Daniel Kehlmann

Tyll

Roman
Cover: Tyll
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017
ISBN 9783498035679
Gebunden, 480 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Tyll Ulenspiegel - Vagant und Schausteller, Entertainer und Provokateur - wird zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einem Dorf geboren, in dem sein Vater, ein Müller, als Magier und Welterforscher schon bald mit der Kirche in Konflikt gerät. Tyll muss fliehen, die Bäckerstochter Nele begleitet ihn. Auf seinen Wegen durch das vom Dreißigjährigen Krieg verheerte Land begegnen sie vielen kleinen Leuten und einigen der sogenannten Großen: dem jungen Gelehrten und Schriftsteller Martin von Wolkenstein, der für sein Leben gern den Krieg kennenlernen möchte, dem melancholischen Henker Tilman und Pirmin, dem Jongleur, dem sprechenden Esel Origines, dem exilierten Königspaar Elizabeth und Friedrich von Böhmen, deren Ungeschick den Krieg einst ausgelöst hat, dem Arzt Paul Fleming, der den absonderlichen Plan verfolgt, Gedichte auf Deutsch zu schreiben, und nicht zuletzt dem fanatischen Jesuiten Tesimond und dem Weltweisen Athanasius Kircher, dessen größtes Geheimnis darin besteht, dass er seine aufsehenerregenden Versuchsergebnisse erschwindelt und erfunden hat. Ihre Schicksale verbinden sich zu einem Zeitgewebe, zum Epos vom Dreißigjährigen Krieg. Und um wen sollte es sich entfalten, wenn nicht um Tyll, jenen rätselhaften Gaukler, der eines Tages beschlossen hat, niemals zu sterben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.11.2017

"Literaturliteratur" nennt Rezensent Dirk Knipphals Daniel Kehlmanns neuen Roman und meint das absolut anerkennend, ohne Hintergedanken, denn mit diesem Buch, indem mehr als ein Geschichts- und Künstlerroman steckt, treibt Kehlmann dem Leser alle Bedenken an seinem mitunter kühl "überbrillianten" Scheiben aus. Brilliant bleibt er aber, in gerade dem rechten Maß, freut sich Knipphals, zum Beispiel, wenn er Till Eulenspiegel, Vorbild seiner Figur "Tyll" in die Zeit kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg versetzt, wenn er dessen Lebensgeschichte im ersten Teil des Buches erzählt, damit Erwartungen weckt, dann jedoch einen genialischen Schwenk wagt, den König Friedrich V., bei dem Tyll als Hofnarr angestellt ist, ins Visier nimmt, sein Erzählen in dem Zusammenhang episodisch wird, wobei einige Episoden zwar ein wenig zu stark ihre literarischen Leitbilder offenbaren, der Großteil jedoch erstaunlich ist: erstaunlich spannend, erstaunlich anschaulich und erstaunlich tiefgängig, tiefgängig bis zum Kern der Kunst, dem, wie Kehlmann in seinem Roman den Leser herausarbeiten, ja er-denken lässt, immer etwas brutales, "traumatisches" anhaftet, denn auch die Kunst ist durch die Geschichte gegangen oder nebenher? Und Geschichte wird von denen gemacht, die einmal überlebt haben, so der hingerissene und nachdenkliche Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.10.2017

Rezensent Roman Bucheli überschlägt sich vor Lob für Daniel Kehlmanns Erzählkunst, die ihm in diesem neuen Buch auf ihrer Höhe scheint. Meisterlich sind für ihn die Unerschöpflichkeit des Stoffes, die historische Tiefe sowie die Aktualität des Textes und natürlich Kehlmanns erzählerische Leichtigkeit, die laut Bucheli an nur wenigen Stellen die Mühe durchschimmern lässt, die hinter dem Unternehmen tatsächlich steckt. Komplex komponiert, soghaft und witzig ist der Roman für Bucheli viel mehr als Historienmalerei: die Neuerfindung des historischen Romans aus Kunst und Kenntnis, Kino und Dichtung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2017

Weder einen historischen Roman noch ein Buch über Till Eulenspiegel möchte Christoph Bartmann in Daniel Kehlmanns neuem Text erkennen. Dass er ihn für Kehlmanns bestes Buch seit langem hält, liegt daran, dass der Autor hier ein Panorama des Dreißigjährigen Krieges zeichnet, mit magischem Realismus, figurenreich, sprachmächtig, sachkundig, farbig, packend. Über Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz erfährt Bartmann mehr als über Eulenspiegel. Aktualisierende Lektionen aber soll der Leser nicht erwarten, rät der Rezensent. Der sprachliche, kulturelle Fundus des Vergangenen interessiert den Autor mehr, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2017

Rezensent Tilman Spreckelsen hält den neuen Roman von Daniel Kehlmann für den besten des Autors. Wie Kehlmann anhand von gegen den Strich gelesenen Quellen wie Volksbüchern und mittels Personen der Zeit (hier: der des Dreißigjährigen Krieges) Geschichte polyperspektivisch und ohne viel Sinn für Chronologie lebendig werden lässt, scheint ihm geradezu als eine Erneuerung des historischen Romans. Kehlmanns Faible fürs Unheimliche schlägt dabei laut Spreckelsen durch. Ein großer Roman übers Erinnern, Vergessen und Erzählen, meint der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.10.2017

Laut Richard Kämmerlings kehrt Daniel Kehlmann mit seinem neuen Buch zum historischen Roman zurück, und zwar triumphal. Kehlmanns Erzählkunst leuchtet wiederum verblüffend, versichert der Rezensent, als Schein und Tanz auf dem Seil, als scheinbar heitere Geschichte um ein verborgenes Trauma. Wie der Autor seinen Tyll Ulenspiegel als Apotheose der leichten Muse inthroniert, lässt Kämmerlings schmunzeln, weil der Autor seinen Verächtern hier womöglich eine lange Nase dreht. Die Kunstfertigkeit, mit der Kehlmann die Figur mit der Epoche des Dreißigjährigen Krieges verlinkt, scheint dem Rezensenten über alle Zweifel erhaben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.10.2017

Hymnisch bespricht Rezensent Jens Jessen diesen Roman, für den Daniel Kehlmann die Figur des Till Eugenspiegel kurzerhand in den Dreißigjährigen Krieg versetzt hat. Kluger Schachzug, meint der Kritiker, denn der zynische Spötter passt bestens in jene Zeit der europäischen Glaubenskriege, in denen Arglosigkeit und Aberglauben der Dorfbewohner ausgenutzt wurde. Mehr noch: Wie Kehlmann den Roman in "verrätselten Strukturen" angelegt hat, überhaupt postmoderne Spielereien a la Umberto Eco einflicht und herrlich frivol mit den "Kuriosa aus der kulturgeschichtlichen Grabbelkiste" hantiert, ist für Jessen ein großes Vergnügen. Zugleich lässt der Autor immer wieder die Grausamkeiten jener Epoche durchscheinen, verrät der Rezensent, der eine solch eindringliche Verlebendigung des Dreißigjährigen Krieges bisher nur in Alfred Döblins Roman "Wallenstein" gelesen hat.