Yitzhak Laor

Steine, Gitter, Stimmen

Roman
Cover: Steine, Gitter, Stimmen
Unionsverlag, Zürich 2003
ISBN 9783293003149
Gebunden, 541 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Jizchak Kummer ist hochrangiger Offizier des Inlandsgeheimdienstes Shabak, übergewichtig, mit Brille und Narbe hinter dem Ohr. Er ist zum Islam übergetreten und von seinem letzten Einsatzort Gaza unabgemeldet verschwunden, nachdem ihm Ismail, ein palästinensischer Häftling und wichtiger Informant, entwischt ist. Die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit. Doch wer ist Ismail, wer ist Kummer wirklich? Der Geheimdienst bestreitet, dass es in seinen eigenen Reihen einen Verräter geben könnte oder dass ein Mann namens Jizchak Kummer überhaupt existiert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.07.2004

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Marco Stahlhut von Yitzhak Laors Roman "Steine, Gitter, Stimmen", der ohne eine klar umrissene Hauptfigur, ohne Charaktere, ohne Handlung im herkömmlichen Sinne aufwartet. Stattdessen gebe es nur personale und thematische Fäden, "die auseinander laufen und sich zum Teil wieder zusammenfügen." Die Eingangsszene des Romans, das Einrücken von tausend israelischen Panzern in den Libanon, findet Stahlhut ebenso "martialisch" wie "hoch komisch". Laors gehe es dabei um die "literarische Subversion individueller und national-ethnischer Identitäten", bemerkt der Rezensent. Einen vielleicht allzu expliziten Ausdruck gewinne diese Identitätssubversion im Roman dort, wo ein israelischer Gefängniswärter jüdische und arabische Insassen durch Inspizierung ihrer Geschlechtsteile voneinander zu scheiden suche. "Das muss natürlich scheitern", weiß Stahlhut, "da Juden wie Muslime beschnitten sind."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.01.2004

500 Seiten "Qual" war dieses Buch für ihn, bekennt ein ziemlich erschöpfter Tobias Krause. Er erkennt in der aktuellen israelischen Literatur eine Tendenz zu psychisch labilen oder gar "verrückten" Protagonisten. Dieser Tendenz scheint sich Yitzhak Laor mit seinem Roman "Steine, Gitter, Stimmen" anzuschließen. Der Rezensent betont, dass der Autor eine Menge wichtiger Themen wie das "kollektive Trauma des Libanonfeldzugs 1982", die Machenschaften des Geheimdienstes in Israel, Minderheitenunterdrückung und anderes mehr aufgreift. Doch leider ist Laor "seinen Sujets nicht gewachsen", so ein enttäuschter Rezensent, der von den Gedankensprüngen, verschwimmenden Zeitebenen und ständig wechselnden Erzählerstimmen zunehmend genervt ist. Die ganze Anstrengung des Lese- und Verstehensprozesses bringt nämlich keinen Erkenntnisgewinn, beklagt sich Krause. Die "eisige Prosa strengt an", wird aber mit keinerlei "Mehrwert belohnt", weil der Autor nicht wirklich beschreibt, sondern lediglich demonstriert, wie die Hauptfigur Ismail in den Wahnsinn abdriftet, so Krause enerviert. Etwas mehr "Normalität" hätte dem Text gut getan, bedauert der Rezensent, für den Laor wie ein "autistischer Breughel wirkt, der schreckliche Greuel beschreibt, aber keine Tiefe in seine Schilderungen zu bringen vermag.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.01.2004

Gunhild Kübler stellt uns Yitzhak Laor als einen der wort- und stimmgewaltigsten Schriftsteller Israels vor. Seine Lyrik galt bislang als unübersetzbar, weiß Kübler, was seine überlangen Prosasätze angehe, habe Markus Lemke soeben mit Bravour den gegenteiligen Beweis angetreten. Schrill, grotesk, böse, schnell - das sind die Adjektive, die Kübler zu Laor einfallen. Das Problem an der Sache ist nur, bedauert sie aus tiefstem Herzen, dass der Zickzackkurs des Erzählers allzu verwirrend sei, die aufgehobene Chronologie und die Namensüberschneidungen würden die Leser überfordern. Das formale Konzept, das sich dahinter verbirgt, versteht Kübler so: verwirrend, aber wirkungsvoll "serviert Laor den israelischen Identitätsfetischismus ab". Ihr kommt es so vor, als fröne der Autor seiner Extravaganz, was um so bedauerlicher sei, als er erstens hochbegabt sei und zweitens als einziger überhaupt ein Auge für seine Themen habe. Kein Zweifel besteht daran, so Kübler, dass Israel bei Laor ziemlich abgewirtschaftet hat. Die Rezensentin empfiehlt, den Roman im fünften Kapitel zu beginnen, dann wahlweise nach vorne oder hinten zu lesen, und ja nicht dort auszusteigen, wo es der Autor nahe legt.