Deborah Vietor-Engländer

Alfred Kerr

Die Biografie
Cover: Alfred Kerr
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016
ISBN 9783498070663
Gebunden, 720 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Alfred Kerr ist uns in Erinnerung als der einflussreichste Theaterkritiker Deutschlands im 20. Jahrhundert. Er rühmte Henrik Ibsen als den Ahnherrn der Moderne, kämpfte für Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind, George Bernard Shaw, entdeckte Robert Musil, stritt gegen den Talmiruhm Hermann Sudermanns, kämpfte mit Bertolt Brecht, verspottete Karl Kraus und setzte gegen Thomas Manns endlose Sätze seine knappen, treffenden, die deutsche Sprache präzisierenden Sentenzen. Er war um 1910 verehrt von den jungen Dichtern, kämpfte in der Republik gegen Rückwärtserei und die Nazis. Goebbels hasste ihn so sehr, dass Kerr sich 1933 ins Exil retten musste. Die Jahre in Paris und London waren ein Sturz in Not und Elend.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.03.2017

Ausführlich und wohlwollend stellt Bernd Noack Deborah Vietor-Engländer und ihre Biografie des berühmt-berüchtigten Theaterkritikers Alfred Kerr vor, ohne das Buch zu bewerten. Er hat die Autorin getroffen und belässt es beim Erzählen hübsch böser Anekdoten. Deutlich macht er, dass die Autorin bei Kerr großen Wert auf die Unterscheidung der öffentlichen und der privaten Person legt. Denn als Kritiker sei Kerr vielleicht gnadenlos gewesen, wenn er Schauspiel- und Regiekarrieren beendete, seine Gegner beschimpfte oder in der unerbittlichen Fehde Karl Kraus als "aufgeblähten Jammerzwerg" titulierte; als Familienvater jedoch sei er absolut liebenswert und über jeden Zweifel erhaben gewesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.01.2017

Rezensent Harro Zimmermann hält mit Deborah Vietor-Engländers Arbeit eine in jeder Hinsicht überzeugende Biografie in Händen. Lang erwartet, besticht der Band für Zimmermann durch Inspiriertheit und Gründlichkeit wie auch durch die Zuneigung und den Respekt der Autorin für ihren Protagonisten. Dass Vietor-Engländer es überdies an Belegen und Argumenten für ihre Begeisterung nicht mangeln lässt, ist für Zimmermann mindestens ebenso entscheidend. Lebens-, Zeitumstände und Werk kommen in den Blick, meint er, und zeigen Kerr als Sprachmagier, Literatur- und Theatermaniac, mutigen Pamphletisten und Antifaschisten und romantischen Aufklärer. Dass sich die Autorin bei ihrer Arbeit von Kerrs "Sprachmusik" hat inspirieren lassen, gefällt dem Rezensenten gut. So wird der Band für ihn zum Muster für die wechselseitige Durchdringung von Persönlichkeit und Stil, Werk und Zeit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2016

Mit Vergnügen und vielleicht auch mit Wehmut hat Rezensent Christopher Schmidt dieses Biografie des Theaterkritikers Alfred Kerr gelesen. Das waren noch Zeiten, als die Presse brummte und Theater, Kunst überhaupt, in einem Maße wichtig genommen wurde, wie man sich das heute kaum noch vorstellen kann, als die Kritik sich zu einer Kunstform mauserte, erbitterte Fehden (hier mit Karl Kraus) und Deutungsschlachten auslöste. Kerr, so Schmidt, war ein Meister seiner Zunft, ein "Pointillist der Pointe", unverschämt frech und neu, weil er nicht akademisch, sondern subjektiv und spontan urteilte. Man könnte ihn nach Schmidts Beschreibung fast für einen frühen Blogger halten - auf dem Höhepunkt seiner Karriere wurde er Herausgeber einer eigenen Zeitschrift, in der fast nur er schrieb. Der Bruch kam mit der Machtergreifung der Nazis, die ihn und seine Familie ins Exil zwang. Für einen Autor, dessen Werkzeug die Sprache ist, fatal. Schade, dass Schmidt so gar nichts zum Buch sagt. Man muss hoffen, dass seine beschwingte  Nacherzählung von Deborah Vietor-Engländers Biografie inspiriert war.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 08.10.2016

Dass Deborah Vietor-Engländer, die bereits an der Werkausgabe beteiligt war, nun auch den Versuch einer ersten umfassenden Biografie Alfred Kerrs wagt, findet Rezensent Erhard Schütz immerhin verdienstvoll. Allerdings fügt der Kritiker gleich hinzu, dass die Autorin derart viel Akribie walten lässt, dass sich vermutlich nicht einmal Kerr persönlich für all das interessiert hätte, was hier über ihn zu erfahren ist. Das schmälert das Interesse des Rezensenten am aufregenden deutsch-jüdischen Leben des Theaterkritikers zwar keineswegs; sein Lesevergnügen bleibt bei all den erschöpfenden Inhaltsangaben und zeitgeschichtlichen Hintergrundinformationen, vor allem aber durch Vietor-Engländers "betagte Betulichkeit" und "gouvernantenhafte Gängelung" auf der Strecke.