Sasa Stanisic

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Roman
Cover: Wie der Soldat das Grammofon repariert
Luchterhand Literaturverlag, München 2006
ISBN 9783630872421
Gebunden, 320 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Aleksandar wächst in der kleinen bosnischen Stadt Visegrad auf. Sein größtes Talent ist das Erfinden von Geschichten: Er denkt gar nicht daran, sich an die Themen der Schulaufsätze zu halten, viel zu verrückt sind die Erntefeste bei seinen Urgroßeltern, viel zu packend die Amokläufe betrogener Ehemänner und viel zu unglaublich die Geständnisse des Flusses Drina. Als der Krieg mit grausamer Wucht über Visegrad hereinbricht, hält die Welt, wie Aleksandar sie kannte, der Gewalt nicht stand, und die Familie muss fliehen. In der Fremde eines westlichen Landes erweist sich Aleksandars Fabulierlust als lebenswichtig: Denn so gelingt es ihm, sich an diesem merkwürdigen Ort namens Deutschland zurechtzufinden und sich eine Heimat zu erzählen. Seinen Opa konnte er damals nicht wieder lebendig zaubern, jetzt hat er einen Zauberstab, der tatsächlich funktioniert: seine Phantasie holt das Verlorene wieder zurück. Als der erwachsene Aleksandar in die Stadt seiner Kindheit zurückkehrt, muss sich allerdings erst zeigen, ob seine Fabulierkunst auch der Nachkriegsrealität Bosniens standhält.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.10.2006

Wahre Begeisterung hat Sasa Stanisics Roman bei Rezensent Paul Jandl ausgelöst. Er erblickt in dem 1978 in Visegrad in Bosnien-Herzegowina geborenen, seit 1992 in Deutschland lebenden Autor ein großes Talent mit einer besonderen erzählerischen Begabung. Als glänzend geschrieben, als anschaulich, sinnlich und nuancenreich würdigt Jandl dann auch den Roman, der vom Zerfall Jugoslawiens, vom aufkeimenden Hass des Bürgerkriegs, einer Flucht nach Deutschland, aber auch von einer ungewöhnlichen Kindheit und Jugend handelt. Einzig dass der Roman bis zum Ende den naiven, zwischen Traum und Wirklichkeit changierenden Blick Aleksandars, des zunächst kindlichen, dann jugendlichen Erzählers beibehält, stört Jandl ein wenig.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.10.2006

Eher missglückt findet Rezensentin Iris Radisch diesen Romanerstling über den Bosnienkrieg. Denn der junge Autor ist darin aus ihrer Sicht direkt in die Kitsch-Falle getappt. Sasa Stanisic erzähle seine Kriegsgeschichte nämlich aus der Perspektive eines frühpubertierenden, altklugen Kindes. Damit wird er aus Radischs Sicht allerdings lediglich dem "diffusen" westeuropäischen Gefühl diesem Krieg gegenüber gerecht, nicht jedoch dessen grausamer Wirklichkeit. Denn Stanisics Protagonisten habe statt der genialischen Naivität eines Oskar Matzerath eher "heiter-pittoreske-balkanische Urigkeit" zu bieten. Die "bemüht-märchenhafte Ausdrucksweise" dieses kindlichen Erzählers jedoch kann sie trotz der Nominierung des Romans für den Frankfurter Buchpreis nicht hinter dem Ofen hervor locken. Streckenweise beschleicht sie angesichts des naiv-anekdotischen Tons sogar das Gefühl, es mit einem "fremdenverkehrsamtlichen" Bosnienbild zu tun zu haben. Aber auch das Romangebäude selbst sieht die Rezensentin immer wieder "vom Einsturz" bedroht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2006

An der Begabung des jungen Autors hat Richard Kämmerlings keinen Zweifel. Nach der Lektüre von Sasa Stanisics Debütroman über eine Kindheit in Bosnien und was danach folgte, gönnte er ihm den Deutschen Buchpreis gern. Das Abgleichen der Historie mit der Fiktion führt zu einer geschärften Wahrnehmung beim Rezensenten. Auf die im Buch auftauchenden "prall ausgemalten" Balkan-Klischees fällt er nicht herein, sondern erwartet einigermaßen gefasst das bedrohliche Hereinbrechen der Realität. Dass der Plot Kämmerlings dennoch nicht kalt lässt, liegt an der Unmittelbarkeit "atemberaubender Szenen" ebenso wie an der gewählten fiktiven Form. In ihr vereint der Autor die kindliche Perspektive mit der des Erwachsenen und erschreibt sich so "Abschied und Ankunft zugleich", so der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

So grandios sei der Roman von Sasa Stanisic, beginnt Rezensent Hauke Hückstädt seine Hymne, dass grandios das falsche Wort sei. Zudem sei er auf rätselhafte Weise unvergleichbar, da er so vielschichtig und eigenwillig zugleich sei. Der Rezensent präentiert eine lange und stets originelle Galerie an Lobesadjektiven: Stanisic, so Hückstädt, habe einen "Familienroman? geschrieben, der seine eigene Kindheitsgeschichte aus der Zeit des jugoslawischen Bürgerkrieges in ein wahres "Erzählgebirge? verwandle mit unterschiedlichsten Textsorten wie Briefen, Gedichten, Protokollen etc.. Die Anfänge der Kapitel sind zudem mit einer stenografischen Vorausschau a la Grimmelshausen versehen. Eine "maßlos wärmende? Huldigung des Großvaters ist aus Sicht der Rezensentin eine der Inspirationsquellen des Autors, und überhaupt müssten "wir?, das Lesepublikum also, den Roman "unbedingt? lesen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.09.2006

Der Roman hat aus Sicht von Rezensent Helmut Böttiger ein paar gute Anlagen. Ein paar darin erzählte Geschichten aus einer Kindheit im jugoslawischen Bürgerkrieg haben für den Rezensenten Lesebuchqualität. Die Beschreibung eines Fußballspiels zwischen verfeindeten Parteien lobt er als irrwitziges, magisches "Glanzstück" des Romans. Insgesamt ist dieses Buch aber für Böttiger doch eher enttäuschend ausgefallen. Vordergründig stimme alles, schreibt der Rezensent , also "der Stoff, die Tragik, die leichte, süffige Sprache". Hintergrund sei der jugoslawische Bürgerkrieg, der aus der Sicht eines Heranwachsenden geschildert werde. Doch weil Autor Sasa Slanisic mit seinem kindlich-naiven bis "märchenhaft-entrückten" Sprachgestus trotz aller Schrecken immer heiter bleibt, wirkt das Buch auf den Rezensenten zunehmend problematisch. Denn die Naivität klingt für Böttigers Ohren nicht durchgehend authentisch, wird dem Schrecken nicht gerecht und trägt deshalb irgendwann auch die erzählte Geschichte nicht mehr.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.09.2006

Wenn es nach Jörg Magenau ginge, erhielte Sasa Stanisic' für seinen autobiografischen Debütroman den Deutschen Buchpreis. Der erzählerischen Leidenschaft wegen. Für eine"wilde, ungestüme und poetische" Geschichte um den Fluss Drina im serbischen Teil Bosniens. Magenau folgt dem Lauf der Geschichte, von "üppigen" Kindheitserinnerungen, in die "schon der Zerfall" ragt, über den Krieg bis zur Flucht nach Deutschland. Und er staunt, wie der Tonfall sich ändert und die Perspektive: die nackte Wahrnehmung des Kindes, das Einspringen der Fiktion für die erinnerungslose Zeit des Krieges, schließlich der Verlust der Unmittelbarkeit beim Versuch, die Heimat erzählerisch zu bewahren. Der Rezensent staunt, dass es funktioniert und ein "hinreißendes" Buch entsteht im Versuch, an einer verlorenen Welt festzuhalten.