Dieter Thomä

Puer robustus

Eine Philosophie des Störenfrieds
Cover: Puer robustus
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
ISBN 9783518586907
Gebunden, 715 Seiten, 35,00 EUR

Klappentext

Dieses Buch verhilft einem in Vergessenheit geratenen Störenfried zu einem großen Comeback: dem puer robustus, dem kräftigen Knaben, der auf eigene Faust handelt, sich nicht an die Regeln hält, der aneckt, aufbegehrt und auch mal zuschlägt. Als Unhold oder Held, Schreck- oder Leitbild hatte er über drei Jahrhunderte hinweg die Gemüter großer Dichter und Denker erhitzt. Hobbes und Rousseau, Schiller und Hugo, Diderot und Tocqueville, Marx, Freud, Carl Schmitt und viele andere sahen in ihm sogar eine Schlüsselfigur, an der sich ein Zentralproblem der politischen Philosophie entscheidet: das Verhältnis von Ordnung und Störung. Auch heute steht die Zukunft der modernen Gesellschaft auf dem Spiel. Und nach wie vor entscheidet sie sich nicht im Zentrum der Macht, sondern an den Rändern, wo die Krisen ausgefochten werden. Dort - an der Schwelle zur Ordnung - tummeln sich Trittbrettfahrer und Quertreiber, Eigenbrötler und Rebellen, und hinter ihnen allen steckt der puer robustus.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2016

In seiner philosophischen Arbeit folgt Dieter Thomä den Spuren einer Gestalt, die sich in ihrer Komplexität nicht leicht zu fassen lässt, doch auch wenn Rezensent Michael Stallknecht es nicht ausschreibt, scheint es, als sei dieses Vorhaben dem Autoren dank seines strikt motivgeschichtlichen Zugangs geglückt. Der Störenfried, der starke Junge, der robuste kindische Mann, mal taucht er im unzivilisierten Naturzustand auf, mal als Proletarier, als Quasimodo und als "'kühnes Kind' Siegfried", lesen wir. Thomä folgt ihm durch mehrere Epochen, schreibt der Rezensent, er betrachtet ihn durch die Augen Hobbes', Rousseaus, Marx' und Richard Wagners, jedoch immer aus gebührendem Abstand, der es ihm am Ende erlaubt, sich auf keine Seite zu schlagen, sondern vielmehr zu bedenken zu geben, dass das Potential des Störenfrieds beide Aspekte in sich vereint.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.2016

Keine konventionelle gelehrte Abhandlung hat Dieter Thomä vorgelegt, sondern eine spannende Abenteuergeschichte um eine in Vergessenheit geratene philosophische Figur: den puer robustus, einen chronischen Regelbrecher und Störenfried, berichtet Thorsten Jantschek. Thomä führt ihn auf Hobbes zurück und verfolgt seine Spur über Rousseau, Diderot und Tocqueville bis zu Marx und Engels, Carl Schmitt und Horkheimer, fasst der Rezensent angeregt zusammen, der den puer robustus dabei bald als gewaltbereiten Schurken, bald als "guten Wilden" kennenlernt. Sosehr der puer robustus auch nervt, lernt Jantschek, erfüllt er doch eine wichtige politische Funktion, denn: "Ordnungen brauchen Störenfriede". Für den Rezensenten ist dieser so lange wie materialreiche Essay eine höchst lesenswerte, "etwas andere Geschichte der politischen Philosophie".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.10.2016

Tilman Allert atmet auf mit Dieter Thomäs Buch. Der Lauf der Dinge hat im Regelbruch seinen Antrieb, nicht in der Fügsamkeit, lehrt ihn der Kulturwissenschaftler. Doch das Buch ist mehr für Allert als eine Ehrenrettung des Zappelphilipps und Störenfrieds. Die "rasante, gewaltige" Studie zeigt den Puer robustus als Kind moderner Staatsbildung, meint Allert, und bringt mit dem Begriff der Schwelle und ihrer Überschreitung eine moderne, überzeugende Idee ins Spiel. So komplex und variantenreich, wie der Autor ihn in der Kulturgeschichte zeigt, hat der Rezensent den Nonkonformisten noch nicht gesehen. Die sorgfältige Recherche und überzeugende intellektuelle Durchdringung des Stoffes sowie Thomäs launige Schreibe lassen den Rezensenten sogar mitunter vergessen, dass Autor nicht ohne perspektivische Verkürzungen auskommt und manchmal die Sensibilität für den historischen Kontext vermissen lässt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2016

Mit großem Interesse hat Rezensent Adam Soboczynski Dieter Thomäs Philosophie des Störenfrieds gelesen, den er hier in allen Facetten kennenlernt. Auf siebenhundert Seiten arbeitet sich der Philosoph durch die Geschichte der politischen Theorie und der Literatur, sammelt Bemerkungen über den Außenseiter und klärt nicht nur über den puer robustus etwa bei Hobbes, Rousseau, Diderot, Marx oder Freud auf, sondern wirft auch einen Blick auf politisch aktuelle Störenfriede, informiert der Kritiker. So erfährt er in Thomäs kluger Kategorisierung, dass zwischen dem egozentrischen, dem exzentrischen und dem nomozentrischen Rebellen zu unterscheiden sei, wobei letzterer als "progressive Figur" der Demokratie erscheint. Dass der Autor allerdings selbst als Störenfried seines Essays auftritt, indem er immer wieder über sich spricht, findet der Rezensent ärgerlich.