Susanne Leinemann

Aufgewacht. Mauer weg

Cover: Aufgewacht. Mauer weg
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2002
ISBN 9783421055996
Gebunden, 270 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

9. November 1989: Die Mauer ist weg, und keiner findet den richtigen Ton. Er hätte ja nach "Nation" klingen können. Da trafen sich die Deutschen aus Ost und West und meinten, voneinander alles schon zu wissen. Schade, denn sie wußten so wenig - von der Lust auf Neues im Westen nach den Jahren des Stillstandes; von Lust auf Leben im Osten nach den Jahren der Lähmung. Wer in den Achtzigern als junger Mensch Freunde in der DDR besuchte, fuhr hinter den Mond. Und mußte sich fast dafür schämen, so erinnert sich Susanne Leinemann. Und dann - 1989 - war plötzlich alles anders, alles möglich...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.01.2003

Jens Bisky lobt dieses Buch, das die Liebe zwischen der Autorin und einem DDR-Bürger erzählt, als "berührende, sehr besondere Geschichte". Für ihn hebt es sich wohltuend von den zur Zeit so erfolgreichen Erinnerungsbüchern ostdeutscher Kindheiten wie dem von Illies oder Hensel ab, weil es weder "Nostalgie" noch "Selbstgerechtigkeit" verbreitet. Der Rezensent findet, dass dieses Buch einer Westdeutschen viel besser über die Atmosphäre der DDR informiert als dies Anekdoten über irgendwelche DDR-Charakteristika tun könnten. Er bemerkt dankbar, dass Leinemann sowohl auf "Heroisierung" als auch auf "Verklärung" verzichtet, wenn sie über die schwierige Beziehung zu einem Ostdeutschen erzählt, die kurz nach Mauerfall endete. Bisky bedauert allerdings, dass die Autorin so ganz ihren eigenen Beobachtungen nicht "vertraut" und er hätte gern mehr von "Tine, Ronni, Schwammi und Walti" erfahren, wie er betont. Dennoch ist es ein beeindruckendes Dokument für Bisky, und er liest aus diesem Buch vor allen Dingen heraus, dass der Mauerfall keine "Gemeinsamkeit stiftende Erfahrung" gewesen ist, wie gern behauptet wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.11.2002

Vor ein paar Jahren geisterte der apolitische, selbstbezogene "89er" als Antipode zum Alt-68er durch die Feuilletons - eine Schimäre, meint Dieter Rulff. Seiner Meinung nach wurden die echten 89er gar nicht ins Auge gefasst, weil diese nämlich - hüben wie drüben - eine Aversion gegen den öffentlichen Diskurs einte und sie sich deswegen aus der künstlich animierten Debatte schlicht raushielten. Vielleicht bedurfte es einfach des zeitlichen Abstands, vermutet Rulff, dass sich diese Generation nun zu Wort melden kann - wie Susanne Leinemann, die das "ungeschützte Aufeinandertreffen" von Ost und West in vielen, auch privaten Episoden beschreibt. Leinemanns Protagonisten der Geschichte seien nicht Politiker, schreibt Rulff, sondern die vielen jungen Leute, die durch ihre Flucht das System der DDR zum Kollabieren gebracht hätten und denen es dabei weniger um einen politischen Traum als um ihr privates Glück gegangen sei. Rulff konstatiert eine "Ironiefalle", einen "distanzierten Unernst", der den Lebensäußerungen der Generation Leinemanns anhaftet - doch das Bedürfnis nach Disput, Engagement scheint, soviel macht Rulff klar, eindeutig da zu sein.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.10.2002

Als Auskunft einer Generation hat Susanne Gaschke dieses Buch der Journalistin gelesen, deren Darstellung einer Geschichte der "Beziehung zur DDR" sie "sehr aufmerksam, sehr uneitel" nennt. "Endlich kommt mal jemand zur Sache", schreibt Gaschke, und meint damit das erstaunliche Fehlen der DDR, solange sie noch DDR war, im Kosmos der weltgewandten und weitgereisten jungen Leute Westdeutschlands. Die Beziehung der Autorin zur DDR war eine andere, die sich der "kollektiven Wahrnehmungsstörung" durch direkte Erfahrung und eine Ost-West-Liebe entzog; und dennoch, so berichtet die Rezensentin, sind auch ihr die über Ungarn und Prag Ausreisenden nicht als "Gleichaltrige" aufgefallen. Viel Stoff zum Nachdenken über die verpassten Chancen der solcherart durch Konsumfreude geeinten und doch durch Lebensstil getrennten jungen Leute der beiden Deutschlands bietet sich der Rezensentin hier. Und sie findet, "Lehmanns Sprache klingt an vielen Stellen so, als sehnten sich die Wörter danach, in einem Roman zu stehen". Zu einem solchen Roman möchte Susanne Gaschke die Autorin gern ermuntern.
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