Martin Mosebach

Das Blutbuchenfest

Roman
Cover: Das Blutbuchenfest
Carl Hanser Verlag, München 2014
ISBN 9783446244795
Gebunden, 448 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Mitten in der Stadt, im Garten unter der blutroten Buche, organisiert ein windiger Geschäftemacher ein teures Fest. Das ist der Auslöser für erotische Verwicklungen, Liebe, Betrug und Eifersucht. Der Erzähler, ein verbummelter Kunsthistoriker, verliebt sich in die zerbrechliche Winnie. Marusha, eine schillernde Figur, dient gleich mehreren Herren als Geliebte. Hochstapler treffen auf Kreative und Verliebte auf Verlassene. Bei allen aber putzt Ivana aus Bosnien, die ihren Kundenstamm energisch zusammenhält und auch auf dem Fest für Ordnung sorgen soll. Doch während die Kunden feiern, beginnt auf dem Balkan der Krieg. Martin Mosebach überrascht mit einem neuartigen Ton, wechselnd zwischen Komik und Härte, Ironie und Trauer.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.02.2014

Roman Bucheli kann mit diesem Roman Martin Mosebachs nicht wirklich seinen Frieden machen. Zwar entschädigt ihn das furiose Finale für die quälenden vierhundert Seiten zuvor, und der Rezensent erkennt in diesem krassen Gegensatz auch einen Sinn, denn erst vor dem Hintergrund der dekadenten und ziellosen Bürgergesellschaft Frankfurts wird die Tragödie des bosnischen Bürgerkriegs richtig deutlich. Aber hätte Mosebach der Frankfurter Ermattung nicht etwas mehr "erzählerischen Glanz" geben können? Und sind all die eingebauten Parallelen zum Vorabend des Ersten Weltkriegs und Musils "Mann ohne Eigenschaften" wirklich tragfähig? Bucheli hat seine Zweifel. Fragwürdig erscheint dem Rezensenten jedoch vor allem Mosebachs manichäische Weltsicht, die guter Literatur immer abträglich sei und in diesem Falle die dekadente Postmoderne Frankfurts mit der Vormoderne Bosniens kontrastiere: Als wären die bosnischen Bauern "blind, gottgegeben und einem genetischen Programm gehorchend" in den Krieg geschlittert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.02.2014

Jubelnd begrüßt Hans-Jost Weyandt den neuen Roman von Martin Mosebach. Der Kritiker begibt sich mit dem "Blutbuchenfest" hier in die Frankfurter Gesellschaft der neunziger Jahre und erlebt ein Ensemble einst erfolgreicher und inzwischen gescheiterter Frankfurter Großbürger, die regelmäßig versuchen, ihr Versagen im Lokal "Meringer" schön zu saufen. Insbesondere ist Weyandt aber ganz hingerissen von dem Vermögen des Autors einen vorsichtig tastenden Ich-Erzähler zu erschaffen, der eindringlich und effektvoll changierende "Tableau vivants" beschreibt, die dem Kritiker Einblicke in nahezu aus der Zeit gefallene Villen des Frankfurter Westends und deren Bewohner gewähren. Nicht zuletzt lobt der Rezensent die zahlreichen amüsanten "Glanzstücke" dieses Romans, der auf kunstvolle Weise das Schicksal der Frankfurter Oberschicht mit jenem des ehemaligen Jugoslawiens verwebt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.02.2014

Judith von Sternburg kratzt der sorglose Umgang des Autors mit Fakten eher wenig. Viel interessanter findet sie die komplexe Konstruktion, die meisterhaft kühlen Schilderungen und den wohlinformierten Erzähler, alles Ingredienzien, die Martin Mosebach seinem Roman angedeihen lässt. Perfektion ist ein Wort, das der Rezensent einfällt, wenn sie an Mosebachs Inszenierungen denkt. Keine noch so überraschende Innensicht, kein piependes Handy (in einer 1990 spielenden Geschichte) kann sie davon ablenken. Alles bloß Hinkefüße in einem souveränen Meisterwerk, meint sie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.02.2014

Die "neue Realismusdebatte", die der Autor laut Kristina Maidt-Zinke mit seinem Buch ausgelöst hat, lässt die Rezensentin ziemlich kalt. Dass in Martin Mosebachs neuem Roman schon 1990/91 und zudem auf dem Balkan wild mit Handys telefoniert wird und E-Mails geschrieben werden, obgleich es sich nicht um einen Fantasy-Roman handelt, findet sie etwa so bedeutsam, wie den Kleiderschrank des Autors. Im Kontext der vom Autor seit ehedem favorisierten Realitätsbrüche und -verschiebungen scheint ihr das nicht so relevant. Wichtiger findet Maidt-Zinke, dass der Autor dieses Spiel locker und listenreich beherrscht. Oder soll sie ihm auch ankreiden, wenn er das Bosnien im Buch nach Eindrücken aus Georgien und Sri Lanka gestaltet, wie der Autor zugibt? Lieber freut sich die Rezensentin über den kulturphilosophischen Tiefgang und die sinnliche und einprägsame Eleganz in diesem Buch.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.01.2014

Erzählverschluderung lautet der Vorwurf, den Andreas Platthaus dem Autor und seinem Roman macht. Die Frage, ob man sich den Anachronismus erlauben darf, Mobilfunktechnik, Laptops und dergleichen in einen Text einzubauen, der eindeutig 1990-1991 spielt und ebenso sichtbar keine Phantastik und kein Sci-Fi ist, beantwortet Platthaus mit einem klaren Nein. Alle sprachliche Raffiniertheit, die Martin Mosebach beherrscht und die der Rezensent in diesem Buch auch genießen könnte, ist für Platthaus insofern wie weggewischt, nicht vorhanden. Ein richtiges Erzählen im falschen Schreiben, wie Platthaus munter paraphrasiert, gibt es für den Rezensenten nämlich nicht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.01.2014

In der befriedeten Literaturlandschaft Deutschland, in der Gleichgültigkeit oft "das höchste der Gefühle" ist, das man ungeliebten Autoren entgegenbringt, ist Martin Mosebach ein Sonderfall, einer, der mit erstaunlicher Leidenschaft gehasst und geliebt wird, weiß Ijoma Mangold. Mosebachs neuer Roman "Das Blutbuchenfest" gibt seinen Verfechtern Recht, verkündet der Rezensent. Er spielt in jenem "Intermezzo weltgeschichtlichen Aufatmens" kurz nach dem Mauerfall, bevor die alten Feindschaften, die der kalte Krieg auf Eis gelegt hatte, wieder hochkochen, berichtet Mangold. In längeren Passagen in Frankfurt und in kürzeren in einem bosnischen Bergdorf erzählt der Autor vom Ausbrechen des jugoslawischen Bürgerkriegs, vermittelt durch ein spannendes und witziges Figurenkabinett, immerzu schwankend zwischen Tragik und Komik, Ernst und Frivolität, erklärt der Rezensent.