst bleibt für unseren angeödeten Rezensenten seltsam blass in dieser glanzvollen Umgebung.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.11.2001

Martina Meister feiert diesen Roman, den der französische Autor nach 24 Jahren Schweigen veröffentlicht hat, als "literarischen Paukenschlag". Dabei sei es beileibe keine Biografie seiner langjährigen Lebensgefährtin Ingrid Caven, sondern Nachruf, Epochenporträt und "Liebeserklärung" in einem, so die begeisterte Rezensentin. Sie preist den Roman für seine "leichtfüßige Vielschichtigkeit" und findet in ihm kaleidoskopartig die wichtigsten Personen und Ereignisse der Zeit versammelt. Dabei macht sie allerdings als eigentliche "Hauptfigur" des Buches den früheren Ehemann von Ingrid Caven, Rainer Werner Fassbinder, aus. Dass auch die Übersetzung "ganz hervorragend" geraten ist, bestätigt Meister in ihrem Urteil, ein "außergewöhnliches" Werk gelesen zu haben.