Amitav Ghosh

Der Glaspalast

Roman
Cover: Der Glaspalast
Karl Blessing Verlag, München 2001
ISBN 9783896671202
Gebunden, 608 Seiten, 25,05 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Margarete Längsfeld und Sabine Maier-Längsfeld. Birma 1885. Der zwölfjährige Rajkumar, ein indischer Waisenjunge, arbeitet in Mandalay in einer Garküche, als die Engländer einmarschieren. Mit einem Strom von Plünderern wird er in den mächtigen Glaspalast gespült. Wie im Traum wandert er durch die mit Kostbarkeiten angefüllten Räume, bis er schließlich auf Dolly trifft, ein Mädchen aus dem Gefolge der Königin, das ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Dolly und Rajkumar begegnen sich wieder in Ratnagiri, dem indischen Exil der birmesischen Königsfamilie, und eine verschlungene Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang. Mit Dollys und Rajkumars Söhnen geht Ghoshs weit verzweigte Familiensaga in die nächste Generation und wird im beginnenden 20. Jahrhundert immer stärker geprägt durch die brisante politische Entwicklung des indischen Subkontinents.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.08.2001

Claudia Wenner legt eine sehr angeregte, wenn auch am Ende nicht hundertprozentig positive Kritik des neuen Romans von Amitav Ghosh vor. Mit großer Bewunderung schildert die Rezensentin zunächst, welchen Aufwand an Recherche der ehemalige Anthropologe an der New Yorker Columbia Universität getrieben hat, um die in Westeuropa kaum bekannten historischen Verwerfungen zu schildern, die den Hintergrund seines Romans bilden: Jahrelang ist er durch Burma, Malaysia und Indien gereist, um das Schicksal der Exilinder unter der Kolonisation Großbritanniens und im Zweiten Weltkrieg, aber auch die Geschichte der Teakholzindustrie und den Einsatz von Arbeitselefanten zu studieren. Und dann, so schildert es Wenner voller Respekt, schafft es Ghosh auch noch, diese komplexen historischen Geschehnisse in eine stringent erzählte Romanhandlung zu spannen, ohne die Romanfiguren zu Sprachrohren werden zu lassen. Ein Roman der Kritik an der Kolonialisierung aber auch der Selbstkritik an den Kolonisierten sei das. Nur eines stört Wenner am Ende: nämlich gerade die Glätte der Erzählung, die den Leser allzu leicht über die historischen Brüche hinwegtrage. Dem Engagement ihrer Kritik merkt man allerdings auch an, dass sie diesen Fehler letztlich verzeihlich findet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.04.2001

Sehnsucht nach einer Literatur der Gedanken und Gefühle und der inneren Wahrheit hat die Rezensentin nach der Lektüre des Romans von Amitav Ghosh. Ein wenig zu aufgesetzt kosmopolitisch geht es ihr zu in diesem Buch, zu blass erscheinen ihr die Figuren, zu platt kommt ihr vor, was diese zu sagen haben. Dabei beginnt Renate Schostack ihre Besprechung mit einem Lob: Wie der Autor die Geschichte Hinterindiens und Bengalens "in einen epischen Strom verwandelt, der den Leser sanft, doch nicht ohne Spannung mit sich trägt" - das sei schlicht bewundernswert. Irgendwann aber muss die Unmenge der für die Historie bürgenden Fakten und Namen die Rezensentin dann einfach erschlagen, muss sie in den Figuren nichts als Pappkameraden gesehen haben, "denen Attribute umgehängt werden" - muss sie den "internationalen Großschriftsteller" schließlich satt gehabt haben.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2001

In einer Doppelrezension bespricht Gabriele Venzky zwei Bücher indischstämmiger Autoren
1.) Amitav Ghosh: "Der Glaspalast" (Karl Blessing)
"Eine faszinierende Familiensaga", die sich über vier Generationen erstreckt, ist dieses Buch nach Ansicht der Rezensentin - gleichzeitig sieht sie hier die Geschichte gleich mehrerer asiatischer Länder eingefangen und damit verbundene Themen wie Krieg, Vertreibung, Exil und vor allem die Bedeutung von Freiheit. Ghosh ist für Venzky "ein großer Fabulierer, ein Meister seiner Sprache", doch gerade dieses bisweilen altmodisch erscheinende und komplizierte Angloindisch wird ihrer Ansicht nach bei der deutschen Ausgabe des Buchs zum Problem. Venzky kann sich anlässlich der - wie sie meint - völlig missratenen Übersetzung durch Margarete Längsfeld und Sabine Maier-Längsfeld kaum noch beruhigen, so zahllos sind ihrer Ansicht nach deren Fehler und Ungenauigkeiten bzw. das mangelnde Wissen über asiatische Geschichte und Kultur. Mit einer Liste der gröbsten Fehler, die sich "endlos fortsetzen" lasse, untermauert die Rezensentin ihre Empörung, die nicht nur den Übersetzerinnen gilt, sondern auch der "schlampigen Redaktion".
2.) Pankaj Mishra: "Benares oder Eine Erziehung des Herzens" (Karl Blessing)
Einleitend merkt Venzky ein, dass hier - im Gegensatz zu Ghoshs "Der Glaspalast" - zumindest die Übersetzung von Barbara Schaden nicht zu Wünschen übrig lässt. Dies sei deshalb von besonders großer Bedeutung, da ihrer Diagnose nach das Buch weniger von der Handlung lebt als vielmehr vom Atmosphärischen. Insgesamt wird Venzky bei diesem Roman den Eindruck nicht ganz los, dass es dem Autor beim Verfassen dieses Buchs vor allem um einen kommerziellen Erfolg gegangen ist, zumal indische Literatur derzeit im englischsprachigen Ausland besonders populär sei. Also hat Mishra, wie die Rezensentin unterstellt, in seinem Buch genau die "Mixtur" geschrieben, die dort Erfolg verspricht: die konfliktreiche Begegnung von traditionellen Indern mit westlichen Aussteigern und ihrer Suche nach dem Sinn des Lebens bis hin zu einer Liebesaffäre eines Inders mit einer Französin. Doch was schon beinahe wie ein Totalverriss klingt, wird schließlich von Venzky noch stark relativiert. Sie lobt den Autor als einen wirklich guten Schriftsteller, dessen Buch für sie eine echte "Entdeckung" sei.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2001

Fünf Jahre Recherche hat der bengalische Autor für seinen Roman betrieben, berichtet Dorothee Wenner, ein Aufwand, der sich ihrer Meinung nach bei dem zwar konventionell und episch breit angelegten, aber zeitgeschichtlich hochspannenden Roman positiv niederschlägt. Eine generationenübergreifende Familiensaga aus Birma, ein Land, das auch heute noch völlig isoliert lebt und über dessen Geschichte wir folglich wenig wissen. Indirekt habe der Autor die Lebensgeschichte seines Vaters rekonstruiert, teilt Wenner mit, der auf Seiten der britisch-indischen Armee gegen den drohenden Faschismus gekämpft habe. Eine keineswegs so klare Entscheidung für den Kolonialherrn, sagt Wenner; dagegen stand das Versprechen der Japaner auf eine spätere Unabhängigkeit Birmas. Dieser Konflikt werde im Roman am Beispiel eines Brüderpaars abgehandelt. Gosh ist in seiner Heimat ein Erfolgsautor, schreibt Wenner und lobt "Das Glashaus" als ein richtiges Geschichtsbuch - also eines, aus dem man lernen könne, ohne dass man dem Autor "pädagogische Absichten" anmerke.