Bücher der Saison

Kinder- und Jugendbücher

Eine Auswahl der interessantesten, umstrittensten und meist besprochenen Bücher der Saison.
13.11.2019. Reim- und Gedichtbände für Kinder, drei junge Ziegenböcke, die einen Troll jagen, ein Zombiemädchen, das an Halloween Freunde sucht, ein 500-Seiten-Schmöcker über ein "Reich jenseits des Meeres" und Charles Darwin.
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Vorlese- und Bilderbücher bis 6 Jahre


Immer wunderbar zum Vorlesen: Reime und Gedichte. "Oben schwimmt die Sonne davon" (Bestellen) versammelt die Kindergedichte von Elisabeth Borchers. Hier finden sich lustige und nachdenkliche Gedichte zum Vorlesen und Spaßhaben, lobt in der SZ Hans-Joachim Gelberg, dem auch die "lustigen Bilder" von Hildegard Müller gut gefallen haben. Insgesamt ein anschauliches und schönes Gedichtbuch für Kinder, findet der Rezensent und zitiert zum Beleg: "Es war in einer schönen Nacht / da hab' ich mir was ausgedacht. Keinen hat's gestört /niemand hat's gehört./ Niemand hat's gesehn / keiner kann's verstehn." Großes Lob gibt's auch für das von Kenn Nesbitt zusammengestellte Buch "Jetzt noch ein Gedicht, und dann aus das Licht!" (Bestellen), das Gedichte von über 130 amerikanischen Autoren versammelt, die von deutschen Autoren übersetzt wurden. Christoph Niemann steuert seine wunderbaren Zeichnungen bei. In der SZ kann ein begeisterter Klaus Hübner gar nicht genug loben, wie mit diesen Kurzgedichten bei Kindern ein Empfinden für die Qualität von Sprache geweckt und gestärkt wird, dass also vor allem das Klangvolle und Rhythmische nicht zu kurz kommen. Eine deutliche Leseempfehlung!

Jetzt zur Prosa. Die Böckchen-Bande ist eine dreiteilige Serie des norwegischen Schriftstellers Bjørn F. Rørvik und der norwegischen Illustratorin Gry Moursund. Drei junge Ziegenböcke spielen die Hauptrolle! In "Die Böckchen-Bande im Altersheim" (Bestellen), dem zweiten Band der Reihe, suchen die drei einen Troll, der sich in einem Altenheim eingenistet hat, wo er die Bewohner terrorisiert. Natürlich können die drei ihn verscheuchen. Wunderbar unterhaltsam, verspricht die bestens gelaunte SZ-Kritikerin Ines Galling. Zum Lesespaß tragen für sie die wilden Illustrationen bei, mal im Hoch-, mal im Querformat mit tanzenden Sätzen und Buchstaben.

Eins steht fest: Ein Kater wie andere ist dieser "Peter, Kater auf zwei Beinen" (Bestellen) nicht. Dafür kann er tolle Sachen, amüsiert sich Judith von Sternburg in der FR, Tee servieren zum Beispiel oder im Tor stehen. Angenehm findet Sternburg den Ton der kanadischen Autorin Nadine Robert, die alles Süßlich-Niedliche vermeide, wie auch den Strich des Zeichners Jean Jullien, der dem Kater einen genialen Körperschwung und eine wirklich katzenhafte Mimik verschaffe. Auch Ed Veres Löwe Leonard benimmt sich in "Ganz einfach Löwe" (Bestellen) nicht so, wie man das eigentlich von einem Löwen erwartet: Statt die Ente Marianne zu verspeisen, freundet er sich mit ihr an. Er liest auch gern Gedichte und pfeift auf die Ratschläge seiner Artgenossen. Man muss ja nicht immer sein wie alle anderen, findet auch Andrea Wanner, die im Titel-Kulturmagazin Veres "knappen Strich" hervorhebt. "Leonhard ist ein Leiser, ein echter Sympathieträger", lobt sie in ihrer Kurzkritik. Das hat auch der FR gefallen.

FAZ-Kritiker Fridtjof Küchemann prophezeit jungen LeserInnen eine eindrückliche Erfahrung mit "Sohn des Himmels" (Bestellen), dem Bilderbuch des französisch- chinesischen Künstlers Chen Jianghong. Es erzählt von einem Jungen, der sich auf die abenteuerliche Suche nach seiner Mutter begibt, der himmlischen Prinzessin Xian-Zi, die von ihrem Vater, dem Jade-Kaiser, davon abgehalten wird, mit ihrer Erdenfamilie zu leben. Es gibt viele Bezüge zum Taoismus, aber die muss man nicht verstehen, versichert der Rezensent, denn die Geschichte weckt vertraute Gefühle von Trennung, Ohnmacht und Entschlossenheit, meint er. Und nicht zuletzt sind es die Bilder, die strahlen und märchenhaft bewegen, verspricht Küchemann. Ein herausragender Illustrator ist auch der Australier Shaun Tan. Seine Bilderbücher reißen die Kritiker immer wieder zu Lobeshymnen hin. In "Zikade" (bestellen) spielt ein Büroangestellter die Hauptrolle, der eben das ist, was sein Name sagt: eine grüne Zikade, mit Kulleraugen, vier Armen und einer sehr breiten Stirn. Immer arbeitet er, ist nie krank und wird dennoch von den Kollegen schikaniert. FAZ-Kritiker Andreas Platthaus kann sich gut hineinversetzen in das mühsame, von Ausbeutung geprägte Leben des kleinen Helden unter lauter grauen Büromenschen. Farben und Lichtführung sind brillant, schwärmt Thomas Linden im Dlf, wie immer bei Tan, den er als "atmosphärischen Zeitdiagnostiker" würdigt. Und in Dlf Kultur freut sich Kim Kindermann, dass die Zikade eines Tages einfach davonfliegt und für die grauen Menschen nur noch ein freches Lachen übrig hat.


Kinderbücher 6 - 11 Jahre

Barbara Cantinis "Mortina" (Bestellen) Heldin ist ein Zombie, oder genauer: ein kleines Zombiemädchen. Sie lebt mit ihrer Tante in einem alten Schloss, aus dem sie nie heraus kann. Doch dann kommt Halloween und damit ein Tag, an dem sie sich probeweise unter die "normalen" Leute mischen und vielleicht sogar Freunde finden kann. Die 13-jährige Buchbloggerin Mirai findet den Band "mega süß".  Und auch FAZ-Kritiker Fridtjof Küchemann legt das Buch allen 6- bis 7-Jährigen wärmstens ans Herz, denn die Autorin erzähle mit mit Sinn für Details, mit Witz und Einfühlung von ihrer ungewöhnlichen Heldin. Küchemann hat die eigenwillige Zombiene sofort ins Herz geschlossen. Von der ersten Liebe des 9-jährigen Emil erzählt das Buch "Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus" (Bestellen) der norwegischen Autorin Marianne Kaurin und der Illustratorin Anke Kuhl. Schade nur, dass die Angebetete eine Prinzessin ist und Emil ihr Diener. SZ-Kritikerin Hilde Elisabeth Menzel ist ganz hingerissen, wie fein und charmant hier die Klippen der Verunsicherung angesteuert und umschifft werden, so dass am Ende dann doch noch alles gut werden kann.

Ein 500-Seiten-Roman für 10-Jährige? Kein Problem, meint Zeit-Kritikerin Katrin Hörnlein. Die schwedische Autorin Frida Nilsson hat schon so einige brillante Kinderbücher geschrieben, doch mit "Sasja und das Reich jenseits des Meeres" (Bestellen) hat sie sich selbst übertroffen, versichert sie. Worum geht's? Die Geschichte handelt von einem Jungen, der versucht, seine sterbenskranke Mutter vom Tod zurückzuholen und dafür in eine mystische Welt reist. Auch wenn es um den Tod geht, beginnt mit der Reise Sasjas ein Abenteuer voller "Wärme, Heiterkeit und Lebensfreude", erklärt Hörnlein und nennt das Buch ein "Meisterkwerk" der Kinderliteratur. Große Kunst mit feinen Details und poetischen Assoziationen, die auch noch zum Nachdenken anregt - was will man mehr, lobt Eva-Maria Magel in der FAZ. Katya Balens "Mein Bruder und ich und das ganze Universum" (Bestellen) erzählt von dem Jungen Frank, dessen Bruder Autist ist. Das macht nicht nur das Familienleben schwierig, es macht auch aus Frank ein "Schattenkind", denn fast alle Aufmerksamkeit ist auf den kleinen Bruder gerichtet. FAZ-Kritikerin Eva-Maria Magel ist begeistert, wie einfühlsam und humorvoll die britische Autorin diesen Konflikt beschreibt. Eine lebensnahe Geschichte, in der es nicht zuletzt um die Liebe in der Familie geht, lobt sie. Beifall gab es auch für Alan Gratz' "Amy und die geheime Bibliothek" (Bestellen). Weil immer mehr Kinderbücher auf Wunsch besorgter Eltern aus den Bibliotheken verbannt werden - zu traurig, zu unheimlich, zu aggressiv - fängt Amy an, genau diese Bücher zu sammeln und Kindern in einer geheimen Bibliothek zugänglich zu machen. Jeder weiß schließlich, dass verbotene Bücher die interessantesten sind! Ein "Abenteuerroman für kleine Nerds", lobt die SZ. Clever und gut gegen Lesefaulheit, versichert die NZZ.

Auch drei Kinder-Sachbücher seien empfohlen: "Ariadnes Faden" (Bestellen) ist ein Jugend-"Such- und Sachbuch" zur antiken Mythologie und Kultur, erklärt in der SZ Michael Stierstorfer und lobt den Autor, den polnischen Grafikdesigner Jan Bajtlik, für seine detailverliebten und kunstvollen Darstellungen der griechischen Sagenhelden. Auch die Sachinformationen, die die grafischen Darstellungen ergänzen, hält Stierstorfer für klug und brillant recherchiert. Besonders das Fabelwesen-Nachschlageregister mit piktogrammartigen Bildergänzungen hat es ihm angetan. "Pilze" (Bestellen), Liliana Fabisinskas Einführung in die Welt von Fliegenpilz und Co., hält Kim Kindermann (Dlf Kultur) für den Bilderbuchhit des Herbstes. Die Illustrationen von Asia Gwis machen da weiter, meint sie, wo die Erklärungen allzu dicht werden. Der Band ist reich an überraschenden Einblicken in die 420 Millionen alte Geschichte der Pilze und voll mit Fakten und Wissen, insgesamt ein "fröhliches Sammelsurium", lobt auch Katrin Blawat in der SZ. Guillaume Duprat geht in seinem Buch "Wie laut war eigentlich der Urknall?" (Bestellen) der Frage nach, welche Vorstellung sich die Menschen im Laufe der Geschichte vom Universum gemacht haben. Was dachten die alten Griechen, was Kopernikus oder Einstein? In der SZ zeigt sich Rezensent Helmut Hornung sehr beeindruckt von dieser Geschichte der Kosmologie, die verschiedenste weltgeschichtliche Ideen vom Ursprung der Erde nachzeichnet. Nicht einmal vor spekulativen Gedanken zum "Ende des Alls, Wurmlöchern und Multiversen" hat der Autor halt gemacht, freut er sich.


Jugendbücher ab 12 Jahre

Eine grundlegende Erfahrung ist das Gefühl des Fremdseins, das Wissen, dass man nicht ist wie alle anderen, das man eine eigene Geschichte hat, eigene Ansichten und eigene Gefühle. Hans Wirlingers in der österreichischen Provinz spielender "Vogelschorsch" (Bestellen) erzählt von einem Außenseiter, an den sich rückblickend eine Frau aus ihrer Teenagerzeit erinnert. Beide waren damals Trennungskinder und hatten sich angefreundet, obwohl sie ansonsten ganz unterschiedlich waren. Wirlinger führt in einem "Reigen wunderbarer Bilder" Freundschaften, Liebes- und elterliche Streitgeschichten vor, schreibt Siggi Seuss in der SZ und lobt die "sinnliche Sprache" des Autors ebenso wie die Schwarzweißillustrationen Ulrike Möltgens. Für den FAZ-Rezensenten Kevin Hanschke ist es eine behutsam und liebevoll erzählte Geschichte, mit guter Ausdifferenzierung der Charaktere. Und eine "Ode an die Seelenverwandtschaft".

In Susan Krellers "Elektrische Fische" (Bestellen) zieht die junge Emma mit ihrer Familie gezwungenermaßen von Dublin nach Mecklenburg-Vorpommern, in ein Dorf an der Ostsee. Emma ist höchst unglücklich und will nur wieder zurück. "Elektrische Fische" ist ein Buch über Heimatlosigkeit und über die DDR, erzählt Autorin in der Zeit: "Das Thema Heimatlosigkeit geriet dadurch sogar komplexer, und es kamen noch ein paar Sorten Fremdsein hinzu." In der FAZ lobt Tilman Spreckelsen das Einfühlungsvermögen, mit dem Kreller die langsame Annäherung Emmas an ihre neue Heimat beschreibt. Peer Martin erzählt in seinem Buch "Hope" (Bestellen) die Geschichte eines 11-jährigen somalischen Flüchtlings nach Kanada. Das ist unbedingt lesenswert, schwärmt im Dlf Kultur Sylvia Schwab.  Martin, der schon mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, gelingt hier zweierlei, erklärt sie: Er erzählt eine im klassischen Sinne unglaublich spannende Fluchtgeschichte und gleichzeitig füttert er den Leser mit jeder Menge Informationen über Klimawandel, Fluchtursachen oder Korruption. Klare Leseempfehlung von der begeisterten Rezensentin. In Sarah Moore Fitzgeralds "Das Apfelkuchenwunder oder Die Logik des Verschwindens" (Bestellen) schließlich geht es um ein Mobbingopfer. Ein "ungewöhnlich eindringlich und verstörend" geschriebenes Buch zum Thema, erklärt Hilde Elisabeth Menzel in der SZ, das aber auch eine erste Liebesgeschichte erzählt.

Hingewiesen sei auch auf zwei Bücher von Poetry-Slammerinnen: Die deutsche Erzählerin Lucia Lucia reicht uns "Texte, die auf Liebe enden" (Bestellen) - Poeme und Prosa über alle Spielarten der Liebe, aber mit "Matilda" gibt es auch eine Geschichte über sexuelle Gewalterfahrung. Im Dlf Kultur lobt Sylvia Schwab Ton und Rhythmus der Geschichten, aber auch die Illustrationen von Serena Viola. Der Debütroman der Amerikanerin Elizabeth Acevedo, "Poet X" (Bestellen) erzählt von der adipösen Xio, die mit ihrer streng religiösen Mutter zusammenlebt, die von dem Talent ihrer Tochter zum Verseschmieden nichts wissen darf. Acevedo erzählt laut FAZ-Kritiker Fridtjof Küchemann ohne Wichtigtuerei und mit Sinn für die kleinen Freiheiten, die sich die junge Heldin erarbeitet, in der Schule, beim Flirt, beim Poetry Slam oder im Konflikt mit der Mutter.

Sehr gut besprochen wurden außerdem zwei Jugend-Sachbücher: Fabien Grolleau und Jeremie Royer schreiben und zeichnen mit "Charles Darwin und die Reise auf der HMS Beagle" (Bestellen) eine Comic-Biografie des Naturforschers und schildern seine berühmte Expedition auf der HMS Beagle, die ihn in den brasilianischen Urwald und schließlich zur Evolutionstheorie führen sollte. NZZ-Kritikerin Manuela Kalbermatten ist hingerissen von dieser abenteuerlichen Reise. Das Wunder der Artenvielfalt vermittelt das Buch ihr wie nebenbei. Jens Soentgen, von Haus aus Chemiker, erzählt in "Die Nebelspur" (Bestellen), wie der schottische Forscher Charles Wilson mit der Erfindung einer Nebelkammer, in der sich Nebel und Wolken studieren ließen, subatomare Teilchen sichtbar machen konnte. Sogar Einhörner würden über dieses Buch staunen, versichert Dietmar Dath in der FAZ. Auch die NZZ fand die Geschichte spannend und mit subtilem Witz erzählt.