Maxim Biller

Im Kopf von Bruno Schulz

Novelle
Cover: Im Kopf von Bruno Schulz
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2013
ISBN 9783462046052
Gebunden, 80 Seiten, 16,99 EUR

Klappentext

Der 1942 ermordete jüdische Autor und Zeichner Bruno Schulz wird zur literarischen Hauptfigur in Maxim Billers neuem Buch und zum Seismographen künftiger Katastrophen. Biller nimmt seine Leser mit auf die Reise in das ostpolnische Städtchen Drohobycz, in die Welt des Bruno Schulz und in das Jahr 1938. Er führt uns in einen Keller, in dem Bruno Schulz, der seinen Lebensunterhalt als Kunstlehrer verdient, aber vom literarischen Durchbruch in Europa träumt, am Schreibtisch seines Vaters einen Brief an Thomas Mann schreibt. Seine Hoffnung ist es, durch die Unterstützung des weltberühmten Schriftstellers im Ausland veröffentlicht zu werden und damit auch die Möglichkeit zu bekommen, Polen endlich zu verlassen. Denn die Zeichen des drohenden Unheils sind unübersehbar, sie rauben Bruno Schulz den Schlaf und nähren seinen ständigen Begleiter, die Angst. Im Kopf von Bruno Schulz entsteht eine apokalyptische Vision, die vorwegnimmt, was sich wenig später im besetzten Polen tatsächlich vollziehen wird.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.05.2014

Beatrice Eichmann-Leutenegger schätzt Maxim Billers Novelle über den jüdischen Schriftsteller und Maler Bruno Schulz, der 1941 von einem Gestapo-Mann erschossen wurde. Billers Unterfangen, sich in den den "Kopf von Bruno Schulz" hineinzuversetzen und ihn an Thomas Mann schreiben zu lassen, scheint ihr ein gewagtes, aber letztlich gelungenes Spiel mit Motiven, Figuren, Stimmungen des Bruno Schulz. Dabei hebt sie hervor, dass Biller sich nicht auf die Realitäten in Schulz' Leben beschränkt, sondern auch surreale Momente einbezieht, etwa wenn zwei Tauben beginnen zu Schulz zu sprechen. Verdienstvoll an der vorliegenden Novelle scheint Eichmann-Leutenegger schließlich, dass sie neugierig auf Bruno Schulz und dessen Werk macht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.12.2013

Sehr vorsichtig wägt Rezensentin Katharina Granzin Maxim Billers Novelle über den polnisch-jüdischen, von Nazis ermordeten Schriftsteller Bruno Schulz ab. Einerseits verortet sie das Büchlein in Schulz' Tradition der "Mythisierung der Wirklichkeit", da Biller die leider nicht überlieferte Korrespondenz zwischen dem polnischen Autor und Thomas Mann aufgreift und zu einer - wenn auch in ihren Bildern nicht subtilen, merkt die Rezensentin an - phantasmagorischen Allegorie über Deutschland und Polen während des "Dritten Reiches" ausbaut, in der ein Mann-Doppelgänger in Schulz' Heimatstadt erst durch viel Ärger und schließlich auch durch öffentlichen Totschlag auffällig wird. Wobei Biller einen Kunstgriff wählt: Diese Eskapaden finden allein in Schulz' Brief an den deutschen Autor statt und bleiben daher in ihrem Status vage, erklärt die Kritikerin. Sie bescheinigt Biller durchaus "Virtuosität" im Umgang mit seinen literarischen Mitteln. Wenig überzeugend findet sie hingegen, wie Biller die Verehrung von Schulz für Mann als sadomasochistisches Gefühl überzeichnet. Für sie artikuliert sich hier vor allem Billers eigenes Unbehagen an der Tatsache, dass er deutscher Autor und Jude mit osteuropäischen Wurzeln ist. Warum aber ist Thomas Mann im Roman dann nur ein Doppelgänger? Warum überhaupt muss Biller sein Unbehagen mit sich an anderen Autoren abarbeiten, fragt die Rezensentin. Am Ende spricht sie eine deutliche Empfehlung aus: für die Lektüre von Bruno Schulz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.11.2013

1938 versuchte Bruno Schulz tatsächlich, wenn auch vergeblich, Thomas Mann zu kontaktieren, erklärt Judith von Sternburg: Hätte Mann geantwortet und Schulz an einen Verlag vermittelt, sähe die Literaturgeschichte heute, da der 1942 von Nazis erschossene Schulz mit Kafka und Roth verglichen wird, womöglich anders aus, vielleicht wäre dem jüdischen Autor sogar die Flucht gelungen. Vor diesem Hintergrund lässt Maxim Biller einen von Ängsten gepeinigten Bruno Schulz sich einen betrügerischen Mann-Doppelgänger ausdenken, der in einem polnischen Städtchen erst für Turbulenzen und anschließend, in einer gesteigerten Angstfantasie, für pogromartige Zustände sorgt. Diese Bergung eines Ressentiments "im Fantastischen" gelingt hier ganz "ausgezeichnet", meint die Rezensentin, die tiefer Kummer packt, da die panische Angst, die Billers Schulz regelmäßig schüttelt, gerade vor dem realen historischen Hintergrund der Ereignisse in den folgenden Jahren nur allzu berechtigt ist: Es ist "der Ängstliche, der richtig liegt".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11.2013

Michael Krüger weiß, wovon er spricht, wenn er die traurige Geschichte des Bruno Schulz erzählt - in seinem Verlag erscheint das schmale Werk des 1942 von einem SS-Mann hinterrücks abgeknallten jüdischen Schriftstellers und Zeichners. Wozu erzählt er uns die Geschichte? Krüger hat Maxim Billers Novelle gelesen und erkennt, wie sehr sich der Schriftsteller in die Welt Schulzens hineinbegibt, wie sehr er dessen Motive aufnimmt und weiterspinnt, die Angst zum Beispiel. Krüger ist gerührt über diese Innenperspektive. Billers Buch aber versteht er als Aufforderung, Bruno Schulz zu lesen (schönste Lesestunden!), da spricht natürlich auch ein bisschen der Verleger.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.11.2013

Wer "Die Zimtläden" von Bruno Schulz noch nicht gelesen hat, sollte das dringend nachholen bevor er Maxim Billers neues Buch zur Hand nimmt, rät Ijoma Mangold. Schulz wiederum könne man nur lesen, wenn man ein wenig mit dessen Biografie vertraut sei, meint der Rezensent: Schulz schrieb seine Geschichten vor allem in den Dreißigerjahren im Ghetto von Drohobycz, wo er später auch erschossen wurde. Biller verfasst nun in "Im Kopf von Bruno Schulz" einen Brief von Schulz, den dieser tatsächlich aus dem Ghetto an Thomas Mann geschrieben haben soll, der aber nicht erhalten blieb, berichtet Mangold. Mit einer Mischung aus Biografie und Fiktion destilliert Biller "die mythische Essenz einer furchtbaren Apokalypse", die auch ihm gegolten hätte, und erschafft - ganz in jüdischer Tradition, wie der Rezensent weiß - eine "intertextuelle Schicksalsgemeinschaft" mit dem Autor, erklärt Mangold.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.11.2013

Noch ein Rätsel! In diesem Fall sitzt Tim Neshitov davor. Der Rezensent fragt sich, wie aus soviel Unverständnis des Autors für seine Figur (den 1942 ermordeten polnisch-jüdischen Autor und Zeichner Bruno Schulz, den Biller den "Mann mit dem Papierdrachengesicht" nennt) eine so brillante, luftig-freche Novelle entstehen konnte. Allerdings hat Neshitov die Antwort in seiner Besprechung versteckt: Biller schreibt nämlich über Biller, über seine eigene Angst. Nicht verlegt, nicht gespielt zu werden etwa. Oder vor Thomas Mann und Richard Wagner. Der ganze Text, sagt Neshitov eigentlich, ist Maxim Billers eigene düstere Gedankenwelt. Und da hat der Rezensent nun wirklich Recht.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de