Oliver Lubrich (Hg.)

Berichte aus der Abwurfzone

Ausländer erleben den Bombenkrieg in Deutschland 1939 bis 1945
Cover: Berichte aus der Abwurfzone
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Berlin 2007
ISBN 9783821845838
Gebunden, 480 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Oliver Lubrich. Deutsche Berichte über den Bombenkrieg in Deutschland gibt es viele - aber wie ging es englischen Journalisten, die in Berliner Luftschutzkellern saßen, wenn ihre Landsleute die deutsche Hauptstadt bombardierten, woran dachten Schweden, die in ein Flächenbombardement kamen, was empfanden amerikanische Kriegsgefangene, wenn ihre Kameraden die Bombenlasten über ihnen entluden, was Bomberpiloten, die unter sich ein Flammenmeer aufgehen sahen? Der fremde Blick - das ist das Thema dieses Buches. Wie nahm die Außenwelt dieses entfesselte, der Katastrophe entgegentaumelnde Deutschland wahr? Was fiel Schriftstellern, Journalisten und anderen Augenzeugen auf? Es ist ein höchst widersprüchliches Bild, das diese bisher kaum genutzten Quellen zeichnen. Nicht die politische Analyse steht dabei im Vordergrund, sondern die unmittelbare Alltagserfahrung.
Manche Besucher waren anfangs von der Dynamik des "Dritten Reiches" fasziniert. Einige blieben bis zum Ende Sympathisanten des Regimes; andere schildern den Prozess ihrer allmählichen Desillusionierung. Dagegen legten die kühleren Köpfe von Anfang an eine Hellsicht an den Tag, die beeindruckend ist. (So sah der schwedische Dichter Gunnar Ekelöf schon kurz nach der Machtergreifung den Zivilisationsbruch voraus, und die Amerikanerin Martha Dodd kam bereits 1938 zu dem Schluss, dass die Verfolgung der Juden in einer planmäßigen Vernichtungspolitik gipfeln würde.)
Die Liste der Zeugen ist eindrucksvoll: Samuel Beckett, Vladimir Nabokov, Jean Genet, Max Frisch, Jean-Paul Sartre, Karen Blixen, Georges Simenon, Virginia Woolf und Albert Camus waren in Deutschland; aber nicht weniger aufschlußreich sind die Beobachtungen von Vergessenen, von Unbekannten und von Exoten wie Shi Min, Arvi Kivimaa oder Lörinc Szabo, die hier - meist zum ersten Mal - in deutscher Sprache erscheinen.
Anhand ihrer - in Deutschland oft noch unveröffentlichten - Berichte zeichnet er den Luftkrieg gegen Deutschland nach: von den Anfängen, als man über die Hilflosigkeit der einzelnen britischen Bomber noch scherzte, bis zur totalen Zerstörung des Deutschen Reichs.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.07.2007

Eines der instruktivsten Bücher in der neueren Diskussion über den Bombenkrieg erblickt Rezensent Ulrich Teusch in dieser von Oliver Lubrich herausgegebenen Anthologie mit Texten von Ausländern, die den Luftkrieg in Deutschland zwischen 1939 und 1945 erlebten. Insgesamt 30 Zeugen kommen nach Angaben von Teusch zu Wort, neben Häftlingen und Zwangsarbeitern auch Korrespondenten, Geschäftsleute, Diplomaten und Flüchtlinge, unbekannte Zeitzeugen ebenso wie bekannte Journalisten und Schriftsteller, wie Edward Murrow, William Shirer oder Kurt Vonnegut. Lobend äußert er sich über Lubrichs Auswahl und seine profunde und sorgfältige Kommentierung der Texte, die eine große Bandbreite verschiedenster Erinnerungen abdecken. Beeindruckt zeigt sich Teusch über die fast ausnahmslos "hohe analytische Qualität" sowie das "bemerkenswerte Reflexionsniveau" der Beiträge. Insgesamt entsteht für ihn so ein "multiperspektivisches Bild" des Bombenkrieges, das der komplizierten Materie gerecht wird und es sich im Urteil nicht zu einfach macht.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.03.2007

Nur teilweise interessant findet Rezensentin Renee Zucker den vorliegenden Band des Literaturwissenschaftlers Oliver Lubrich, der Berichte von ausländischen Bobachtern des Bombenkriegs in Deutschland 1939 bis 1945 versammelt. Während ihr die Einleitung des Buchs überaus profund und instruktiv scheint, hält sie einen Teil der folgenden Texte eher für "belanglos". Es bestätigt sich für sie, dass nicht jeder, der über die Bombardierung Deutschlands schrieb, auch etwas zu sagen hatte. Immerhin lernt sie bei der Lektüre, dass der "embedded journalist" nicht erst für den Irakkrieg erfunden wurde, sondern bereits im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kam. Einige Texte findet Zucker dann aber doch interessant, zum Beispiel Curzio Malapartes Geschichte über sein Treffen mit Luise von Preußen, Ausschnitte aus Kurt Vonneguts "Slaughterhouse-Five" und aus Romanen Celines sowie das neu übersetzte Stück Martha Gellhorns "Wir waren niemals Nazis". Insgesamt bewertet sie den Band als eine "ordentliche Fleißarbeit für Spezialisten".