Sebastian Barry

Tausend Monde

Roman
Cover: Tausend Monde
Steidl Verlag, Göttingen 2020
ISBN 9783958297753
Gebunden, 256 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Hans Christian Oeser. "Könnte sein, dass ich von Dingen rede, die sich 1873 oder 1874 im Henry County, Tennessee, zugetragen haben, doch was Daten betrifft, war ich noch nie verlässlich. Und falls sie sich zugetragen haben, gab es zu der Zeit keine wahrheitsgetreue Darstellung. Es gab nackte Tatsachen und eine Leiche, und dann gab es die wahren Ereignisse, die niemand kannte. Dass Jas Jonski getötet wurde, war die nackte Tatsache."
Während der sogenannten Indianerkriege haben die beiden Unionssoldaten Thomas McNulty und John Cole ein Lakota-Mädchen adoptiert, und es Winona genannt. Und es ist Winona, die hier erzählt: von Jas Jonski, ihrer ersten Liebe und vielleicht ihrem Vergewaltiger, von ihrer Kindheit bei ihrem Stamm; davon wie es war, bei den Männern aufzuwachsen, die ihre Familie getötet haben könnten und die sie doch so sehr liebt; davon wie es ist, für die einen etwas Goldenes, für die anderen aber ein Nichts zu sein; von der Farm, wo sie mit Thomas und John, mit Lige Magan und den befreiten Sklaven Rosalee und Tennyson eine neue Familie gefunden hat. Eine bedrohte Idylle, denn nach dem verlorenen Bürgerkrieg hungert der Süden, auf den Banken ist kein Geld, die Rebellen wittern ihre Chance - und durchs Land ziehen Männer mit Kapuzen, vor denen nicht einmal die Weißen sicher sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.03.2021

Rezensent Tobias Döring schätzt die Kunst von Sebastian Barry, aus historischen Geschichten die "Abgründe" der Gegenwart zu filtern. An seinem inzwischen achten Roman und neuesten Teil der McNulty-Saga hat sich der irische Autor aber leider verhoben, seufzt der Kritiker. Erzählt wird die Geschichte des verwaisten Indianermädchens Winona, das im Tennessee nach dem Bürgerkrieg auf der Tabakfarm von Tom McNulty und seinem Liebhaber John aufwächst, mit dem Wissen allerdings, dass die Adoptiveltern am Massaker gegen ihre Familie beteiligt waren, resümiert der Rezensent. Später arbeitet Winona bei einem Anwalt, wird misshandelt und vergewaltigt, sinnt als Mann verkleidet auf Rache und verliebt sich in ihre Gegnerin Peg, fährt Döring fort. Man muss die Debatten um kulturelle Aneignung nicht gutheißen, um zu erkennen, dass Barry die Zeichnung einer lesbischen Sioux-Frau nicht gelingt, wendet der Kritiker ein: Überladen und wenig authentisch scheint ihm die Hauptfigur, wenig glaubwürdig und rhythmisch der Plot. Einige sprachliche Peinlichkeiten machen es für Döring nicht besser.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.11.2020

Rezensent Rainer Moritz ist tief beeindruckt von diesem "herausragend" erzählten, wenige Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs spielenden Roman. Hauptfiguren sind wieder die beiden homosexuellen Unionssoldaten Thomas McNulty und John Cole sowie das Indianermädchen Winona, die man alle drei schon aus dem Vorgängerroman "Tage ohne Ende" des irischen Autors Sebastian Barry kennt. Es geht Barry u.a. um die Frage, wie man mit einer ungewissen Vergangenheit leben kann, erzählt Moritz. Denn Winona weiß weder, wer sie vergewaltigt hat (ihr Verehrer Jas Jonski?) noch wer ihre Familie getötet hat (waren Thomas und John dabei?) Der Rezensent spürt in jeder Zeile das Gewaltpotenzial der Figuren, und doch gibt es auch Liebe in diesem so brachial wie zärtlichen Buch, versichert er.