9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Wissenschaft

281 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 29

9punkt - Die Debattenrundschau vom 23.01.2023 - Wissenschaft

Grundsätzlich sinnvoll findet Felix Schwarz in der FAZ auch den Vorschlag des Klimaforschers Hans-Joachim Schelnnhuber, ein individuelles CO2-Budget von verträglichen drei Tonnen pro Jahr einzuführen, sieht aber kaum Realisierungschancen: "Das Problem: Der CO2-Verbrauch eines Deutschen lag 2021 bei durchschnittlich etwa acht Tonnen pro Jahr. Und im Durchschnitt steigt der CO2-Abdruck mit dem Einkommen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 18.01.2023 - Wissenschaft

Warum macht eigentlich heute jede kulturwissenschaftliche Strömung was Kritisches? Kritische Soziologe, kritische Weißseinsforschung, kritische Menstruationsforschung, kritische Migrationsforschung? Für Lucas Rudolph ist das reines Marketing. "Mainstream sind immer die anderen", spottet er in der Jungle World. "Der Konformismus des 21. Jahrhunderts heißt Selbstüberhöhung, und die ist am leichtesten zu haben, wenn man sich in Opposition zu übermächtigen Gegnern wähnt. Darum bauschen Dr. Hinz und Dr. Kunz ihre austauschbaren Lieblingstheoretiker zum dringend notwendigen und kritischen Korrektiv auf. Unter der Hand schwindet dabei Kritik, die den Namen verdient hätte. Auch das verrät schon die Selbstbezeichnung. Wer kritische Soziologie oder kritische Ökonomie betreibt, hat nämlich keine Kritik der Soziologie vor Augen und keine Kritik der Ökonomie. Stattdessen schielt man auf eine irgendwie andere, irgendwie linke und natürlich höchst innovative, also bessere Soziologie oder Ökonomie. Der kleine sprachliche Unterschied zwischen dem Substantiv 'Kritik' und dem Adjektiv 'kritisch' ist inhaltlich entscheidend: Eine Kritik der Naziphilosophie Heideggers ist etwas ganz anderes als eine kritische Heidegger-Lektüre. Das eine Mal kommt so etwas wie der 'Jargon der Eigentlichkeit' dabei heraus, das andere Mal der Poststrukturalismus."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.01.2023 - Wissenschaft

Es gibt eine intensive Kooperation deutscher Universitäten und Forschungsinstitute mit chinesischen Stellen, berichtet der Wissenschaftsjournalist Hinnerk Feldwisch-Drentrup in der FAZ. Diese Kooperationen würden zwar verstärkt auf den Prüfstand gestellt, aber teilweise lässt sich der miltärische oder repressive Charakter der Forschung nicht verbergen, so Feldwisch-Drentrup, der sich auf einen gerade veröffentlichten Bericht des US-Sicherheitsexperten Jeff Stoff bezieht: "Stoffs Bericht führt auch 450 problematische Artikel zum Maschinellen Sehen an. Kürzlich wurde etwa ein Artikel von Bernt Schiele, Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für Informatik, veröffentlicht, bei dem es um die Identifizierung von Personen über mehrere Kameras hinweg geht - diese Technik sei für Überwachungssysteme wichtig, etwa zur Verfolgung von Personen und der Analyse ihrer Aktivitäten, so die Studie. Seine Partner: Forscher einer Universität in Schanghai, von der laut Experten Cyberangriffe ausgehen, und des chinesischen Digitalkonzerns Alibaba, der in vielen Städten Chinas eingesetzte Überwachungssysteme entwickelt."
Stichwörter: Cyberangriffe

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.12.2022 - Wissenschaft

Die Pandemie ist vorbei und jetzt eine Endemie, so sieht's zumindest im Augenblick aus, sagen Christian Drosten und andere Virologen bis hin zur WHO. Viele sind jetzt durch Impfungen geschützt, offen ist noch, ob das Coronavirus in China, wo die Ansteckungen Höchstraten erreichen, in eine neue gefährliche Variante mutiert. In einem "Thema des Tages" zeichnet Christina Berndt (SZ) noch einmal den Verlauf der jüngsten Welle nach, die glimpflicher ablief als befürchtet: "So klingt das Jahr 2022 pandemiemäßig recht beschaulich aus, jedenfalls gefühlt. Denn tatsächlich bringt das Virus immer noch viel Leid über das Land. Täglich sterben mehr als 100 Menschen direkt an Covid-19, viele weitere an den Folgen der Infektion wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Hinzu kommt Long Covid. Und auch die vielen Fälle anderer Infektionskrankheiten wie Influenza und RSV, die das Land im Dezember heimgesucht haben, könnten mit der Pandemie zu tun haben, sagt [die Immunologin] Christine Falk. Nicht nur, weil das Immunsystem wegen der Corona-Maßnahmen zwei Jahre lang kaum Begegnungen mit diesen Viren hatte und sich deshalb nicht mehr so gut an sie erinnert. 'Immer mehr Daten zeigen zudem, dass eine durchgemachte Infektion mit Sars-CoV-2 das Immunsystem lange beeinträchtigen kann. Man kann noch viele Monate danach eine geringere Immunkompetenz haben, das Immunsystem ist weniger schlagkräftig.'"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 07.12.2022 - Wissenschaft

Andrian Kreye hat für die SZ mit dem Chatbot Chat GPT über Wittgenstein geplaudert. Das war amüsant, aber beweist es Intelligenz? "Die Erklärung liefert Chat GPT gleich selbst. Auf die Frage, wie viele Parameter er selbst habe, weicht er höflich aus: 'Als Sprachmodell habe ich keine physischen Synapsen wie ein menschliches Gehirn. Ich existiere lediglich als eine Sammlung von Algorithmen und Daten, die es mir ermöglichen, Text zu verarbeiten und zu generieren.' Hätte man nicht besser formulieren könne. Uff."

Auf Zeit online möchte Eike Kühl festhalten, dass auch dieser Chatbot nicht wirklich intelligent ist, sondern ihm nur besonders viele Daten eingespeist wurden: "Tatsächlich gibt es gefühlt für jede beeindruckende Antwort von ChatGPT ein Beispiel für eine Antwort, mit der das System daneben liegt, mit teils lustigen Ergebnissen. Nicht nur scheint ChatGPT so seine Probleme mit Matheaufgaben und Grundschulrätseln zu haben, auch simple Fragen etwa nach dem größten mittelamerikanischen Land, das nicht Mexiko heißt, oder nach dem schnellsten Meeressäugetier kann das System nicht richtig beantworten. Es versucht dann lieber, den Wanderfalken, der zwar im Sturzflug das schnellste Tier der Welt, aber weder Meeres- noch Säugetier ist, als die richtige Antwort zu argumentieren." Das klingt nicht intelligent, aber sehr menschlich.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.12.2022 - Wissenschaft

Auch die Mathematik wird in Großbritannien jetzt postkolonial neu aufgestellt, berichtet Gina Thomas in der FAZ. Sie bezieht sich auf Richtlinien der Qualitätssicherungsagentur für Hochschulen (Quality Assurance Agency, QAA): "Die jüngsten Empfehlungen fordern eine von den Studenten mitbestimmte multikulturelle und entkolonialisierte Sicht auf die Fächer. Studenten müssten auf problematische Fragen in der Entwicklung der ihnen beigebrachten Inhalte aufmerksam gemacht werden, wie etwa darauf, dass Pioniere der Statistik die Rassenhygiene gefördert hätten und dass Mathematiker mit dem Sklavenhandel, dem Rassismus oder dem Nationalsozialismus verstrickt gewesen seien."
Stichwörter: Sklavenhandel, Rassismus

9punkt - Die Debattenrundschau vom 25.11.2022 - Wissenschaft

Der amerikanische Historiker Timothy Snyder steht dafür in der Kritik, dass er als Botschafter einer Fundraising-Plattform um Spenden für das ukrainische Drohnenabwehrsystem "Shahed Hunter" wirbt (Unser Resümee). Auch für Michael Hesse in der FR stellt sich nicht nur deshalb die Frage, ob das, was Snyder macht, nun Wissenschaft oder Politik ist. "Im letzteren Fall würde man Snyders Publikationen deutlich anders bewerten müssen. Seine Aussage, dass die Russen einen Völkermord in der Ukraine planen, müsste in dem Fall als Aussage eines Ukraine-Aktivisten, aber nicht als ein ausgewogenes Urteil eines Wissenschaftlers angesehen werden."
Stichwörter: Snyder, Timothy

9punkt - Die Debattenrundschau vom 19.10.2022 - Wissenschaft

In der FAZ schreibt Uwe Ebbinghaus über die ganz unglaubliche Plagiatsintrige gegen den Münchner Rechtsmediziner Matthias Graw. Offenbar hat jemand aufwändig angeblich wissenschaftliche Quellen fabriziert, um Graw dann von Plagiatsjägern "entlarven" zu lassen. Wie konnte das einige Wochen lang durchgehen? Ebbinghaus sieht Verbindungen zu einem anderen Fall, in dem Graw vorgeworfen wurde, bei der Obduktion den Goldzahn der Mutter eines gewissen Otto C. oder Z. eingesackt zu haben. Und dieser Mann ist nicht so anonym, wie er vielleicht gern wäre: "Forscht man weiter, stößt man auf unterschiedliche Vornamen, Doppeldoktortitel, deren Verifizierung sich als schwierig erweist, eine Firma mit unklarem Portfolio und ein Netzwerk von Personen, die zum Teil - laut einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks in einem anderen Zusammenhang - einer Szene zuzurechnen sind, in der die Maskenpflicht als 'medizinische Zwangsmaßnahme' kritisiert wird. Der FAZ liegen Dokumente vor, welche die Vermutung, Otto Z. sei der Fake-Drahtzieher, bestärken (der Versuch einer Kontaktaufnahme mit Otto Z. blieb erfolglos)."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.09.2022 - Wissenschaft

In der taz erinnert sich Barbara Kerneck an ihre Zeit als Austauschwissenschaftlerin an der an der Leningrader Staatlichen Universität 1976. Die Zensur fand sie unerträglich, aber das "Wohnheim war trotz allem ein wunderbarer Ort zum Diskutieren und Feiern mit russischen Kolleginnen aus allen Disziplinen". Seit dem Ukrainekrieg liegt der Austausch mit russischen Unis auf Eis. Aber trifft das die Richtigen? Es gab diesen grässlichen offenen Brief, den 700 Rektoren russischer Hochschulen unterzeichneten, "in dem sie ihre Regierung unterstützen und mit dem Westen sympathisierende Bürger:innen als 'Abschaum' bezeichnen, der aus Russland entfernt werden müsste." Aber es haben auch "tausende Akademiker*innen in offenen Briefen gegen den Krieg protestiert. Dazu gehört ein Löwenmut, da bis zu 15 Jahren Gefängnis drohen. Die unter anderem von der Uni Bremen herausgegebenen Russland-Analysen berichten, dass seit der Annexion der Krim 2014 die Förderung der Wissenschaft in Russland stark zurückgegangen ist. Seit 2019 habe es in Russland bloß noch 800 ausländische Forscher*innen gegeben, in den USA zum Vergleich 13.000. Dem Putin-Regime scheint nicht an einem intensiven internationalen Forschungsaustausch gelegen."
Stichwörter: Krim

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.08.2022 - Wissenschaft

Künstliche Intelligenz ist viel schneller viel weiter gekommen, als alle es vorausgesagt haben. Ein bekanntes deutsches Beispiel ist die Übersetzungssoftware deepl, die häufig fast deprimierend gute Ergebnisse abliefert (der Perlentaucher nutzt sie jeden Tag). Und es gibt andere Beispiele wie etwa Sprachsoftware, schreibt Kevin Goose in einem Hintergrundartikel für die New York Times: "Inzwischen werden große Sprachmodellierer wie GPT-3 von OpenAI verwendet, um Drehbücher zu schreiben, Marketing-E-Mails zu verfassen und Videospiele zu entwickeln. (Ich habe GPT-3 sogar verwendet, um letztes Jahr eine Buchbesprechung für diese Zeitung zu schreiben - und wenn ich meine Redakteure nicht vorher informiert hätte, bezweifle ich, dass sie etwas geahnt hätten)." Ein anderes Beispiel ist Googles "Deepmind"-Programm, das mittels KI gelernt hat, die Faltung von Eiweißen zu beschreiben und vorauszusagen, offenbar ein gigantischer Fortschritt. Sowohl Risiken, als auch Chancen müssten dringend die Politik auf den Plan rufen, so Goose: "Ajeya Cotra, eine leitende Analystin bei Open Philanthropy, die sich mit den Risiken der künstlichen Intelligenz befasst, schätzte vor zwei Jahren, dass die Wahrscheinlichkeit einer 'künstlichen Intelligenz', die 'transformatorische' Eigenschaften aufweist, bei 15 Prozent liegt. Sie und andere definieren so KI haben, die gut genug ist, um weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, wie zum Beispiel die Abschaffung wissensbasierter Angestelltenjobs - bis zum Jahr 2036. In einem kürzlich veröffentlichten Beitrag erhöhte Frau Cotra die Einschätzung dieser Wahrscheinlichkeit auf 35 Prozent und verwies auf die rasche Verbesserung von Systemen wie GPT-3."