David Albahari

Heute ist Mittwoch

Roman
Cover: Heute ist Mittwoch
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2020
ISBN 9783895614293
Gebunden, 208 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann. "Heute ist Mittwoch" - der Tag, an dem ein Mann seinen älteren, an Parkinson erkrankten Vater zu Untersuchungen begleiten muss. Auf einem ihrer Spaziergänge am Donaukai des Belgrader Vororts Zemun entlang erblickt der bis dahin schweigsame Vater einen Mann, der in ihm böse Erinnerungen weckt, und beginnt aus seinem Leben zu erzählen. Einst gefürchteter Parteiaktivist und Geheimdienstmitarbeiter, hat er Menschen brutal und ohne Skrupel schikaniert. Als sich eines seiner Opfer rächt und ihn als Stalinisten anzeigt, verbannt man ihn in das berüchtigte Arbeitslager auf Goli otok in der Adria. Dass er so seinerseits zum Opfer wird, hält ihn später nicht davon ab, seine Familie zu tyrannisieren. Erst die Krankheit macht aus ihm ein Häufchen Elend.
Während er den großspurigen Geschichten seines Vaters lauscht, muss der Sohn entscheiden, wie viel Glauben er ihm schenken kann, ob die Krankheit und das Erlittene ihn von seiner Schuld freisprechen oder nicht."Heute ist Mittwoch" ist der bisher vielleicht politischste Roman Albaharis über die Missetaten des kommunistischen Regimes gegenüber der Bevölkerung und die lange verschwiegenen grausamen Praktiken, die nach 1948 auf der "nackten Insel" herrschten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.04.2020

Als ein Beispiel für viele liest Rezensent Tilman Spreckelsen David Albaharis Roman über ein Vater-Sohn-Verhältnis und die Abgründe, die die Demenz des Vaters aufreißt hin zu politischer Gewalt, Schuld und Sühne in Titos Jugoslawien. Einerseits ein "anrührendes Porträt" Einzelner, andererseits ein Lehrstück über Erinnerung, Lüge und Wahrheit, Täter- und Opferschaft, ist das Buch für Spreckelsen von allgemeiner Gültigkeit. Die Handlung aus "langen Spaziergängen" und Gesprächen an der Donau interpretiert Spreckelsen als immer neuen Anlauf zu einem Schuldgeständnis.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2020

Rezensent Andreas Breitenstein liest in David Albaharis Versuch, die Geschichte seiner Heimat Jugoslawien mit der eines Parkinson-Leidens zu verbinden als großes Werk des Trostes. Mit "radikaler Offenheit", Genauigkeit, Witz und Würze, erklärt Breitenstein, lässt der Autor seinen Erzähler dem an Parkinson erkrankten Vater hinter die Kulissen schauen, wo sich die der "Skandal seines Lebens", eine ungeheure Kriegsschuld, verbirgt. Was der Rezensent nicht für möglich gehalten hatte, Parkinson als Literatur, Albahari macht's möglich.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.03.2020

Rezensent Terry Albrecht beschreibt zunächst die Konstellation dieses Romans. Es ist eine Vater-Sohn-Beziehung - zwischen einem inzwischen gebrechlichen Vater, der Täter und Opfer gewesen ist, und seinem ihn pflegenden und zunehmend entsetzten Sohn, der ihm seine brutale Geschichte zu erzählen abfordert. Der Kritiker zitiert ausführlich und befindet, sehr deutlich gemacht würden hier die seelischen Spuren von Gewalterfahrung. Der Roman sei als "stream-of-consciousness" geschrieben und bleibe größtenteils in einer monologischen Struktur aus der Sicht des Sohnes. Albrecht findet "meisterhaft" und "beklemmend", wie es dem Autor gelingt, den selten beleuchteten historischen Hintergrund der grausamen Frühgeschichte Jugoslawiens nach 1945 zu verweben mit psychologisch fein gesponnenen Familienbeziehungen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.02.2020

Wie eine fragwürdige Figur Übersetzer, Autor und Erzähler gleichermaßen aus dem Konzept bringen kann, das zeigt David Albahari in seinem Roman "Heute ist Mittwoch", so Rezensent Tobias Lehmkuhl. Hauptprotagonisten sind ein junger Mann und dessen ambivalent gezeichneter Vater, der früher als Mitglied der Geheimpolizei Jugoslawiens allerlei Gräueltaten verübt hat. Um diese Taten wissend schwankt der Erzähler zwischen Ablehnung und familiärer Zuneigung seinem inzwischen alten und kranken Vater gegenüber. Klingt nach einem klassischen Vater-Sohn-Konflikt - nur leider, bedauert Lehmkuhl, hat sich die Unsicherheit des Erzählers auf die gesamte Struktur des Romans und sogar auf die Übersetzung übertragen. Der Text "eiert" und ist voller Wiederholungen, bedauert der Rezensent. Insgesamt ein schwacher Roman, resümiert er enttäuscht.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 07.02.2020

Rezensent Carsten Hueck muss auf Erlösung verzichten in David Albaharis Buch über eine Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien, über ihre Geschichte und ihre weiter wirksamen Abgründe. Als Kommentar zu Geschichte, Politik, Liebe und Verrat erscheint ihm das Buch weise wie geschickt in der sprachlich präzisen Offenlegung der Verbindung von Tragik und Groteske. Wie sehr der Sohn im Text hin- und hergerissen ist zwischen Verachtung und Wunsch nach Nähe zum Vater, der zum Handlanger der kommunistischen Gewalt im Land wurde, kann ihm der Autor "kunstvoll und gnadenlos" zeigen, ebenso die Verquickung von Familien- und Landesgeschichte.