Joyce Carol Oates

Hudson River

Roman
Cover: Hudson River
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783100540119
Gebunden, 608 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. In Salthill-on-Hudson fährt man in großen Limousinen nach Manhattan und züchtet Orchideen. Alle fühlen sich jünger als sie eigentlich sind. Der plötzliche Tod des charismatischen Bildhauers Adam Berendt erfüllt das Städtchen mit ungläubigem Entsetzen und stellt die vermeintliche Idylle auf den Kopf. Windige Affären nehmen ihren Lauf, Lebensgeschichten geraten aus dem Ruder - ein rasantes Karusell schillernder Figuren und Schicksale.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.07.2003

Als "Eheroman" ohne Tragik, also das "Gegenteil von einem Abenteuerroman" bezeichnet Hannelore Schlaffer dieses Buch. Im Leben der reichen Protagonisten, deren midlife-crisis darin besteht, dass ihre "Vergnügungen so monoton geworden" sind, passiert eben auch nichts Spektakuläres, außer den üblichen "Szenen einer Ehe", wie man sie aus Film und Fernsehen zur Genüge kennt, so die Rezensentin. Offenbar ist es aber das, was die Leser von der Bestsellerautorin erwarten, meint Schlaffer, denn die sei "Psychologin genug", um diese Gewohnheiten nicht zu stören. Davon abgesehen hält die Rezensentin die Gesellschaftskritik dieses Romans für bereits "abgestorben" und die verwendeten Metaphern für misslungen. Interessanter wäre es, die Hintergründe und Folgen des Reichtums der Protagonisten zu beleuchten, was Schlaffer im Buch jedoch vermisst.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.06.2003

Für Meike Fessmann geht es in "Hudson River" um nichts geringeres als die Frage nach dem richtigen, dem guten Leben. Damit, stellt die Rezensentin fest, stützt sich Oates auf Platons Apologie des Sokrates Der Badeunfall des Bildhauers Adam Berendt bringt das beschauliche Idylle der reichen Kleinstadt Salthill-on-Hudson durcheinander, erzählt Fessmann: Der Roman "zoomt" in die Fassungslosigkeit der Protagonisten hinein und schickt sie auf den Weg der Selbsterkenntnis. Sie rekapitulieren ihre Ehen und Affären, einige entwerfen ihr Leben ganz neu. Für die Rezensentin ist der Roman trotzdem mehr als nur banale Beziehungsplauderei: "Mit erstaunlicher Leichtigkeit" verarbeite die Autorin große und starke Begriffe wie "Wildnis und Zivilisation, Abenteuer und Sesshaftigkeit", ohne sie explizit zu verwenden. "Hudson River" erinnert Fessmann an "Ehepaare" von Updike, allerdings haben die Personen bei Oates "Sehnsucht nach Transzendenz".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.06.2003

Der Tod eines einäugigen Bildhauers wirbelt das Leben gutsituierter Kleinstädter durcheinander. Dies ist die Handlung des neuen, "voluminösen Romans" von Joyce Carol Oates, der die Rezensentin Sabine Doering durchweg begeistert hat. Die "Spielregeln der feinen Gesellschaft" entlarve Oates "mit satirischer Schärfe". Dabei liest sich der Roman "amüsant und unterhaltsam", meint Doering. An Einfällen, teilweise mit "makabrer Pointe", mangele es der Autorin ebenfalls nicht: Die braven Bürger, die den Bildhauer als unkonventionellen Außenseiter bewundern, entwickeln plötzlich "heftige Leidenschaften", verlassen ihre Ehepartner, züchten Orchideen oder werden von Hunden zerfleischt. Doch letztlich erweise sich die kollektive Bewunderung für den "großen Ausnahmemenschen" als Täuschung. Ein Wermutstropfen ist für Doering die schlechte Übersetzung, die "die flüssige Sprache des Originals mit der stilistischen Schwerfälligkeit von Schulaufsätzen wiedergibt".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.05.2003

Thomas Leuchtenmüller hat diesen Roman um einen charismatischen Einzelgänger, durch dessen Tod eine "Lawine" von Ereignissen und Gefühlen in Bewegung gesetzt wird, mit Interesse und Vergnügen gelesen. Nicht die Demonstration, dass jeder einzelne Mensch auch in der "Epoche der Massen" für sich zähle, sei die eigentliche Leistung dieses Romans, urteilt der Rezensent. Auch die Darstellung eines "Charismatikers" aus der Perspektive seiner zahlreichen Anhängrinnen und Anhänger findet er nicht gerade neu. Was ihn eigentlich an dem Roman begeistert, ist die überaus prägnante Charakterisierung der gehobenen Gesellschaft in Amerika. Hier preist er insbesondere die böse Charakterisierung der Frauen als "treffsichere Satire" und sieht sie "virtuos" mit dem Innenleben der Protagonisten verbunden. Wenn die vielen verschiedenen Personen nicht ein derart "vielschichtiges Ensemble" bilden würden, könnte man der Autorin "Klischees" vorwerfen, gibt Leuchtenmüller zu bedenken. Und auch die eher pflichtschuldige Erwähnung von "Rassenproblemen" in Amerika findet er nicht eben überzeugend. Insgesamt aber erreicht Oates durch ihre "erkennbare Gewandtheit" im Umgang mit ihrem Figurenarsenal doch, dass auch bereits etwas verstaubte Themen "frischen Glanz" bekommen, lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Einen dramatischen Umschlag von Quantität in Qualität entdeckt Klaus Harpprecht in dem "brillant komponierten" Roman der Vielschreiberin Joyce Carol Oates. Er spielt in dem properen Städtchen Salthill am Hudson - "East coast, upper middle class, Updike country" - und beginnt mit dem Tod des Bildhauers Adam Berendt, der nicht ganz zur Gesellschaft von Salthill gehörte und gerade deshalb von sämtlichen Damen geliebt wurde. Mit seinem Tod bricht das geordnete Dasein - Gattinnen betrügen diskret ihre teuren Herren, von denen sie ebenfalls diskret betrogen werden - im Salthill zusammen, erzählt Harpprecht. Wie "kunstvoll", aber auch "bitter und böse" Oates erzählt, wie sich die etablierten Damen und Herren nun ohne Sicherheitsnetz ins Abenteuer des Lebens stürzen, kann den Rezensenten einfach nur begeistern.