Lucian Hölscher

Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland

Cover: Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland
C.H. Beck Verlag, Beck 2005
ISBN 9783406535260
Gebunden, 466 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Lucian Hölscher beschreibt anschaulich den Wandel der protestantischen Frömmigkeit von der Reformation bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts und geht dabei den religiösen Vorstellungen, Verhaltensweisen und Organisationsformen in verschiedenen Gegenden und sozialen Schichten Deutschlands nach. Damit liegt erstmals eine umfassende Geschichte der protestantischen Frömmigkeit vor, die für Historiker und Theologen zum Standardwerk werden dürfte und sich darüber hinaus an eine breite Leserschaft wendet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.12.2005

So richtig zufrieden war Robert Leicht nicht mit diesem schwergewichtigen Opus über die protestantische Frömmigkeitsgeschichte. Zwar bewältige der Autor ein enormes Quellenmaterial, doch leider nur bis 1914. Hier breche die Darstellung unvermittelt ab und damit fehle ein ganzes folgenschweres Jahrhundert, dass "die Krise des deutschen Protestantismus erst auf die Spitze getrieben" habe, bemängelt der Rezensent. Der vom Autor formulierte Anspruch einen "Gegenentwurf zur aktuellen Kirchengeschichtsschreibung" aus der Perspektive religiöser Praxis geschrieben zu haben, wecke falsche Erwartungen, wie der Rezensent meint und dem Autor gleich noch einige Irrtümer nachweist. Besonders vermisst er, dass der zentrale Begriff der Frömmigkeit als ureigen protestantisches Vokabular nicht theologiekritisch, sondern historisch aufgefasst werde. Auch wenn sich die Wortbedeutung im Verlauf der Zeit geändert haben mag, so sei die Sache an sich, das "Ineinanderspielen von innerer Haltung und äußerem Verhalten" vor Gott, wie der Rezensent präzisiert, ein überzeitliches Phänomen, an der sich eine "Kirchengeschichte von unten"messen lassen müsse.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.11.2005

Lucian Hölschers Studie will Rezensentin Angelika Dörfler-Dierken zwar nicht gleich als "Gegenentwurf" zur Kirchengeschichtsschreibung verstanden wissen, aber doch als "Frömmigkeitsgeschichte von unten". Der Autor schreibt der Rezensentin zufolge nicht aus der Perspektive der institutionalisierten Kirche über Frömmigkeit, vielmehr bringe er das subjektive und völlig verschiedene Frömmigkeitsempfinden der Menschen von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg zur Sprache. Und zu einem solchen Ansatz gehöre es konsequenterweise, dass auch Freidenker und Freimauer oder beispielsweise ein Feuerbach berücksichtigt würden. Im Kern von Hölschers Studie macht die Rezensentin eine "unausgesprochene These" aus. Danach zeichne sich der Protestantismus durch seinen individualistischen Pluralismus aus, was die subjektive Frömmigkeit betrifft, er "zerfasert". Hölscher untersuche die verschiedenen Zeiten anhand der jeweils "dominierenden Zukunftsvorstellungen", die sich wiederum in lutherischen "Kampfliedern" oder der Vorstellung vom Theater als moralischer Anstalt niederschlügen. Wenn der Autor die dritte Epoche von 1800 bis 1914 als "Erwartung eines kommenden Zeitalters der Kirche" bezeichnet, gibt sich die Rezensentin allerdings skeptisch. "Eher noch", so Dörfler-Dierken, habe man "Freiheit von der Kirche oder Freiheit für die Religion" erwartet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2005

Recht durchwachsen findet Rezensent Friedrich Wilhelm Graf diese "Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland" von Lucian Hölscher. Graf kritisiert, dass der Autor die klassischen Protestantismusdiskurse ebenso ignoriert wie die neueren Debatten über protestantische Motive in der modernen Kunst und der deutschen Nationalliteratur - mit dem Ergebnis, dass er nur vergleichsweise vage, schwammige Bestimmungen protestantischen Glaubenslebens bieten kann. Zudem werden für Graf die spezifische Differenzen protestantischer Frömmigkeit gegenüber römisch-katholischer Spiritualität und jüdischer Treue zur Tora nicht sichtbar. Auch die Grundelemente evangelischer Theologie in ihrer die Lebensführung normierenden Prägekraft würden nicht entfaltet. Lobende Worte hat Graf dagegen für die übersichtliche Gliederung des Materials übrig. Als "besonders gelungen" wertet Graf die Skizzen zum Gesinnungswandel bei den Pfarrern von der Reformation bis ins 20. Jahrhundert. Auch die Analysen der Entkirchlichungsprozesse findet er spannend. Generell moniert er allerdings zahlreiche Fehler bei Namensschreibungen, Datierungen und derWiedergabe von Titeln sowie, schlimmer noch, bei vielen Aussagen zu kirchlicher Lehre und wissenschaftlicher Theologie.
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