Jean-Claude Wolf (Hg.)

Eduard von Hartmann

Zeitgenosse und Gegenspieler Nietzsches
Cover: Eduard von Hartmann
Königshausen und Neumann Verlag, Würzburg 2006
ISBN 9783826032288
Kartoniert, 173 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Dieser Jubiläumsband erscheint zum 100. Todestag Eduard von Hartmanns, der am 5. Juni 1906 im 65. Lebensjahr verstorben ist. Bekannt ist Hartmanns Name im Zusammenhang mit Friedrich Nietzsche. Neben einigen Gemeinsamkeiten wie der Auffassung von der Selbstzersetzung des Christentums, dem Pessimismus der Stärke und dem Plädoyer für eine Bildungsaristokratie waren es vielmehr die Differenzen, deren sich beide Denker bewusst waren. Beide haben den alogischen Willen Schopenhauers in ihr Denken integriert und vermeiden die Verabsolutierung des Logos, doch der Weltlogos spielt in Hartmanns Pantheismus immer noch eine gewisse Rolle. Der vorliegende Band enthält drei Originalbeiträge von Hartmann: Mein Entwicklungsgang, Nietzsches neue Moral und Stirners Verherrlichung des Egoismus. In den Erläuterungen zum philosophischen Briefwechsel zwischen Eduard von Hartmann und Arthur Drews beleuchtet der Herausgeber den Bekanntenkreis Hartmanns in knappen Porträts seines wichtigsten Schülers und Mitstreiters Arthur Drews, des Berner Philosophieprofessors Ludwig Stein, des jungen Rudolf Steiners, der Hartmanns Schriften schätzte und ihn persönlich kennen lernte, sowie des Kultur- und Religionsphilosophen Leopold Ziegler. Der Briefwechsel mit Drews ist auch ergiebig für die Diskussionen zur Ästhetik, Religion, Monismus, Empfindungsqualitäten und Stellungnahmen zu Schopenhauer und Nietzsche. Der Band wird abgerundet durch den repräsentativen Lexikonartikel von Hans Eisler und eine chronologische Übersicht der Schriften Hartmanns, die seine Witwe Alma von Hartmann in den Kant-Studien veröffentlichte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.06.2006

"Hätte es damals ein 'Philosophisches Quartett' gegeben", begrüßt Rezensent Rüdiger Görner diese Edition mit ausgewählten Texten des Gründerzeitphilosophen aus vier Schaffensjahrzehnten, "Hartmann wäre ein Stammplatz neben Sloterdijk und Safranski sicher gewesen." Denn beim Wiederlesen ist ihm Eduard von Hartmann als Philosoph begegnet, der seinem Eindruck zufolge einst gern auch die "Anschlussfähigkeit seines Denkens unter Beweis" zu stellen versuchte. Interessant wird Hartmann für den Rezensenten jedoch vor allem als Gegenspieler Nietzsches, und als solchen focussiert ihn die Textauswahl ja auch. Denn anders als Friedrich Nietzsche, für den Görner zufolge die Kategorien des Denkens bereits "an den Rand ihrer Selbstauflösung gerückt" waren, habe Hartmann im Sinne Schellings und Schopenhauers noch am Prinzip zusammenhängender Welterklärungsmodelle festgehalten. Und zwar besonders in Fragen einer zeitgemäßen Ethik. Andere Texte des Bandes rufen den Philosophen Görner auch als Vorläufer Freuds ins Gedächtnis. In späteren Texten scheint die gedankliche Tiefe dagegen etwas abzunehmen, allerdings bei gleichzeitigem Ansteigen ihres Unterhaltungswertes. Hartmann habe sich zu fast allem geäußert, lesen wir, und darin erinnert er Görner schließlich fast an den Soziologen Georg Simmel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.05.2006

Brauchen moderne Gesellschaften einen idealistischen Geist, um nicht vollends im "Turbokapitalismus" aufzugehen, fragt Gangolf Hübinger und empfiehlt, einen der letzten Vertreter einer umfassenden idealistischen Weltdeutung neu zu lesen. Allein Hartmanns Invektiven gegen Nietzsche lohnen die Wiederentdeckung: Sein Urteil, Nietzsche sei in seiner ersten Periode unreif, in der zweiten trivial und in der dritten verrückt, findet Hübinger ebenso "unfair wie erhellend". Denn bei dieser Auseinandersetzung handelt es sich nicht einfach nur um Eitelkeiten unter Kollegen, sondern vielmehr um "zwei spannungsreich aufeinander bezogene Pole in der Ausdeutung der aufziehenden modernen Welt" um 1900 - zwischen "Individualanarchismus" auf der einen und dem eines "aristokratischen Evolutionismus" auf der anderen Seite. Und dies lässt Hübinger auch großzügig über einige Mängel dieses von Jean Claude Wolf "auf liebevoll chaotische Weise" kompilierten Materialbuches hinwegsehen - so etwa über den Umstand, dass ein einschlägiger biografischer Überblick fehlt.
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