Gaito Gasdanow

Nächtliche Wege

Roman
Cover: Nächtliche Wege
Carl Hanser Verlag, München 2018
ISBN 9783446258112
Gebunden, 288 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Christiane Körner. Tagsüber studiert er, nachts arbeitet der Erzähler als Taxichauffeur. Er verkehrt mit Dieben und Zuhältern, Selbstmördern und Clochards, Verrückten und Alkoholikern. Drei Halbweltdamen haben ihn zu ihrem Vertrauten gemacht: Raldy, die ehemalige Luxusprostituierte, Alice, ihre untreue Schülerin, und Suzanne mit dem Goldzahn. Sie hat den Sprung ins bürgerliche Leben geschafft und hätte mit Fedortschenko fast ihr Glück gefunden. Gasdanow, der im Exil sein Geld als Taxifahrer verdiente, erzählt vom Leben der Emigranten im Paris der dreißiger Jahre, zwischen brennender Nostalgie und einer heillosen Gegenwart.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.07.2018

Werner Bartens freut sich über die Wiederentdeckung von Gaito Gasdanow, der, obwohl als "russischer Camus" bezeichnet, vor allem in Deutschland lange unbekannt blieb, wie der Kritiker informiert. Mit einer hymnischen Besprechung würdigt der Rezensent diesen bereits 1925 im Original erschienenen und nun erstmals ins Deutsche übertragenen Roman, der ihn ins nächtliche Paris der Zwischenkriegszeit entführt. Bartens streift hier mit einem ich-erzählenden Taxifahrer durch Boulevards, Bistros und Bars, begegnet Huren, Ganoven und anderen Nachtgestalten, hört Geschichten von Absturz, Verfall und Scheitern und erkundet mit Gasdanow immer wieder die "Absurdität der menschlichen Existenz". Wie ein "Insektenforscher" erscheint ihm Gasdanow, wenn dieser seine Figuren sachlich und ohne Psychologisierung beobachtet und dabei manche französische Illusion entlarvt. Statt Paris-Klischees und trotz scharfer Analysen einer verfallenden Gesellschaft bekommt der Kritiker in diesem Roman tröstliche und "warmherzige" Impressionen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.07.2018

Der taxifahrende intellektuelle Emigrant - das ist ein Klischee, für das Gaito Gasdanow gewissermaßen einen frühen Prototyp abgibt, meint Jens Jessen, der sichtlich beeindruckt ist von diesen Beobachtungen während der Fahrten durch das nächtliche Paris der Zwischenkriegszeit. Drei Erzählschichten macht Jessen hier aus: Da ist der Taxifahrer, der all die anderen Emigranten, die Nutten, Spinner und Trinker verflucht und beschimpft , da sind die ebendiese nächtlichen Herumtreiber, die dennoch vertrauensvoll Hilfe erwarten von diesem rüden Fahrer, der ein Herz zu haben scheint,das der Leser nicht erkennt. Und dann die brutalen Zurückweisungen ebendieses Fahrers, der nur eins tun kann: zuhören. Jessen lernt hier viel darüber, was das Exil dem Menschen antut.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.07.2018

Unvergesslich findet Dorothee Wahl Gaito Gasdanows Flaschenpost aus dem Leben eines Exilrussen im Paris der zwanziger und dreißiger Jahre. Was der Erzähler als Taxifahrer in den Pariser Nächten erlebt, macht ihr die Existenzangst der kleinen Leute und die Untergangsstimmung in Europa zu jener Zeit spürbar. Wahl taucht ein in die Welt der haltlosen Glückssucher, der Prostituierten und Diebe. Wie auf einer Perlenkette scheinen ihr die Schicksals-Skizzen im Buch aufgereiht und nüchtern und stilistisch brillant erzählt, wie Wahl meint.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.04.2018

Hellsichtig findet Rezensent Andreas Breitenstein, wie Gaito Gasdanow seine Zeit als Nachttaxifahrer im Paris der 20er und 30er Jahre festhält. Das Bestiarium aus Prostituierten, Dieben, Selbstmördern, Clochards und Verrückten, dem der Held im Buch jede Nacht begegnet, versteht der Rezensent als Verschmelzung von Seelen- und Weltgeschichte. Ein Theater der Nacht ganz ohne Zynismus, mit kunstvollen Tempo- und Perspektivwechseln, ein wiederzuentdeckender wichtiger Text des Existenzialismus, so Breitenstein begeistert.