Heike Geißler

Die Woche

Roman
Cover: Die Woche
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430538
Gebunden, 316 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Der Ohnmacht eine Kampfansage "Politik, Europa, Gegenwart, Alltag, das kann einem ja nun keiner erzählen, dass das keine Auswirkungen hat", ruft die Erzählerin ihrer Freundin Constanze zu. Zusammen sind sie die proletarischen Prinzessinnen - "Prinzessinnen, wie sie nicht in jedem Buche stehen. Aber wartet nur, wir schreiben uns in die Bücher hinein". Zusammen wollen sie Widerstand leisten. Eine Revolte anzetteln. Die alten Märchen überschreiben. Denn etwas ist aus den Fugen geraten: Plötzlich drängen sich immer mehr Montage in die Woche. Da sind Riesen, die wie aus dem Schauermärchen in die Wirklichkeit schnellen. Da ist der Tod, der, eben noch erschöpft, immer mehr zum Akteur wird. Da ist ein unsichtbares Kind, das dafür plädiert, geboren zu werden. Da ist der schönste Roman der Welt in weißen Jeans. Höchste Zeit also, jedwede Ohnmacht zu überwinden.Dies ist der Roman einer ungewöhnlichen Woche in Leipzig, in der auf Montag nicht mehr Dienstag folgt, alte Sicherheiten verloren gehen und neue Formen des Sprechens und Handelns erprobt werden - in Übertreibung, Abschweifung, Torheit und Spiel.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.05.2022

Rezensent Paul Jandl erkennt bei Heike Geissler die Klage in Hochform. Wie Geissler in einer Zeitschleife des ewigen Montags Leipziger Verhältnisse auf experimentelle Weise darstellt, Pegida und Miethaie, Kindheitserinnerungen, Shoppingmalls und Hetze gegen Geflüchtete, findet er anregend. Das so entstehende kaleidoskopische Bild erscheint ihm zwar nicht schön, aber bunt. Zornig und brillant wie Jelinek erinnert ihn die Autorin daran, dass die Klage eine literarische Form sein kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.03.2022

Rezensentin Judith von Sternburg staunt über Heike Geißlers "Buch des in muntere Worte heruntergekühlten  Zorns": Zwei Frauen, die Ich-Erzählerin und deren Freundin Constanze, erleben eine Woche, in der jeder Tag wieder Montag ist, und sie begegnen skurrilen Figuren wie dem personifizierten Tod und einem inexistenten Kind, das für seine Geburt plädiert, resümiert die Rezensentin. Doch vor allem greife der Roman, den Sternburg als "Thesenroman" ankündigt, soziale und politische Problematiken auf, besonders in dem er den Wochentag der Montagsdemonstrationen immer wiederkehren lässt. Dafür, dass die beiden Figuren sich "proletarische Prinzessinnen" nennen, ist der Roman akademisch etwas zu flüssig geschrieben, merkt von Sternburg an, die dafür den Sarkasmus, die Selbstironie und den Witz Geißlers genießt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2022

Rezensent Christian Metz gehört erkennbar zu den Fans von Heike Geißlers neuem Roman, den er als "Lagebericht" mit Drive, Nuancen und einer guten Portion Eigensinn liest. Und so lässt sich der Kritiker gern, "umweht von einem Wölkchen Tristesse", mitreißen von Geißlers Bewusstseinsstrom, taucht ein in das Leben einer ausgelaugten ostdeutschen Schriftstellerin von vierzig Jahren und bewundert, wie exakt die Autorin das Innenleben ihrer Heldin ausleuchtet. Informations- und "Diskursfetzen", "Märchenmüll" und "Wissensfragmente" wechseln einander blitzartig ab, durchkreuzt von einem "neoromantischen" Figurenensemble und Bildfolgen, die wirken wie ein explodierter "Quecksilbertropfen", staunt Metz. Und wie Geißler Einbildung und Realität verschwimmen lässt und Reflexionen über Tod, Suche nach Identifikation und den Kampf gegen Montags-Demos gegeneinander schneidet, verschlägt dem Kritiker vollends den Atem. In diesem so raffinierten wie scharfsinnigen Roman "kommt die Literatur zu sich", schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2022

Rezensentin Miryam Schellbach trifft sich zum Gespräch mit Heike Geißler in Leipzig. Die Rezensentin bewundert, wie in diesem "politischen Großstadtflaneusenroman" Themen wie Entmietung, Mutterrolle oder der Alltag noch vor dem aufgegriffen und mit lokalen Charakteristika Leipzigs vermischt werden: die Kluft zwischen linken und rechten Lagern, "subkulturelle Systemkritik" und die kleinen Freuden des Lebens im (noch) bezahlbaren Altbauambiente. Für Schellbach entsteht daraus ein einzigartiges "Leipzig-Gefühl". Die kantigen "wir"-Aussprüche der Erzählerin und ihrer Freundin, die sich als "proletarische Prinzessinnen" bezeichnen, wirken auf die Rezensentin teils wie ein "Manifest für Ambivalenz". Diese Mehrdeutigkeit und das programmatische Hin- und Her erkennt Schellbach auch im "vorsichtig tastend, kursorischen" Modus des Romans wieder, in dem sich Gedanken genauso wiederholen wie die Montage und seine traditionell stattfindenden Demonstrationen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.03.2022

Rezensentin Marlen Hobrack bringt viel Verständnis auf für die literarischen Mittel in Heike Geißlers neuem Roman. In einer Woche, in der der Montag immer wiederkehrt, verhandeln ein literarisches Ich und dessen Freundin Constanze in einer Mischung aus Stream of Consciousness und Dialog gesellschaftliche Themen wie steigende Mieten, Mutterschaft, die schwindende Rolle der Autorin als Frau um die vierzig und die Demonstrationen verschiedener Spektren, die traditionell montags stattfinden, resümiert Hobrack. So wie sich im Text die Motive wiederholen, reflektiere die Freundin der Erzählerin deren Haltung, worin die Rezensentin ein formales Zusammenspiel von Form und Inhalt im Text erkennt, das essenziell sei. Wie die Autorin mit den aktuellen Verhältnissen abrechne und die "ewige Wiederkehr des Gleichen" thematisiere, erinnert die Rezensentin wahrhaftig an ein Manifest.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 14.03.2022

Die literarischen Effekte in Heike Geißlers zweitem Roman verfehlen bei Rezensent Helmut Böttiger ihr Ziel. Mit kurzen prägnanten Sätzen, wie sie für ein Manifest charakteristisch sind, richte der Text sich mit "wir"-Botschaften gegen bestehende unhaltbare Verhältnisse, erklärt der Rezensent. "In einem Panoptikum einer durchdrehenden Gesellschaft" voller skurriler Figuren wie dem personifizierten Tod identifiziert der Rezensent als klare Gegner im Text die Neonazis, Investoren und Immobilienbesitzer, die allerdings weniger einer politischen Botschaft als formalen Textspielereien dienten, genauso wie die inhaltlich themengebenden Montagsdemonstrationen, meint der Rezensent. Wie eine Performance erscheint Böttiger dieser Text in seiner "fugenlos gestylten Sprache", in all der Selbstdarstellung vermisst er allerdings zu oft die Originalität.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.03.2022

Rezensent Marc Reichwein heißt Heike Geißler in der Spitzenklasse ostdeutscher Autorinnen und Autoren willkommen. Mit "Die Woche" habe sie bewiesen, dass sie genau dort hingehört. Meisterhaft zum Beispiel, wie sie metafiktionale Momente mit Aspekten Lacanscher Psychoanalyse verwebt und so stets zwei Lesarten ermöglicht. Brillant, wie sie mit dem seltsamen Montags-Problem ihrer Ich-Erzählerin auf politische Ereignisse anspielt, ohne sie explizit machen zu müssen. Und selbst wenn sie sich einmal zu ausgesprochenen politischen Binsenweisheiten hinreißen lässt, so stets nur deshalb, weil diese eben Teil des Diskurses sind, den sie literarisch verhandelt, so Reichwein. Ja, Geißlers Romane, sind keine klassischen Erzählungen, betont der Rezensent, sondern "Diskursromane", und das ist gut so. Denn diese Autorin hat etwas mitzuteilen, und zwar auf "sprachlich virtuose" und erfrischend "undogmatische" Weise, so der begeisterte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.03.2022

Rezensentin Dorothea Dieckmann hält Heike Geißlers neues Buch eher für einen selbstreflexiven Essay als für einen Roman. Die Erzählerinnenstimme im Buch, Gang und Schluss der Geschichte um eine Frau im heutigen Leipzig, die sich gegen Gentrifizierung, Pegida und Rechtsterror zu wehren versucht, geben Dieckmann nicht genug oder nicht den gewohnten Halt eines Romans. Allerdings respektiert Dieckmann den Versuch der Autorin, gängige Erzählmuster aufzubrechen und mit Lesererwartungen zu spielen. Insofern ist das Buch für sie auch eine "kunstvolle Bricolage", die sich ganz gut in Geißlers Gesamtwerk einfügt, wie Dieckmann findet.