In Lateinamerika tobt eine Auseinandersetzung zwischen den literarischen Generationen. Besonders in der Kritik ist dabei
Gabriel Garcia Marquez, "eine
Art Papst, dessen bloße Anwesenheit reflexartig Lobeshymnen und ein kollektives Niederknien hervorruft", wie der kolumbianische Jungschriftsteller
Andres Burgos in der jetzt freigegebenen Septembernummer von
El Malpensante spottet. Burgos Kritik bezieht sich dabei vor allem auf die
"außerliterarische" Dimension des Nobelpreisträgers, der ansonsten nach wie vor als glänzender Geschichtenerzähler besticht - davon immerhin hat Burgos sich bei einem
Workshop mit dem Meister an der Internationalen Filmschule in Kuba überzeugen können. Trotzdem: "Er ist wie ein
alternder Pistolero, der all seine Trümpfe schon ausgespielt hat und von dem nunmehr keine überraschende Wendung mehr zu erwarten ist." Statt "seine Haltung zu
Kuba ändern, wie es sich
Susan Sontag von ihm wünscht, sich mit seinen Gegnern zu verständigen, oder sich mit den jungen Pistoleros, die seinen Weg kreuzen, zu messen", ziehe Garcia Marquez es vor, "mit wenig bekannten Drehbuchschreibern
unwahrscheinliche Filme zu entwerfen, mit seinen mächtigen Freunden
Whisky zu trinken und sein Leben auf dem Papier nachzuformen". (Das sind halt die Freuden des Alters!)
Sehr viel unhöflicher über Garcia Marquez äußerte sich in einem kürzlich veröffentlichten
Interview bei
Radar der Shootingstar der kolumbianischen Literatur
Efraim Medina Reyes (
hier ein süßes Foto), dessen vergnügliche "Masturbationstechniken zwischen Batman und Robin" nach großem Erfolg in Italien auch in Deutschland schon einen Verlag gefunden haben sollen. "Garcia Marquez (der Mensch, nicht der Schriftsteller) ist ein
Idiot, und man sollte seinen Äußerungen nicht zuviel Beachtung schenken. Genau wie er die Welt durch seine Erzählungen bereicherte, hat er sie mit seiner Anwesenheit ärmer gemacht. Seine Literatur ist gut, aber ihm mangelt es an
gedanklicher Tiefe. Immer wenn er den Mund aufmacht, schämen wir uns", wetterte Medina Reyes unlängst.
Ach, und übrigens: In der ehrwürdigen
Paris Review finden wir eine riesenhafte
"orale Biografie" über Garcia Marquez von
Silvana Paternostro.
Auch
El Malpensante veröffentlicht ebenso wie andere lateinamerikanische Magazine
Roberto Bolanos Generalabrechung mit dem derzeitigen lateinamerikanischen Literaturbetrieb (
Perlentaucher berichtete). Weiterhin in dieser ausgezeichneten kolumbianischen Kulturzeitschrift zu finden: eine
Reportage über einen kuriosen Nebenschauplatz des weltweiten Kampfes gegen
Al Qaida: das Länderdreieck zwischen Paraguay, Brasilien und Argentinien in der Nähe der
Iguazu-Wasserfälle.