Patricia Purtschert

Kolonialität und Geschlecht im 20. Jahrhundert

Eine Geschichte der weißen Schweiz
Cover: Kolonialität und Geschlecht im 20. Jahrhundert
Transcript Verlag, Bielefeld 2019
ISBN 9783837644104
Kartoniert, 370 Seiten, 29,99 EUR

Klappentext

Mit 10 SW- und 15 Farbabbildungen. Auf welche Weise ist Kolonialität an der Herausbildung von Geschlecht beteiligt? Diese Frage erörtert Patricia Purtschert am Beispiel der Schweiz im 20. Jahrhundert. Dabei wird der Blick auf zwei Figuren gerichtet, die zentral sind für die Herstellung der Schweizer Nation: die "Hausfrau" und der "Bergsteiger". Die Studie zeichnet nach, wie die bürgerliche Hausfrau, die als Norm für die Schweizerin fungiert, in ständiger Abgrenzung von rassifizierten Anderen als weiße Vorsteherin einer zivilisierten und konsumorientierten Häuslichkeit entworfen wird. Im Unterschied dazu entsteht das Ideal des weißen Bergsteigers, das als Vorbild für den männlichen Schweizer Bürger dient, im kolonialen Wettstreit um die höchsten Gipfel der Welt. Koloniales Weiß-Machen erweist sich in dieser postkolonialen Analyse als grundlegendes Element einer zutiefst vergeschlechtlichten Nation.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.08.2020

Ziemlich verärgert hat dieses Buch den Rezensenten Urs Hafner, der es dennoch "wichtig" findet - weil es sowohl den Rassismus zeige als auch eine Wissenschaft, die nur den Rassismus sieht. Durchaus überzeugend findet er die Beispiele der Konstruktion kultureller Weißheit, wenn das Bergsteiger-Männlichkeitsideal und dem männlichen Mann untergebene Hausfrau ohne Wahlrecht dem "Mohren" der Reklame und den Sherpas der Reportage vom Himalaya gegenübergestellt werden. Dennoch, so findet der Kritiker, seien die aufgeführten Beispiele eigentlich nur Schlaglichter. "Diskurse" aber - in diesem Fall ist es der postkoloniale Diskurs - seien keine Menschen, zwischen denen immer auch mehr und anderes stattfinde. Die Konstruktion des Eigenen in Abgrenzung zum Anderen (neuerdings "Othering" genannt, wie der Kritiker uns mitteilt), sei nicht so "zwingend" gewesen für das nationale Selbstverständnis der Schweiz, wie es die Autorin glauben machen wolle. Ärgerlich also und wichtig, so das Fazit von Urs Hafner; und nebenbei liefert er die schön knappe Definition von Diskursen als "wirkmächtige Redeströme".