Bücher der Saison

Sachbuch Kultur

27.11.2013. Im fünften und letzten Teil unserer Bücher der Saison geht's um eine europäische Stadtgeschichte, die Farbe Blau, amerikanische Jazzhelden und die Künste des Kinos.
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Kulturgeschichte

Nicht weniger als eine umfassende europäische Stadtgeschichte seit 1850 hat Friedrich Lenger mit seiner Studie über die "Metropolen der Moderne" beim Verlag,vorgelegt, sind sich SZ und NZZ einig. Die zugrunde liegende Rechercheleistung, die strukturelle Gliederung des reichen Stoffes und seine differenzierte Darstellung haben die Rezensenten beeindruckt. Stephan Speicher hebt in der SZ die Ausgewogenheit hervor, mit der auch die problematischen Seiten der Urbanisierung, etwa die Ausgrenzung von Migranten und die Tendenz zur "Verhäuslichung" behandelt werden, während Hans-Albrecht Koch in der NZZ das Buch für seine "anschauliche Sprache" lobt.

Als anregend und lehrreich beschreibt Anne Kohlick in der FAZ Michel Pastoureaus Kulturgeschichte der Farbe "Blau" Die Farbe als kulturelles Konstrukt, dessen Symbolgehalt sich im Laufe der Jahrhunderte seit der Antike wandelte, das findet die Rezensentin von Pastoureau so überzeugend wie kurzweilig dargestellt - wobei sie sich angesichts eines so farbigen Themas die eine oder andere Abbildung gewünscht hätte. Im DRadio beschreibt Edelgard Abenstein die Studie als "detailreich und elegant formuliert" und dankenswerterweise frei von "esoterischer Küchenpsychologie". Viel Lob erntet die Romanistin Barbara Vinken, die in ihrer Studie "Angezogen" beim Verlag,eine vom weiblichen Bein ausgehende Kulturgeschichte der Mode als Verführungswerkzeug und Machtsymbol entwirft und, zumindest dem Untertitel nach, "Das Geheimnis der Mode" enthüllt. DRadio und Zeit geben Vinken in großen Interviews Raum, ihre Thesen vorzustellen.


Musik

Nichts war heilig an Oper, lernt Igor Toronyi-Lalic im Telegraph aus Carolyn Abbates und Roger Parkers voluminöser Operngeschichte beim Verlag,Das galt für das 17. und 18. Jahrhundert, und "es blieb sogar im 19. Jahrhundert wahr. Niemand kräuselte die Stirn, als in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Autor der 'Zauberflöte' einen neuen Text schrieb - man fand den originalen Text eben inzwischen veraltet. Alles war im Fluss." Carolyn Abbate und Roger Parker machen diese Gegenwart in ihrer Geschichte wieder sehr lebendig, und dies auch noch in "schöner und unprätenziöser Prosa". In Deutschland hat die FAZ das Buch besprochen: Das Buch konzentriere sich auf Sänger und Aufführungspraxis, so Andreas Mayer. Es gehe um die Oper als soziales Phänomen, um Opernreformen und lärmende Zuschauer - und da verkrafte man auch, dass die Oper des 20. Jahrhunderts nicht so prominent vorkommt.

Als unprätenziös, erzählerisch und dicht feiern Kritiker der NZZ und der FAZ Arne Reimers Buch "American Jazz Heroes" Der Autor und Fotograf hat fünfzig Legenden besucht, und sie haben sich alle fotografieren und interviewen lassen. Moritz von Bredows Biografie der in Deutschland fast vergessenen "Rebellischen Pianistin" Grete Sultan, die 1941 in letzter Minute emigrierte und in New York zur Förderin John Cages wurde, hat Marco Frei in der NZZ mit großem Gewinn gelesen. Er empfiehlt, gleichzeitig eine CD-Box mit historischen Aufnahmen der Pianistin zu hören.


Film

In seiner Studie über "Die Künste des Kinos" beim Verlag,deutet Martin Seel den Film als "erfolgreichen Angriff auf das seelische Gleichgewicht eines wehrlosen Publikums", fasst Jürgen Kaube in der FAZ zusammen. Das hört sich brutal an, doch tatsächlich liegt der Reiz des Mediums zu einem erheblichen Teil in der sinnlichen Überwältigung des Publikums, wie Seel darlegt. Kaube ist ihm für seinen differenzierten Blick auf die unwiderstehliche Suggestivkraft des Kinos dankbar sowie dafür, dass er auf die hierzulande besonders hartnäckige Unterscheidung zwischen U- und E-Kultur verzichtet. Im Gespräch mit Ulrike Timm im DRadio führt Seel seine Thesen zum "Gesamtkunstwerk Film" und die filmische Raumkonzeption weiter aus.

Der Vergleich mit François Truffauts legendärem Hitchcock-Interview liegt nahe, doch tatsächlich erschien die Auseinandersetzung von Truffauts Cahiers du Cinéma-Kollegen Claude Chabrol und Éric Rohmer mit "Hitchcock" () bereits 1957, also zehn Jahre früher. Durch den zeitlichen Abstand der deutschen Übersetzung ist Hitchcock nicht mehr die filmwissenschaftliche terra incognita, die die beiden Filmkritiker und späteren Nouvelle-Vague-Regisseure in der ersten Monografie über den britischen Meisterregisseur erschließen konnten, stellt Fritz Göttler in der SZ fest und findet den Band daher weniger interessant hinsichtlich seines Gegenstandes als vielmehr als Dokument eines an den Strukturalismus angelehnten neuen Denkens und Schreibens über das Kino. Jürgen Kaube, der das Buch zusammen mit dem Band von Seel besprochen hat, freut sich in der FAZ darüber, dass Chabrol und Rohmer in ihren Analysen beweisen, dass große Filme, ja sogar große Genrefilme "den Vergleich mit großer Literatur nicht zu scheuen" haben. In DRadio Kultur hebt Manuela Reichart insbesondere den mitreißenden Enthusiasmus der Autoren hervor, mit dem sie Hitchcock in den Rang des anerkannten Autorenfilmers erhoben.

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