Jakob Nolte

Kurzes Buch über Tobias

Roman
Cover: Kurzes Buch über Tobias
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518429792
Gebunden, 231 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

"Kurzes Buch über Tobias" beschreibt in achtundvierzig Kapiteln das Leben des Schriftstellers, Pfarrers und Televangelisten Tobias Becker. Er wuchs in Niedersachsen auf und lebt in Berlin, spielt gern Tischtennis und will das Gute. Auf einer Reise nach Belgrad verliebt er sich in einen Mann namens Tobias und bekehrt sich zu Gott. Er wird Zeuge, wie Menschen zu Hasen werden, sich Liebe in Hass verwandelt und ein Flugzeug in den Alpen verbrennt. Wie viele Männer wähnt er einen Messias in sich. In Tobias Beckers Welt ist alles unausweichlich miteinander verwoben: Familie, Glauben, Subjekt und Gewalt. Es ist eine Welt voller Alpträume und Wunder.
Jakob Noltes Roman ist eine moderne Heiligenerzählung, ein mystisches Rätsel. Er handelt von der Einsamkeit in der Heimat und der Verlorenheit in den Städten, von Allmacht und großer Unsicherheit, Spiritualität und dem Internet, der Sehnsucht nach Zugehörigkeit und dem Streben nach Sinn.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.04.2021

Rezensent Felix Stephan schlüsselt Jakob Noltes als einen "zutiefst eschatologischen" Roman auf. Der vielgelesene und -inszenierte Autor erzählt hier von einem frustrierten Jungschriftsteller, der nach einem gescheiterten Vortrag Priester wird und mit einer heimlich mitgefilmten Hass-Predigt viral geht. Dabei käme wieder Noltes eigenwillige Mischung aus ernsten Themen mit Zoten zum Tragen, die manche Leser an ihre Grenzen bringe, weiß Stephan. Speziell an diesem Roman scheint ihn aber die zirkuläre Form zu faszinieren, die er als anspruchsvolle Umsetzung des tragischen Teufelskreises aus Radikalität, Monetarisierung und Selbstoptimierung liest, in dem sich der Protagonist befinde. Darin sieht der Rezensent letztlich nicht nur eine Gesellschaftskritik, sondern auch einen vorsichtigen "technophilen Futurismus".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14.03.2021

Tobias Langley-Hunt springt durch die unzähligen geöffneten Tabs in diesem Roman, in dem Jakob Nolte seine Kunst der Collage laut Kritiker nochmal eine Spur überdreht. Mit einigen Mühen, aber auch Faszination folgt er dem Schicksal des Studenten, Autors, Predigers und YouTube-Gurus Tobias, der in Hildesheim bei einem Vater und einer Mutter, die mal ein Junge war, aufwuchs, rastlos durch Leben und Welt streift, schließlich obdachlos wird und stirbt. Noltes totaler Verzicht auf Chronologie bewegt den Rezensenten zunächst dazu, die Kapitel des Buches zu ordnen - bis er erkennt, dass es hier um die "digitale Gleichzeitigkeit" unserer Gegenwart geht. Der Mix aus Briefwechseln, Anekdoten und Dialogen mag dabei zwar nicht zwingend zur Lesefreundlichkeit beitragen, räumt Langley-Hunt ein, aber Nolte ist einfach ein "genialer" Erzähler, der nicht umsonst mit Thomas Pynchon verglichen wird, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.03.2021

Für Rezensentin Anna-Lisa Dieter beginnen manche Sätze in Jakob Noltes Roman zu leuchten. Hell leuchtet laut Dieter aber auch der "Anspielungswahnsinn" in diesem Text, der ihr bei dem Versuch, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und Disparaten abzubilden, die Grenzen des Literarischen auszuloten scheint. Die Entwicklungsgeschichte eines jungen Mannes von seinen Anfängen als Autor in den frühen 2000ern bis zu seiner Erweckung zum Pfarrer und religiösen Influencer und seinem vorläufigen Ende als obdachloser Büßer findet Dieter so fordernd wie zeitgemäß erzählt, sprunghaft, materialreich und vielfältig. Ganz ohne Frustration geht die Lektüre nicht ab, warnt sie.

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