Andrej Bitow

Geschmack

Novelle
Cover: Geschmack
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518416419
Broschiert, 80 Seiten, 14,80 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Rosemarie Tietze. Der Bauingenieur Alexej Monachow, ein melancholischer Durchschnittsbürger, sitzt im Zug von Leningrad nach Moskau. Das Pulsieren der Landschaft vor dem Fenster, das Gefühl, daß sein Leben nichts Neues mehr bringen wird, Neues schlechthin niemals sein wird, plötzliche Eingebungen, aufblitzende Ahnungen, gleich wieder fortgerissen wie Treibgut im Bewußtseinsstrom - so jagt der arme Held durch die wenigen Tage, die wir mit ihm erleben: in der Datschengegend Peredelkino, am Grab Pasternaks, bei der Beerdigung einer alten Verwandten

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.11.2005

Thomas Grob fragt sich in seiner Besprechung zweier Bücher von Andrej Bitow, ob das Werk dieses "postmodernen Melacholikers" nicht vor allem "Ausdruck sowjetischer Befindlichkeit" ist, das mittlerweile seine "Sprengkraft" verloren hat, aber nichtsdestotrotz zum "Allerbesten" dieser vergangenen Ära zählt. Seine Novelle "Geschmack" ist keineswegs 1996 entstanden, wie die deutsche Ausgabe glauben machen wolle, sondern zwischen 1970 und 1983, weiß der Rezensent, der es für kennzeichnend für das literarische Schaffen Bitows hält, dass er seine Texte über lange Perioden fort- oder umgeschrieben hat. In "Geschmack" geht es um einen Mann, der sich aus Lebensüberdruss in die Provinzstadt Peredelkino zurückzieht und sich dort seinen Erinnerungen und Reflexionen und vor allem von Pasternak bestimmten "literarischen Reminiszenzen" hingibt, erklärt der Rezensent. Deutlich wird, wie konsequent sich der georgische Autor dem verordneten sozialistischen Realismus genauso entzieht wie dem "Pathos" und stattdessen einen Protagonisten darstellt, den die "Welt gleichsam durchzieht", stellt Grob fest.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.2004

Bei der vorliegende Novelle handelt es sich eigentlich um das Finale des Romans "Die Rolle", das der Suhrkamp Verlag nun ein Vierteljahrhundert später als eigenständiges Buch herausgegeben hat, informiert Kerstin Holm und bedauert, dass nur wenige deutsche Leser den Hauptteil zu diesem Text von Andrej Bitow kennen werden. Den Schluss zu dieser Geschichte einer "schicksalslosen Intellektuellenexistenz" nämlich findet die Rezensentin immer noch sehr aktuell und offenbar ganz nach dem Geschmack jener, die den Autor als russischen Joyce bezeichnet haben. Sprachmusikalisch-psychologisierend jedenfalls geht es laut Holm auch hier zu. Ein Kunstgenuss, für den die Rezensentin nicht zuletzt der Übersetzerin Rosemarie Tietze dankbar ist.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.10.2004

Über die Bedeutung Andrej Bitows lässt sich nach Ansicht Christoph Kellers nicht groß diskutieren: Für ihn ist der Autor schlicht "Russlands bester Stilist". Dies bestätigt sich für ihn auch in der Novelle "Geschmack", der letzten von vier Episoden um den Bauingenieur Monachow, die auf Russisch schon 1976 als Roman erschienen sind. In dieser letzten Episode gehe es "handfest um den Tod" und um die Vergänglichkeit des Menschen. Das Buch wurde "kongenial" ins Deutsche übertragen, lobt Keller die Übersetzerin Rosemarie Tietze. Bedauerlich sei allein, dass man darauf verzichtet habe, den Roman im Ganzen auf Deutsch herauszubringen, wie dies in Russland geschehen sei. Das Fazit des Rezensenten zum Werk Bitows selbst fällt dementsprechend überschwänglich aus: "Prosa vom Feinsten, leise Einsichten, die wir benötigen, Bücher eines raren Meisters."