Ulrike Edschmid

Das Verschwinden des Philip S.

Roman
Cover: Das Verschwinden des Philip S.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783518423493
Gebunden, 157 Seiten, 15,95 EUR

Klappentext

Im Mai 1975 stirbt Philip S. beim Schusswechsel mit der Polizei auf einem Kölner Parkplatz. Fast vierzig Jahre später geht eine Frau auf die Suche nach den wenigen Spuren, die er hinterlassen hat, und kehrt zurück in die dramatischste Phase ihres Lebens. Philip S. war ihr Gefährte: ein sensibler, eigenwilliger junger Mensch, der 1967 aus Zürich nach Berlin kam, sich liebevoll um ihr Kind kümmerte und seinen ersten experimentellen Film drehte, während andere gegen den Vietnamkrieg demonstrierten und Institute besetzten. Drei Jahre später wird ihre Fabriketage mehrmals von der Polizei durchsucht. Der sechsjährige Sohn, unbestechlicher Zeuge einer zunehmenden Radikalisierung, tritt den bewaffneten Beamten mit seiner Armbrust entgegen. Als die Mutter und Philip S. verhaftet werden, kann er ihnen nicht mehr beistehen. Ohne es zu wissen, wird er seine Mutter retten. Philip S. dagegen, der sich für die Revolution entschieden hat, setzt sich Schritt für Schritt aus dem gemeinsamen Leben ab.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.04.2013

Das Autobiografische in diesem Roman bleibt laut Roman Bucheli sehr dezent. Die Geschichte einer Radikalisierung, die die Autorin fast bar jeglicher Kunstgriffe, und das ist genau der Kunstgriff, den Bucheli hier schätzt, erzählt, hat indes einen Subtext, den der Rezensent als Fortschreiben der Geschichte des deutschen Linksterrorismus in all seinen noch immer unbegriffenen Widersprüchen versteht. Freilich entdeckt Bucheli bei Ulrike Edschmid auch Pathos und Selbststilisierung. Doch bestechend bleibt für Bucheli vor allem die Unmittelbarkeit des Erzählten, die kunstvolle Behutsamkeit, wenn Edschmid vom Aus-dem-Leben-Kippen ihrer Figur erzählt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.04.2013

Ganz angetan ist Rezensentin Verena Lueken von Ulrike Edschmids Roman "Das Verschwinden des Philip S.". Allerdings erscheint der Kritikerin dieses Buch vielmehr als autobiografische Erzählung der Autorin, die hier ihre gemeinsame Vergangenheit mit dem als Werner Sauber geborenen Philip S. nachzeichne. Gebannt folgt sie der Lebens- und Liebesgeschichte mit dem Mann, der im Jahre 1967 nach dem Tod von Benno Ohnesorg nach Berlin übersiedelte, Student der Filmakademie wurde und einen Film drehte, bevor er sich schließlich der "Bewegung 2. Juni" anschloss. Die Rezensentin erlebt hier nicht nur das Berlin der sechziger und siebziger Jahre und den Beginn der Studentenbewegung, sondern lernt den Geliebten der Autorin auch als Menschen kennen - ohne dass es Edschmid hier darum ginge, die Umstände seines Todes auf einem Parkplatz in Köln im Mai 1975 oder den Verdacht der Politikerentführung gegen Philip S. genauer aufzuklären. Stattdessen schildere sie aus der Distanz die wesentlichen Erlebnisse ihrer gemeinsamen Zeit - vom Zusammenleben mit dem Sohn der Autorin über die gemeinsamen Träume von Freiheit bis zum plötzlichen Verschwinden von Philip S. Ein "erstaunliches und wahrhaftiges" Buch, lobt die Kritikerin.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.03.2013

Jürgen Berger hat Ulrike Edschmids autobiografischen Roman "Das Verschwinden des Philip S." wohlwollend aufgenommen. Die Geschichte - es geht um den wohlhabenden Schweizer Filmstudenten Philip S., der 1967 in Berlin eine Filmstudentin kennenlernt und für eine Weile mit ihr und ihrem Sohn zusammen lebt, bis er sich radikalisiert und verschwindet - scheint ihm im Ton überaus zurückhaltend, unterkühlt, "nie emphatisch". Dies findet er durchaus angemessen, solange es um die politischen Radikalisierung von S. geht, der sich schließlich für den bewaffneten Kampf und gegen das Leben mit der Erzählerin entscheidet. Im Blick auf die Liebesgeschichte hätte er sich allerdings einen etwas weniger kühlen Ton vorstellen können. Allerdings zeigt er dafür auch Verständnis, vermutet er doch, die Autorin wollte vermeiden, eine "Hagiografie des Widerstands" oder eine "romantische Liebesgeschichte" zu schreiben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2013

Die Bezeichnung "Roman", die der Verlag Ulrike Edschmids Buch "Das Verschwinden des Philip S." gegeben hat, findet Rezensentin Ina Hartwig etwas irreführend. Eigentlich handele es sich um eine "stark autobiografisch geprägte Rekonstruktion". Philip S. ist Werner Philipp Sauber, der der Bewegung "2. Juni" angehörte und schließlich 1975 bei einem Schusswechsel von der Polizei getötet wurde, erklärt die Rezensentin. Es geht um Edschmids Beziehung zu ihm, als er noch Filmstudent war, um die linken Projekte, die häufig identitätsstiftend waren, aber doch auch noch eine ästhetische Grundlage hatten, und um das rasante Entfremden, als Philip sich "gegen die Liebe und für die Gewalt" entscheidet. Hartwig kann sich gut vorstellen, dass weder Linke noch Rechte mit diesem Buch zufrieden sein werden, weil sich Edschmid jedem Lagerdenken verweigere. Doch gerade wenn ein derart heikles Thema Jahre später aufgegriffen wird, kann das nur hilfreich sein, findet Hartwig.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2013

Sehr beeindruckt hat Ursula März diese "literarische Todeselegie", die Ulrike Erdschmid ihrem einstigen Geliebten Philip Sauber widmet. Philip S. kam 1967 zum Studieren nach Berlin, radikalisierte sich politisch mehr und mehr und ging schließlich mit der Bewegung 2. Juni in den Untergrund. Dabei entnimmt die Rezensentin dem Text in jeder Zeile die Skrupel, mit der die Autorin ihre Erinnerungen niederschreibt. Wie März meint, zielt Erdschmid einerseits darauf, den "Raum der Erzählung zu reprivatisieren", mit Gefühlen für einen Mann, der sein Leben dem politischen Kampf unterwarf. Andererseits kann sie bei aller Sachlichkeit und bei aller politischen Distanz nicht das heroische Bild vermeiden, in das der Popdiskurs die Protagonisten des deutschen Terrorismus gegossen habe. Mitunter sieht März den Text hier vor einer Zerreißprobe, aber der "enormen Dichte" des Textes und seiner "fesselnder Intensität" kann dies offenbar nichts anhaben.