Walter Schübler

"Komtess Mizzi"

Eine Chronik aus dem Wien um 1900
Cover: "Komtess Mizzi"
Wallstein Verlag, Göttingen 2020
ISBN 9783835336247
Gebunden, 236 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Ein "Sittenbild" aus dem Wien des Fin de Siècle - restauriert von Walter Schübler.  Am 28. April 1908 werden Marcell "Graf" Veith und seine 18-jährige Tochter Marie festgenommen. Er wird der Kuppelei, sie der Geheimprostitution beschuldigt. Sie ertränkt sich noch am selben Tag in der Donau, er wird vor Gericht gestellt. Der "Skandal-Prozess" erregt weit über Wien hinaus Aufsehen. Umso mehr, als hohe Polizeibeamte, die Chefs des Sittenamts und des Sicherheitsbüros, im Tagebuch und in den Kassabüchern Maries als Kunden genannt werden. Kurz nach Verbüßung seiner Haftstrafe veröffentlicht Veith in einem Krawallblatt die Kundenliste: 205 "Cavaliere", allesamt aus den besseren und besten Wiener Kreisen. Aus einer Unmenge zeitgenössischer Quellen und Dokumente - darunter der tausendseitige Gerichtsakt mit dutzenden Zeugenaussagen von Fiakerkutschern, Hausmeistern, Nachtportieren, Kellnern, Dienst-, Stuben- und Blumenmädchen, Bordellwirtinnen und Prostituierten - rekonstruiert Walter Schübler aus nächster Nähe den beklemmenden Fall der Marie Veith.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.08.2020

Walter Schübler hat anhand des historischen Falls der Prostituierten Komtess Mizzi, deren Körper und Gesellschaft von ihrem Vater an etliche Kunden aus höchsten Kreisen verkauft wurde, ein Sittenbild Wiens um 1900 gezeichnet, lobt Rezensent Oliver Pfohlmann. Höchst aufschlussreich findet er, dass die Behörden, die mit Sicherheit von dem stadtbekannten Vater-Tochter-Gespann wussten, erst eingriffen, als eine anonyme Anzeige sie dazu zwang. Auch die Prozessakten zeigen dem Kritiker zufolge, dass Sittenamt und Sicherheitsbüro eigentlich gar nicht einschreiten wollten, sondern im Gegenteil vermutlich selbst Kunden der Gräfin beschäftigten. Der Rezensent hätte sich hier dennoch eine stärkere Kürzung gewünscht, weil sich so viele Aussagen wiederholen. Außerdem hätte er lieber mehr aus Mizzis Tagebuch gelesen statt ihren Obduktionsbericht en detail kennenzulernen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.05.2020

Rezensent Helmut Mayer stellt Walter Schüblers Darstellung des Falls Mizzi ins Regal zur Wiener Moderne. Da steht es gut, nachdem der Rezensent von Schübler urteilsfrei über mögliche Abläufe und Motive der von Karl Kraus im "Prozess Veith" verhandelten wahren Geschichte um den Offizier Veith und seine von ihm zur "Unzucht" angehaltene Stieftochter Marie (Mizzi) informiert wurde. Schüblers Chronik überzeugt Mayer durch die schiere Materialfülle und die zurückhaltende Art des Autors, der nichts zu interpretieren oder zu literarisieren versucht. Wie Kraus den Fall angeht, wie sich seine Fassung von den amtlichen und medialen Dokumenten unterscheidet, vermag Mayer nach der Lektüre nun besser zu beurteilen.
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