Magnus Hirschfeld

Weltreise eines Sexualforschers im Jahre 1931 / 32

Cover: Weltreise eines Sexualforschers im Jahre 1931 / 32
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783821845678
Gebunden, 445 Seiten, 29,50 EUR

Klappentext

Vorgestellt und mit einem Vorwort von Hans Christoph Buch. Vieles an diesem Buch ist ungewöhnlich. Es beginnt damit, dass Magnus Hirschfeld bei der Abfahrt "eine Reise um die Welt weder beabsichtigt noch geplant hatte". Auch war er kein bummelnder Tourist, sondern ein Mann mit einer Mission: Er hält auf seiner Reise - häufig zum milden Erstaunen der in der Tropensonne träge gewordenen Kolonialeuropäer - in 500 Tagen 176 Vorträge. Sein Thema ist immer das gleiche: Sexologie. Denn noch spannender als Canyons, Tempel und Grandhotels sind für ihn die sexuellen Gepflogenheiten der Landesbewohner. So steht auf Hirschfelds Besuchsprogramm ganz selbstverständlich neben dem Kirschblütenfest in Japan das Bordellviertel in Yokohama, eine Begegnung mit japanischen Frauendarstellern, die Suche nach Phallussteinen und die Beantwortung der Frage, ob es das gefürchtete "Verschwinden des Penis" tatsächlich gibt. Bestechend ist dabei die Energie und auch die Vorurteilslosigkeit, mit der der Forscher zu Werke ging - denn neben seiner auch heute noch verblüffenden Begeisterung für die Sexualfreundlichkeit des Islam stellt er immer wieder fest, wie ungewöhnlich lebenstüchtig die Sprösslinge von Mischlingsehen sind. Kein Wunder, dass Hirschfeld bei seiner Rückkehr in Berlin wenig beliebt war und die Erstausgabe seiner Weltreise 1933 nicht dort, sondern in Zürich herauskam.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.05.2006

Oliver Pfohlmann freut sich, dass mit dieser Neuausgabe die Beobachtungen und Gedanken des Sexualforschers Magnus Hirschfeld auf seiner eineinhalbjährigen Reise durch den Nahen und Fernen Osten "wiederzuentdecken" sind. Wer sich "exotische Sexualpraktiken" oder orientalischen "Liebeszauber" erhofft, wird enttäuscht werden, prophezeit der Rezensent, der in diesen "spannenden" Reiseeindrücken Hirschfeld als vorurteilsfreien, dabei den ihm begegnenden Umständen dennoch nicht "kritiklos" gegenübertretenden "Menschenfreund" schätzen lernt. Der Autor wendet sich in seinen Aufzeichnungen gegen die "Arroganz und den Rassismus der Europäer", äußert sich aber auch kritisch gegenüber Beschneidungspraktiken in Ägypten oder der Bevölkerungspolitik in Japan, wie Pfohlmann zustimmend feststellt. Hirschfeld sei ein "hellwacher Beobachter", dessen politische Beobachtungen mitunter die Lektüre zu einer "melancholischen Zeitreise" werden lassen, die bis in die Gegenwart ragt, wenn er beispielsweise vorhersagt, dass die enthusiastischen jüdischen Siedler in Palästina erbitterten Widerstand erleben werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.05.2006

Unglaublich findet es Rezensent Eberhard Straub, wie viele Deutsche in Asien lebten, als Magnus Hirschfeld seine Vortragsreisen nach Asien, Ägypten und Palästina unternahm. Und er sei als Deutscher, mutmaßt der Rezensent, wahrscheinlich deshalb mit so offenen Armen aufgenommen worden mit seiner Mission, weil auch die Deutschen ein besiegtes Volk waren. Leider enthalte der Band keinen Kommentar, der ein Licht auf die vielen deutschen Namen werfen würde, mit denen Hirschfeld in angeberischer Manier prahle. Auch sonst, bekennt der Rezensent, wirke der als "Weltsaubermann" missionierende Hirschfeld nicht sonderlich sympathisch. Hinter seiner aufklärerischen Sexualbefreiung für alle Völker stecke eine deutsche Gründlichkeit und besserwisserische Wissenschaftlichkeit, die nur zu gerne "umerzieht", sobald fremde Sitten und Gebräuche nicht dem vorgeblichen "Humanismus und der Menschenwürde der Moderne" entsprächen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2006

Mit großem Interesse hat Ulrike Brunotte diesen Bericht gelesen, in dem der große, wenn auch nicht unumstrittene Sexualforscher Magnus Hirschfeld von seiner Reise um die Welt in 500 Tagen berichtet. Was 1931 als Vortragsreise in die USA begann, wurde mehr und mehr zu einer sexualethnologischen Studienreise. Brunotte ist durchaus fasziniert, was Hirschfeld über das Urphänomen Sexualität so alles zusammengetragen hat. Er berichtet von der Sexualfreundlichkeit des Islams, der Androgynität des Buddhas, von Phalluskulten in China und Japan, der Frauenherrschaft auf Formosa oder den Geheimnissen des Männerkindbetts in Indonesien, wie Brunotte wiedergibt. Hirschefeld habe zudem nicht nur religiöse Kultstätten frequentiert, sondern ebenso die heimischen Nachtbars und Bordelle. "Gut lesbar" und durch viele Anekdoten angereichert, sei der Bericht geschrieben, verliere dabei aber nie die Wissenschaftlichkeit aus dem Blick, lobt Brunotte, die zwar nicht mit Hirschfelds "naiver Naturwissenschaftsgläubigkeit" einverstanden ist, seine Menschheitsliebe dafür wieder sehr rührend findet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.03.2006

Recht ambivalent wirken die erstmals 1933 erschienenen, jetzt neu aufgelegten Reisebeschreibungen des großen Berliner Sexualforschers Magnus Hirschfeld auf Jens Bisky. Zunächst kann er sich kaum für das Werk erwärmen. "Spröde" erscheint es ihm, "reich an Reiseführerprosa und gestelzten Wendungen", dafür aber "arm an Erlebnissen" und "voll mit Dankesworten an Kollegen, Gastgeber, Freunde, mit eitlen Schmeicheleien für den Autor". Doch dann zieht das Buch Bisky doch noch in seinen Bann, obwohl er Schreibstil des Autors "unbeholfen" findet. Er betont Hirschfelds Widerspruch gegen Unterdrückung, Zwangsmaßnahmen, Mädchenhandel und Beschneidung, sowie sein Plädoyer für die Entlassung Indiens und Ägyptens aus der Kolonialherrschaft. Differenziert betrachtet er Hirschfelds Befürwortung der Eugenik und nimmt ihn diesbezüglich vor allzu heftiger Kritik in Schutz. Dennoch attestiert Bisky dem aufgeklärten Blick Hirschfelds "etwas Erkältendes" und "manchmal Medusenhaftes."
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