Dieter Grimm

Die Historiker und die Verfassung

Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes
Cover: Die Historiker und die Verfassung
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406784620
Gebunden, 358 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Die Bundesrepublik verdankt ihre insgesamt recht glücklich verlaufene Entwicklung zu einem Gutteil dem Grundgesetz. So konnte man es jedenfalls bei allen Jubiläen des Grundgesetzes immer wieder hören. Liest man die Gesamtdarstellungen der bundesrepublikanischen Geschichte, findet man dieses Urteil jedoch nicht bestätigt. Das Grundgesetz und seine Auslegung und Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht spielen in den Werken der Historiker nur eine verhältnismäßig geringe Rolle. Dieter Grimm zeigt, wo es zur Erklärung und zum Verständnis der Ereignisse, Zustände und Entwicklungen, welche die Historiker schildern, hilfreich gewesen wäre, die Verfassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen. Das Buch stößt damit in eine Leerstelle zwischen den Disziplinen: Die Rechtswissenschaft beschäftigt sich zwar mit den Wirkungen derVerfassung, beschränkt sich aber auf die Wirkungen im Rechtssystem, während die Geschichtswissenschaft vor der Anwendungsebene des Rechts haltmacht, wo sich jedoch erst entscheidet, ob und wie der normative Anspruch der Verfassung eingelöst wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.10.2022

Bereits vor zwanzig Jahren hat sich der Verfassungsrichter Dieter Grimm in einer berühmten Kritik an Hans-Ulrich Wehler daran gestört, dass die Urteile des Verfassungsgerichts so selten Eingang finden in die Geschichtswerke der Bundesrepublik, ruft Rezensent René Schlott in Erinnerung. Dass Grimm nun seinen damaligen Impuls zu einem eigenständigen Werk ausgearbeitet hat, beeindruckt Schlott. Grimm kann dem Rezensenten zeigen, dass das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle bei der Liberalisierung der Bundesrepublik spielte und dass diese Rolle in kaum einem Geschichtsbuch angemessen berücksichtigt wurde. Dass Grimm zudem ein "Meister kurzer und pointierter Sätze" sei, macht diesen Band für den Rezensenten umso lesenswerter, als Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes findet er ihn hervorragend.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2022

Rezensent Reinhard Müller liest Dieter Grimms Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes mit Interesse. Was Grimm an den Gesamtdarstellungen der Geschichte der BRD auszusetzen hat, findet Müller lesenswert, wenngleich stilistisch eher hölzern. Grimms Strenge des Urteils, wenn es darum geht, den Darstellungen eine gewisse Blindheit gegenüber der Verfassung und der Verfassungsrechtsprechung vorzuwerfen, erstaunt Müller mitunter, den Appell des Autors an Historiker wie Juristen, über den eigenen Tellerrand zu schauen, findet er jedoch hörenswert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.10.2022

Für scharfsinnig und richtungsweisend hält Rezensent Tristan Wissgott diese Intervention des früheren Verfassungsrichters Dieter Grimm, der damit ebenso auf die Geschichts- wie auf die Rechtswissenschaft zielt. Grimm beklagt eine Vernachlässigung der Rechtsprechung in der deutschen Geschichtsschreibung, wie der Rezensent erklärt, dem Grimm mit Verweis auf wegweisende Urteile belegen kann, dass das Verfassungsgericht nicht nur gesellschaftliche Veränderungen mit- oder nachvollzogen hat, sondern auch angestoßen und vorgegeben. Historiker würden diese Entscheidungen, sofern sie sie überhaupt beachten, oft als strikt logische Folge einer Verfassungsauslegung hinnehmen, statt ihre Einbindung in den zeitgeschichtlichen politischen Kontext zu überprüfen. Grimm nimmt aber auch die juristische Zunft in die Pflicht, wie Wissgott mit Genugtuung bemerkt: Den "constitutional turn" müssten Grimm zufolge die Historiker vollziehen, aber auch die Juristen müssten lernen, dass sich in Gerichtsentscheidungen auch politische und soziale Ansichten ihrer Zeit ausdrücken.
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