Warlam Schalamow

Künstler der Schaufel

Erzählungen aus Kolyma, Band 3
Cover: Künstler der Schaufel
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2010
ISBN 9783882216028
Gebunden, 605 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Gabriele Leupold. Herausgegeben von Franziska Thun-Hohenstein. Mit einem Nachwort von Michail Ryklin. Nach "Durch den Schnee" und "Linkes Ufer" erscheint nun der dritte Band der "Erzählungen aus Kolyma". Er enthält zwei Zyklen des monumentalen Werks Warlam Schalamows. Wieder entführt er den Leser in die erbarmungslose Welt der sibirischen Lager und erzählt die Geschichte der Besiegten. Im Mittelpunkt steht in diesem dritten Band die meisterhaft geschilderte Ganovenwelt im Lager, ihr Alltag, ihre Sprache, ihre Sitten und ihr Verhältnis zu den politischen Gefangenen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2010

Rezensent Ralph Dutli würdigt den dritten Band von Warlam Schalamows Erzählungen aus Kolyma als "Enzyklopädie des Menschlichen und des Unmenschlichen". Es ist ein Irrtum zu glauben, man kenne die Lagerhölle von Kolyma nach den beiden vorangegangenen Bänden, betont Dutli, denn das vermeintlich Bekannte erhalte bei Schalamow fortwährend "neue Schattierungen". Beklemmend und beeindruckend führen die lakonischen Erzählungen für ihn die Grausamkeit des Lagerlebens, Zwangsarbeit, Hunger, Kälte, Selbstverstümmelung vor Augen und zeigen den Menschen als "Opfer der modernen Barbarei". Neben der hervorragenden Übersetzung von Gabriele Leupold lobt er auch das kenntnisreiche Nachwort von Michail Ryklin, das verdeutlicht, dass Schalamow auch heute noch von politischer Brisanz ist.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.11.2010

In Hans-Peter Kunischs Augen hat niemand so eindrucksvoll von den stalinistischen Lagern auf Kolyma erzählt wie Warlam Schalamow. Der Geschichtenzyklus "Künstler der Schaufel", der den größten Teil des nun erschienenen dritten Bandes der "Erzählungen aus der Kolyma" ausmacht, hat ihn wie schon die zuvor erschienenen Texte sehr beeindruckt. Insbesondere die Zurückhaltung in moralischer Wertung, die die moralischen Fragen damit nur noch eindringlicher ins Bewusstsein heben, hat ihn gefangen genommen. Dafür haben ihn die "Skizzen aus der Verbrecherwelt" nicht recht überzeugt. Wenn Schalamow die Machenschaften der Lagerverbrecher, die die anderen Häftlinge quälen und ausnutzen, schildert, lässt er nicht mehr Erfahrungen für sich sprechen, sondern verurteilt und verliert sich in Überlegungen zur "überzeitlichen Physiognomie des Verbrechens" und Dostojewski-Kritik, der seiner Meinung nach die Verbrecherwelt idealisiert habe.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.06.2010

Cord Aschenbrenner ist die Lektüre von Warlam Schalamows Buch schwer geworden ist, und konnte den dritten Band der Erzählungen aus den Lagern von Kolyma dennoch nicht aus der Hand legen. Unter den Autoren, die über ihre Haft in sowjetischen Lagern geschrieben haben, habe Schalamow ohne Zweifel den schonungslosesten, kältesten Blick, meint der erschütterte Rezensent, dem dagegen Solschenizyn schon fast "gemütlich" erscheint. Überhaupt ist, bei aller Durchkomponiertheit, die die Kolyma-Erzählungen bei näherem Blick offenbaren, die Verweigerung jeglicher Poetisierung der schrecklichen Erlebnisse ein Merkmal dieses Buches, findet Aschenbrenner. Die Meisterschaft des Autors liege einerseits in der "lakonischen Verknappung" der unaussprechlichen Grausamkeiten, andererseits in der fast unerträglichen Präzision, mit der Schalamow seine Erinnerungen festhalte, so der Rezensent bedrückt und beeindruckt. Und so ist es laut Aschenbrenner trotz aller Beklemmung, die ihn beim Lesen überkommt, doch ein "Glück", dass der Autor seine Erinnerungen festgehalten hat. Insbesondere die "Skizzen der Verbrecherwelt", die den zweiten Teil dieses Bandes ausmachen, gehören zu dem "Unheimlichsten, Dunkelsten", was der Rezensent je über die sowjetischen Lager gelesen hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.05.2010

Jörg Plath ist merklich erschüttert von Warlam Schalamows Kolyma-Erzählungen, die an Grausamkeit und Schrecken nicht zu überbieten sind, wie er beklommen feststellt. Der Autor war von 1938 bis 1953 selbst in einem stalinistischen Lager in der Kolyma inhaftiert und überlebte nur, weil er zum Feldscher, also zum einfachen Militärarzt ausgebildet worden war, informiert der Rezensent. Die Geschichten aus der Kolyma, von denen bereits zwei Zyklen auf Deutsch vorlagen und von denen jetzt auch die restlichen vier als 3. Band der Werkausgabe publiziert worden sind, sind nach Ansicht Plaths aus einem "Erinnerungszwang" heraus entstanden, die auf eine tiefe Traumatisierung hinweisen. Glaube man, mehr und Schlimmeres könne man nicht berichten, werde man hier eines Besseren belehrt, warnt Plath, den die Lektüre ziemlich "mitgenommen" hat, wie er bekennt. Neben der Unmittelbarkeit und Eindringlichkeit der Erzählungen aus dem Lagerleben, aus der nur die Welt der Kriminellen insofern herausfällt, als dass Schalamow hier eher eine reflektierende, beobachtende Position einnimmt, beeindruckt Plath besonders die Unabhängigkeit, die sich der Autor in seinen moralischen Urteilen bewahrt hat, und ihm imponiert es sehr, wie Schalamow die "Herkulesaufgabe" bewältigt, mit großer Wahrheitsliebe diesen schrecklichen "Kosmos mit Millionen Menschen nahe am Verlöschen" zu schildern.