Martin Amis

Haus der Begegnungen

Roman
Cover: Haus der Begegnungen
Carl Hanser Verlag, München 2008
ISBN 9783446230521
Gebunden, 240 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Übersetzt aus dem Englischen von Werner Schmitz. Eine Dreiecksgeschichte in furchtbaren Zeiten: Zwei ungleiche Brüder, der eine ein brutaler Mörder und Vergewaltiger, der andere ein hässlicher Intellektueller, lieben dieselbe Frau. Es ist Lew, der Dichter, der die hinreißend schöne Jüdin Zoya bekommt. Die beiden ungleichen Brüder landen im Gulag. Im Rückblick berichtet der namenlose Bruder von den Schrecken des Lagers. Auch hier mordet er um zu überleben, während der sanftmütige Lew sich aufgibt und daran zurückdenkt, was in der einzigen Nacht, die er mit Zoya verbracht hat, passiert ist...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.12.2008

Durchaus beeindruckt ist Tilman Urbach von Martin Amis' Roman um einen 86-jährigen einstigen Rotarmisten, der Jahre in einem stalinistischen Lager gefangen war, bevor er in den USA zu Geld kam und jetzt im Alter nach Russland zurückkehrt. Er schätzt den unsentimentalen, "vibrierenden Ton" des Autors und bescheinigt ihm, für seine Schilderungen der Gewalt-Mechanismen im Gulag gründlich recherchiert zu haben. Die Stärke des Buchs sieht er vor allem dort, wo es um die Beschreibung der Unmöglichkeit von Liebe im brutalen Lager-System geht. Kritisch äußert sich Urbach allerdings über eingestreute Passagen zum gegenwärtigen, korrumpierten Russland, wo Amis Wertungen abgibt, die ihm bisweilen doch etwas "banal und klischiert" anmuten. Er kreidet dem Autor vor allem an, Authentizität zu suggerieren, "die er nicht gewährleisten kann". Ein "Gulag-Roman" aber ist "Haus der Begegnungen" für Urbach nicht. Er sieht darin eher ein "sensibel ausgestaltetes Lehrstück über die Verwerfungen der Liebe im Schatten von Gewalt und Tod".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.10.2008

Als "großen, historischen Roman" und "komplexes und mitreißendes Stück Literatur" feiert Rezensent Christoph Schröder dieses Buch über einen Mann Jahrgang 1919, der 2004 aus dem amerikanischen Exil nach Russland zum Sterben zurück kommt und seiner in den USA lebenden Tochter eine Lebensbilanz schreibt. Denn es handelt sich hier Schröders Ansicht nach um die von Martin Amis faszinierend gestaltete Behandlung der Frage, was Diktatur in der Seele eines Menschen anrichten kann. Die Lebensgeschichte sieht der Rezensent mitten durch die ideologischen und realen Schlachtfelder des letzten Jahrhunderts verlaufen: russische Revolution, Weltkriege, Stalinismus und sowjetische Lagerhaft. Amis begeistert den Rezensenten speziell mit seiner Beschreibung des Lagerlebens und der dort herrschenden "fein ausgesponnenen Machtstrukturen". Und der Art, wie es Amis gelingt, gerade hier die Frage nach der Liebe aufzuwerfen. Es gibt aber für den Rezensenten auch ein irritierendes Moment in dem Roman: wenn Amis die deutschen Verbrechen im Gegensatz zu den sowjetischen aus der Sicht des Heute im Verhältnis zur russischen Kontinuität von Gewalt und Willkür für nicht mehr ganz so schwerwiegend hält, was er am Ende dann unter dem Stichwort "ästhetische und literarische Provokation" verbucht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.09.2008

Hier hat sich, konstatiert Franziska Augstein, Martin Amis verhoben. Mit seinem Ich-Erzähler zuallererst, der im Gulag als Zwangsarbeiter gefangen war und nun mit achtzig Jahren zurückkehrt. Messen lassen muss sich Amis da mit Klassikern wie Wladimir Schalamow und da reicht Amis, so Augstein, weiß Gott nicht heran. Zwar sei ausgiebige Sekundärliteraturlektüre sehr wohl festzustellen, weit darüber hinaus reiche die Imagination jedoch nicht. Dafür wird der Erzähler für Augsteins Empfinden immer wieder zum Sprachrohr für die Kommentare des Autors, der offenkundig ein Anhänger der Idee "kollektiver Mentalitäten" sei. Und die russische Mentalität, die mag er nicht, weil sie seiner Ansicht nach nicht zuletzt auch am Putin-Russland der Gegenwart Schuld trägt. Was dabei rauskommt, ist, lautet Augsteins negatives Urteil, insgesamt "Stammtisch mit Anspruch", mithin nichts weiter als: "Kitsch".
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