Steffen Pross

In London treffen wir uns wieder

Vier Spaziergänge durch ein vergessenes Kapitel deutscher Kulturgeschichte. Mit Wegbeschreibungen und Anfahrtswegen
Cover: In London treffen wir uns wieder
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783821805641
Gebunden, 223 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Alle waren sie in London: Elias Canetti, Sigmund Freud, Peter Weiss, Erich Fried, Walter Gropius, Karl Mannheim, Theodor W. Adorno, Ernst Toller, Max Herrmann-Neiße, Bertolt Brecht und viele mehr - geflohen vor der braunen Barbarei in Deutschland. Doch wo und wie haben sie gelebt? Im Hotel Mount Royal nächtigten nicht nur Stefan Zweig und Robert Neumann - hier trafen sich auch Schriftsteller wie Alfred Kerr und Rudolf Olden für Redaktionskonferenzen des Pariser Tageblatts. In Sohos Kellerkneipen tranken Wolfgang Hildesheimer und Michael Hamburger; in den West-End-Theatern agierten Elisabeth Bergner, Lilli Palmer, Fritzi Masary und Peter Zadek, Maler wie Oskar Kokoschka und Kurt Schwitters stellten in Galerien ihre Bilder aus. Man traf sich in deutschsprachigen Buchhandlungen, Leihbüchereien und Verlagen. Jahrelang hat Steffen Pross recherchiert - sein reich illustrierter Führer lädt ein, die ehemaligen Stätten deutscher Kultur in London zu besichtigen und neu zu entdecken.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.12.2000

Jochen Zwick bespricht zwei literarische Reiseführer die sich aus den aktuellen Serienfertigungen durch ihre "besonders originelle Machart" hervorheben.
1) Steffen Pross: "In London treffen wir uns wieder"
Dieses Buch verbindet "geschickt" das Angenehme (Reisen) mit der "moralischen Pflicht, nicht zu vergessen", lobt Zwick etwas trocken. Zudem hat es den Vorteil, auch zu Hause eine spannende Lektüre zu bieten. Schließlich ist das Leben der deutschen Emigranten mit der Flucht oft genug ins "Wildromantische" gekippt, bemerkt Zwick: Gefeierte Autoren wie Alfred Kerr oder Kurt Schwitters standen plötzlich wie Debütanten da - ohne Verlag, ohne Publikum und Einkommen. Ehen zerbrachen, "amouröse Dreiecksbeziehungen" entstanden und die "widersprüchliche britische Asylpolitik" tat ihr Bestes, die abenteuerlich gewendeten Biografien noch aufregender zu machen. Nebenbei zeichnet das Buch auch "ein eindrucksvolles Bild der deutschen Kultur im Exil", lobt Zwick.
2) John V. Luce: "Die Landschaften Homers"
Auch dieses Buch hat Zwick sehr gefallen - und man merkt seiner Rezension an, wie sehr ihn das verblüfft. Gleich zwei Mal fällt das Wörtchen "charmant", was wiederum den Leser erstaunt, denn John V. Luce wird hier als würdiger Nachfolger seiner selbstbewussten viktorianischen Vorfahren bezeichnet - bis in die Physiognomie hinein (ein Blick auf das Bild des Autors auf der Verlagsadresse bestätigt diese Behauptung des Rezensent auf das eindrucksvollste). Charme ist ja nun nicht gerade eine Eigenschaft, die man mit den Viktorianern verbindet. Doch der "robuste Positivismus", mit dem der Autor hier den topografischen Informationen bei Homer nachgeht (in Troja ist es heute noch so zugig, wie in der Ilias beschrieben) zusammen mit einem "romantischen Überschwang" in den Beschreibungen, hat es dem Rezensenten merklich angetan. Luce, von keinem Zweifeln an einem erkennbaren Unterschied zwischen Realität und Dichtung angekränkelt, glaube fest daran, dass das "Erlebnis des authentischen Orts" den Genuss an der Dichtung noch steigert. Eine "charmantere Rechtfertigung einer Reise zur Literatur" lässt sich für Zwick nicht denken.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.09.2000

Ein "ganz besonderer Reiseführer" ist dies nach Ansicht von Birgit Weidinger, den sie alle jenen Lesern empfiehlt, die "gern das erforschen, was nicht im gängigen Touristen-Guide" steht. Nicht nur, dass man hier nachlesen könne, wie hart die Emigranten um ihre Existenz kämpfen mussten. Vielmehr erfahre man darüber hinaus viel über die damalige englische Einwanderungspolitik und auch über die Impulse, die die Einwanderer der Insel haben zukommen lassen. Als Beispiele dafür nennt sie u.a. die Opernfestspiele in Glyndebourne oder auch eine aus Hamburg nach London überführte Bibliothek, die als "Warburg Institute" bekannt ist. Darüber hinaus lobt die Rezensentin die zahlreichen Zeugnisse von Exilanten, Karten, die helfen, ihre damaligen Wohnviertel zu erkunden und die vielen Abbildungen und ergänzenden Anmerkungen in diesem Band, die ihrer Meinung nach "fast zu viel bieten".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.08.2000

Mit großer Begeisterung bespricht Benedikt Erenz diesen Band, den er als "schier unerschöpfliche Fundgrube" bezeichnet. Neben dem Schicksal zahlreicher Exilanten in der Zeit von 1922 bis 1945 (von Walter Gropius, Sigmund Freud, über Kurt Schwitters bis Lilli Palmer reicht die Bandbreite) geht Pross, wie der Leser erfährt, auch auf Themen wie die englische Asylpolitik, den Einfluss der Exilanten auf die englische Kulturszene oder auch auf eine aus Hamburg nach London gerettete Bibliothek ein. Zwar vermisst Erenz in diesem Buch auch einige Namen, wofür er auch Beispiele aufzählt. Dennoch zeigt er sich beeindruckt von der Vielzahl der Informationen, die ihn dazu animiert haben, auch vergessene Bücher wieder in die Hand zu nehmen. Nicht zuletzt lobt er den Abdruck von zum Teil "raren Illustrationen" und die Gestaltung des Bandes.