Hermann Kurzke

Georg Büchner

Geschichte eines Genies
Cover: Georg Büchner
C.H. Beck Verlag, München 2013
ISBN 9783406644931
Gebunden, 591 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Mit 48 Abbildungen. Georg Büchner (1813-1837) ist bisher vorwiegend als politischer Agitator, Frühsozialist und Vorläufer der 1848er Revolution betrachtet worden. Das Menschliche kam dabei zu kurz, ebenso das Künstlerische, das Romantische, das Psychologische, das Metaphysische und die wildwüchsige Religiosität. Steckbrieflich gesucht, in mindestens zwei Frauen verliebt, Naturliebhaber und eiserner Arbeiter, im französischen und schweizerischen Exil steile Karriere als Anatom, dann der schreckliche Typhustod mit 23 Jahren, gerade als das erste Berufsziel erreicht war. Die politische Flugschrift, deren Verfasser er war, löst eine Verfolgungs- und Verhaftungswelle aus. Er kann fliehen, fühlt sich aber schuldig, meidet fortan politische Aktionen und steckt seine Kraft in Wissenschaft und Dichtung. Er schreibt seine Dramen (Dantons Tod, Leonce und Lena, Woyzeck) und seine Erzählung (Lenz) autobiografisch und quellengestützt, das erklärt sein Tempo. Die autobiografischen Elemente wurden bisher unterschätzt. Sie bilden die wichtigste Quelle dieses Buchs. Es sucht nach dem Bedingungsgeflecht der Genialität. Die Kräfte, für die das Leben keinen Raum bietet, drängen ins Werk. Hermann Kurzke deutet Büchners Leben und Werk von den geistigen Wurzeln her, die Büchner selbst wichtig waren.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.10.2013

Eine Büchner-Biografie ist an sich eine schwierige Angelegenheit, weiß Ulrich Greiner, es ist wenig über den Autor bekannt, der Nachlass wurde in weiten Teilen verschlampt oder zensiert, seine produktive Phase währte nur kurz und Büchner starb früh an Typhus. Hermann Kurzke kompensiert diesen Mangel in seiner Biografie äußerst gekonnt durch dreierlei, verrät der Rezensent: durch eine dichte Beschreibung der Epoche, durch eine akribische Lektüre der erhaltenen Texte und durch Fantasie. Das mag nicht immer wissenschaftlich haltbar sein, weiß der Rezensent, aber es ist dennoch äußerst spannend - und dank Kurzkes liebevoller Herleitung seiner Ideen aus Andeutungen, die er in Büchners Werken gefunden hat, findet Greiner sie auch zunehmend glaubhaft, zum Beispiel Kurzkes Vermutung, dass es eine wichtige Frau vor der Ehe mit Minna gegeben hat, eine ursprüngliche Verletzung, die durch das Scheitern des Hessischen Landboten und das Im-Stich-Lassen der Freunde zusätzlich befeuert wurde. An dieser Biografie ist wirklich nichts langweilig, verspricht der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.08.2013

Hart aber gerecht geht Rezensent Peter Laudenbach mit Hermann Kurzkes pünktlich zum Büchner-Jahr erscheinender Biografie ins Gericht, indem er sowohl ihre wundertütenartige und mitunter Laudenbachs Geschmack treffende quellengenaue Gelehrtheit preist, als auch ihre streckenweise fantastische und tendenziöse Distanzlosigkeit anprangert. Kurzkes Anschreiben gegen eine linke Büchner-Exegese zugunsten eines theologisch inspirierten Büchner-Bildes überzeugt Laudenbach allerdings eindeutig nicht. Nicht nur, weil ihm der Autor allzu oft Belege schuldig bleibt, wo nötig, mehr schlecht als recht, wie Laudenbach anmerkt, hinzu erfindet und sich quellenkritisch auf den gleichzeitig von ihm geschmähten Thomas Michael Mayer verlässt. Auch, da er treffende Studien, wie Hans Mayers "Georg Büchner und seine Zeit" einfach nicht erwähnt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.07.2013

Pünktlich zu Georg Büchners zweihundertstem Geburtstag hagelt es neue Biografien, die neue Interpretationen von Leben und Werk anzubieten haben, berichtet Manfred Koch. Hermann Kurzke wendet sich in seiner Biografie gegen die Revolutionssentimentalität der klassisch linken Büchnerinterpretationen, Büchner war ein Büchermensch, "weder mit Hammer und Sichel noch mit dem Schießgewehr" konnte er umgehen. Stattdessen verweist Kurzke auf die christlichen Wurzeln von Büchners Faszination für Leidensmystik, erklärt der Rezensent, der besonders diese Ausführungen des Autors spannend findet, denn mit den Christusfiguren in Büchners Werk konnten bisherige Interpreten selten etwas anfangen. Kurzke behauptet allerdings nicht, dass Büchner durch und durch gläubig war, stellt der Rezensent klar: Büchner war "zu gescheit, um religiös zu sein, aber zu sehnsüchtig, um es nicht zu sein", zitiert er den Autor.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.02.2013

Für Rezensent Friedmar Apel ist Hermann Kurzkes pünktlich zum 200. Geburtstag erschienene Büchner-Biografie "Geschichte eines Genies" nicht weniger als eine Revolutionierung seines bisherigen Büchnerbildes. Der Kritiker lobt die Arbeit des Mainzer Emeritus der Germanistik nicht nur für den friedvollen Umgang mit den über Büchner zerstrittenen Kollegen, sondern insbesondere für den vorbildlichen Umgang mit der desaströsen Quellenlage. Kurzke stelle die historischen Bedingungen, die Büchner prägten, ausführlich dar, verweise etwa aber auch auf die religionsgeschichtlichen Konstellationen des neunzehnten Jahrhunderts. Und so erfährt der Rezensent etwa, dass Büchners Werk derart mit christlichen Zitaten, Anspielungen und Bildern durchsetzt sei, dass weniger von einer "materialistischen", sondern vielmehr von einer "metaphysischen" Vorstellungswelt des Dichters ausgegangen werden könne. Mit großem Interesse liest Apel auch von Büchners angespannter Beziehung zu seinem Vater und seinem komplizierten Verhältnis zur eigenen sexuellen Identität. Eine "hingebungsvolle" Biografie, die nicht nur für leidenschaftliche Leser, sondern auch für Fachkreise ein Gewinn sein wird, lobt der Kritiker.
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