Thomas Harlan

Veit

Cover: Veit
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
ISBN 9783498030124
Gebunden, 165 Seiten, 17,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Bernhard Robben. "Mein Sohn, ich glaube, ich habe dich verstanden." Im April 1964 ruft Veit Harlan seinen Sohn Thomas nach Capri an sein Sterbebett, doch für das Gespräch, das mit diesem Satz hätte beginnen können, ist es zu spät. Drei Tage dauert das Sterben, drei Tage erinnert Thomas sich an die gemeinsame Geschichte: an seine Erleichterung über den Freispruch für den Vater, als dieser 1949 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist, und an sein Entsetzen über den Richter dieses Freispruchs, der als NS-Staatsanwalt Todesurteile erwirkt hatte. Wir sehen den jungen Thomas, der Deutschland verlassen hat und in Paris Thomas Mann, "in seinem erschütterten Körper tief versunken", Tee serviert, wir sehen Szenen im München der Nachkriegszeit, wo Veit in einem Cafe das Wiedersehen mit Kurt Georg Kiesinger feiert, wir sehen Klaus Kinski, den zum Entsetzen des Vaters engsten Freund des Sohns, wie er zusammen mit Thomas Autos im Englischen Garten anzündet. Wir erleben eine "verirrte, verwirrte Familie", die nicht an Jud Süß allein zerbrach.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.04.2011

Die Wunde war offen bis zum Schluss, kommentiert Helmut Böttiger nach der Lektüre von "Veit" das Verhältnis Thomas Harlans zu seinem Vater. Keine Frage, aus dem Buch, diesem vom Vater-Sohn-Verhältnis geprägten Lebensbericht, weht es den Rezensenten grabeskalt an. Und nicht nur, weil es sich um den letzten, schon vom Totenbett aus diktierten Text des Autors handelt. Böttiger sieht sich konfrontiert mit beinharten Fakten, einem aufwühlenden Wechsel zwischen Bewunderung und Hass, Liebe und Ekel und einem quasi liturgischen Pathos, wenn der Autor versucht, die Verstrickungen des Vaters in den Nazi-Terror auf sich zu nehmen. Die Ausweglosigkeit zwischen diesen Extremen empfindet Böttiger als typisch deutsches Dilemma. Dies dokumentiert zu haben, rechnet er dem Autor hoch an.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2011

Sehr gemischte Gefühle beschleichen den Thomas-Harlan-Kenner Edo Reents bei der Lektüre dieses schmalen nachgelassenen Bandes, den der Autor noch kurz vor seinem Tod im vergangenen Oktober diktierte. Angesichts der eigentlich zeit seines Lebens demonstrierten Unerbittlichkeit erscheine Harlan in diesem Abschiedsbuch erstaunlich versöhnungsbereit gegenüber dem so heftig bekämpften Vater, dem NS-Regisseur Veit Harlan. Und "versöhnungsbereit" sei fast noch zu schwach: Im hohen Ton - den Reents durchaus problematisch findet - nehme es der Sohn auf sich, die Schuld des Vaters (die dabei im Gegenzug ins geradezu Irreale gesteigert erscheint) auf seine Schultern zu nehmen. Mildernde Umstände allerdings für dieses seltsame letzte Buch gebe es reichlich: Im Angesicht des Todes habe sich Harlan zuletzt vielleicht doch nach einer Art postumer Versöhnung mit dem Vater gesehnt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2011

Jörg Sundermeier zeichnet in seiner Rezension des letzten Buchs von Thomas Harlan noch einmal die schwierige und schmerzhafte Beziehung des Schriftstellers, Regisseurs und Filmemachers zu seinem Vater Veit Harlan, dem Regisseur des antisemitischen Hetzfilms "Jud Süß" nach. Es ist eine Anklage und ein vergeblicher Versuch der Lösung des "Vaterproblems", an dem er sich zeitlebens abarbeitete, lässt der Rezensent wissen. Dieses Buch konnte der Autor nicht mehr selbst schreiben, sondern lediglich diktieren, was man dem Text nur sehr selten in außer Kontrolle geratenen Sätzen anmerkt, wie Sundermeier schreibt. Aber noch im Scheitern einer Aufarbeitung der Beziehung zum Vater ist ein höchst "lesenswertes" Buch entstanden, so der Rezensent beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.03.2011

Vor allem als zeitgeschichtliches Dokument und Abbild einer mit vielen Fragen zurückbleibenden, sich an der vergangenen Schuld abarbeitenden Vater-Sohn-Beziehung hat Christian Eger Thomas Harlans Prosatext "Veit" gelesen. Der todkranke Autor hat den Text innerhalb von fünf Tagen diktiert und der Rezensenten zeigt sich beeindruckt vom sehr persönlichen Ton dieser "flehend nachgetragenen Liebe". Veit Harlan hielt lebenslang daran fest, er sei zu seinem antisemitischen Propagandafilm "Jud Süß" gezwungen worden, eine "Lebenslüge", an der sich Thomas Harlan zeitlebens heftig stieß, so Eger, den besonders Harlans Darstellung kurzer Szenen am Totenbett seines Vaters sehr beeindruckt haben.