Adolf Muschg

Der Schein trügt nicht

Über Goethe
Cover: Der Schein trügt nicht
Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783458172017
Gebunden, 201 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Adolf Muschg stellt aktuelle Fragen an den Klassiker: zu Goethes Religion, zu seinem Verhältnis zum Judentum, zu seiner Naturanschauung, seinen Lebensentwürfen und zu Fausts Teufelswette. Und einem alten Rätsel der Goethe-Forschung ist Muschg auf der Spur: warum Goethe mitten in seiner Ansprache zur Wiedereröffnung des Bergwerks in Ilmenau 1784 zwanzig Minuten lang verstummte - eine Frage, die Biografen und Psychologen immer wieder beschäftigt hat. Im Mittelpunkt steht Goethes Versuch einer ganzheitlichen Weltsicht, die ihm - in einer Person - vielleicht zum letztenmal gelang. Ihr ist nicht nur die Pluralität der Wahrnehmung ganz natürlich, sondern auch die Bereitschaft, das Inkommensurable als solches gelten zu lassen. Allen Zersplitterungen des Wissens, aller sichtbaren Entfernung zum Trotz sind wir in dieser Tradition verwurzelt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.05.2004

In- und auswendig kennt Adolf Muschg das Werk Goethes, weiß Elisabeth von Thadden nach der Lektüre seines neuen Buchs, bestehend aus Vorträgen und Festreden, die sich den großen Themen eines großen Dichters widmen. Natur, Religion, Teufelswette, Kunst, Leben - das sind die Komplexe, die der Autor, Literaturprofessor und Büchnerpreisträger durch einen "philologisch, historisch und psychoanalytisch geschulten Blick" wahrnimmt. "Glanzstück" ist - so die Rezensentin - die Schilderung des Tages, an dem Goethe die Wiederbelebung der Kupfer-, Blei- und Silbergrube feierlich eröffnen sollte und vor dem Festpublikum verstummte. So gut sei dieses spektakuläre Verstummen geschildert, dass dem Leser der Atem "noch 220 Jahre später" stocke. Besonders lobenswert findet die Rezensentin Muschgs stilistisches Verfahren, das in der "unvermuteten Analogiebildung" und dem Verknüpfen von "fernen Bezügen" liegt. Ein gelungenes Buch eines Autors, der "unter der Oberfläche" sucht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.05.2004

War Goethe ein Antisemit, fragt sich Andreas Dorschel erstaunt und muss Adolf Muschgs Beweisführung beipflichten. Schlagend seien die Zitate, die Muschg zusammengetragen habe, doch darüber hinaus leiste der Autor weit mehr: einen Essay über Goethe von "nachgerade bestürzender Dialektik", wie Dorschel schreibt, der nicht denunziere, sondern ganz der Erkenntnis verpflichtet sei. Muschg hat sich nicht mit der Sichtweise zufriedengegeben, betont der Rezensent, Goethe sei nun mal seiner Zeit verhaftet gewesen. Leider habe es sich Muschg nicht in allen seinen Texten zu Goethe so schwer gemacht, sein Thema so genau genommen, bedauert Dorschel. Der Titel einer Rede "Goethe light" sei verräterisch genug. Auch da, wo sich Muschg der Theorie nähere, produziere er unglaublich viel Leerlauf, wundert sich der Rezensent, der sich vom "Duft germanistischer Proseminararbeiten" angeweht fühlt. Auf Breitbandwissen dieser Art könnten die Leser getrost verzichten, findet Dorschel und erhebt den Muschg-Beitrag über Goethes Antisemitismus dennoch dringend zur Pflichtlektüre, nicht nur in Proseminaren.
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