Jan Philipp Reemtsma

Wie hätte ich mich verhalten?

Und andere nicht nur deutsche Fragen
Cover: Wie hätte ich mich verhalten?
C.H. Beck Verlag, München 2001
ISBN 9783406473982
Gebunden, 217 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Jan Philipp Reemtsma hat in den vergangenen Jahren wiederholt zu aktuellen Kontroversen öffentlich Stellung genommen. Dabei ging es oft um Fragen, die uns Deutsche besonders angehen, deshalb aber nicht nur "deutsche Fragen" sind. Dieses Buch versammelt die wichtigsten Beiträge Reemtsmas zum Verhältnis von Gewissen und Geschichte, Moral und Politik, individueller und historischer Verantwortung.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.09.2001

"Wie hätte ich mich verhalten?" - diese Frage, die der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, in seinen Essays und Vorträgen, die er in den letzten fünf Jahren geschrieben und gehalten hat, nachgeht, ist für den Rezensenten Uwe Justus Wenzel ein Instrument der Selbsterkenntnis. Richtig spannend wird es für Wenzel, wenn diese Frage, wie in Deutschland schon oft geschehen, nicht nur individuell, sondern öffentlich diskutiert wird, wenn diese Frage zur vergangenheitspolitischen Maxime verwandelt wird, jeder, der nicht dabei war, darf den Dabeigewesenen auch keinen Vorwurf machen. Wenzel findet Reemtsmas Reflektionen über diesen Diskurs sehr differenziert. Weder befürworte der Autor diese Maxime, noch werfe er den Deutschen mangelndes Heldentum vor. Zustimmung findet beim Rezensenten Reemtsmas Forderung nach einem "zivilisatorischen Minimum", ein verbrecherisches Regime zumindest nicht tatkräftig zu unterstützen, wenn schon der Widerstand dagegen unmöglich erscheint.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.06.2001

Voll des Lobes ist der Rezensent Robert Leicht für die Essays und Reden von Jan Phillip Reemtsma. Reemtsma beschäftigt sich mit Fragen zur deutschen Vergangenheit und tut das mit viel Bildung und Hintergrundwissen und ohne das "kurzen Reiz-Reaktions-Schema" das andere Debatten wie die über Goldhagen oder Walser dominiert, so Leicht. Wegen dieser leisen, aber zielgenauen Analysen bleibt Reemtsma nach Ansicht des Rezensenten weit über dem Niveau der Diskussionen, die sonst zu dem Thema geführt werden: "Reemtsma ist ein Subversiver im besten Sinne des Wortes. Er unterläuft fortwährend die starren Fronten der Rechthaberei", verbeugt sich der Rezensent vor dem Autor.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.04.2001

An Kantsche Kasuistik sieht sich Susanne Lüdemann mit dem neuen Essayband von Jan Philipp Reemtsma gemahnt. Nur, bei Reemtsma gehe es nicht um Lust und Lüge, sondern um Nationalsozialismus und Judenverfolgung. Reemtsma hat sich der subjektiven Gewissensprüfung und politiktheoretischer Fragen wie der nach der Institutionalisierbarkeit von Menschenrechten und der nach dem Zusammenhang von Weltbürgertum und zivilisatorischem Minimum angenommen, berichtet die Rezensentin. Und er plädiert für ein universalistisches Moralprogramm, dem Lüdemann nicht ganz zu folgen vermag. Sie kritisiert seinen Begriff von einem moralischen Common Sense. Die stärksten Passagen des Bandes sind für sie denn auch eher die weniger abstrakten. Die Ausführungen Reemtsmas über die Kritik an der Wehrmachtsausstellung, über Daniel Goldhagens "willige Vollstrecker" und über die Walser-Debatte lieferten wichtige und stichhaltige Argumente und Differenzierungen zu den einzelnen Diskussionen. Und im Fazit hat Lüdemann trotz der Kritik an einzelnen Aufsätzen Reemtsmas Buch als ein Signal verstanden: Will man miteinander kommunizieren, so muss man überhaupt erst einmal einen gemeinsamen Geschichtsbezug herstellen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2001

Mit großem Respekt vor dem "Großbürger und Gelehrten" sowie vor dem Entführungsopfer Jan Philipp Reemtsma lobt Joachim Käppner dessen neue Aufsatzsammlung als "kluges, lesenswertes, nicht immer leicht zu lesendes Buch". Der "beeindruckende Sammelband" enthält Reden und Aufsätze von der Goldhagen-Debatte über die "Wehrmachtsausstellung" bis zu Kant und Hannah Arendt, wie Käppner schreibt. Zentrum des Buches sei die Frage "Wie hätte ich mich verhalten?". Als Frage der Kriegsgeneration an die Jüngeren impliziere sie eine nachträgliche Rechtfertigung. Der Dialog würde so verweigert. Wer aber die Perspektive der Frage übernehme, überprüfe damit die Moralität seines eigenen Handelns. Reemtsma habe sich im Keller seines Enführers gefragt, wie er sich verhalten hätte, wenn er das Angebot, gegen eine andere Geisel ausgetauscht zu werden, bekommen hätte. "Ein moralisches Urteil setzt keine moralische Überlegenheit seitens des Urteilenden voraus", so sein Fazit. Wohl durch die schmerzhafte Erfahrung der Entführung ist sein Schreiben plastischer und lebensnäher als früher, wie der Rezensent berichtet. Nur das Urteil über das "Geraune" Martin Walsers in der Paulskirche an ein "dummes Wir" falle vernichtend aus.
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