Harald Jähner

Höhenrausch

Das kurze Leben zwischen den Kriegen
Cover: Höhenrausch
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783737100816
Gebunden, 560 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Deutschland 1918. Ende des Ersten Weltkriegs, Revolution, Sieg der Demokratie. Zugleich beginnt ein Siegeszug befreiter Lebensweisen. Die Inflation hat die überlieferten Werte ins Wanken gebracht. Alles soll von Grund auf anders werden: die "Neue Frau", der "Neue Mann", "Neues Wohnen", "Neues Denken". Als es Mitte der Zwanziger auch wirtschaftlich aufwärtsgeht, wird Deutschland ein anderes Land. Frauen eroberten die Rennpisten und Tennisplätze, gingen abends alleine aus, schnitten sich die Haare kurz und dachten nicht ans Heiraten. Unisex kam in Mode, Androgynes und Experimentelles. Jähner erzählt von der Erfindung der Freizeit, von Boxhallen und Tanzpalästen, und von den Hotspots der Neuen Zeit, vom Büro und Großstadtverkehr, vom Warenhaus als Glücksversprechen oder der Straße als Ort erbitterter Kämpfe. So vieles wirkt heute verblüffend modern. Die Vorliebe für Ironie, das Gradlinige und Direkte. Aber auch die Angst vor der "Entwertung aller Werte", der Herrschaft des Billigen. Ein großer Teil der Deutschen fand sich im Aufbruch nicht wieder. Nach und nach offenbarte sich die tiefe Spaltung der Gesellschaft und die Unfähigkeit, sie auszuhalten. Harald Jähner liefert eine Gesamtschau dieser so pulsierenden, reichen Zeit, wie es sie bislang nicht gab - und zeichnet das Bild eines zerrissenen Landes voll gewaltiger und erschreckender Energien. Es ist uns irritierend ähnlich und - hoffentlich - doch ganz anders.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.12.2022

Der hier rezensierende Verleger Klaus Bittermann hat von Harald Jähner viel über die Seele der Weimarer Republik gelernt. Dass der Journalist auch ein "großartiger Geschichtenerzähler" ist, hat er Bittermann bereits in seinem Buch "Wolfszeit" bewiesen und das rundet nun die Lektüre über die Zeit zwischen 1918 und 1933 für den Rezensenten ab. Wieder wählte Jähner das Stilmittel des "Wimmelbildes", um mit kleinen Geschichten über die große Historie zu berichten und durchforstete abermals die Archive von Zeitungen, lesen wir. Was er dort fand, hat eine enorme atmosphärische Gegenwärtigkeit, lobt der Rezensent, denn genau die fehle in den herkömmlichen Geschichtsbüchern. Bittermann beeindruckt, was für ein Zeitgemälde Jähner aus Kleinanzeigen entwickelt und damalige Leitartikel blass aussehen lässt. Das einzige Manko dieses Buches über Schicksale in der bitteren inflationären Zeit, in der auf dem Vulkan getanzt wurde, ist für ihn, dass man irgendwann auf der letzten Seite ankommt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.10.2022

Harald Jähner schaut genau auf die aufregenden 1920er Jahre, erkennt Florian Keisinger. Sein besonderer Fokus: Der Durchschnittsmensch als Zeitgenosse. Dass er das spannend erzählt, ist für den Rezensenten ein ganz großes Plus und keine Selbstverständlichkeit bei einem Sachbuch. Er bemängelt zwar, dass nicht die ganze Weimarer Republik so umfassend beleuchtet wird, erkennt aber an, dass Berlin als Fokus sinnvoll ist. Von dieser Warte aus werden unter anderem die Rolle der Frau, das Bauhaus, der Aufstieg der NSDAP und die Weltwirtschaftskrise als Weg in den Niedergang vom Autor gekonnt thematisiert, findet Keisinger und empfiehlt das Buch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.09.2022

Rezensent Alexander Gallus nimmt Harald Jähners "Weimar-Wimmelbild" als Aufforderung, in Krisenzeiten klaren Kopf zu bewahren. Davon abgesehen macht ihm Jähners Ansatz, die 1920er episodisch als widerspruchsreiche, gut bebilderte und recherchierte, bunte Aufbruchsgeschichte erzählerisch zu zelebrieren, einfach eine Menge Spaß, auch wenn er zwischendurch neue Perspektiven und Deutungen zum Thema vermisst. Die Jahre 1918-1933 mit Bubikopf, Schmeling, Autobahn, Ballhausvergnügen und Avantgarden allerorten macht Jähner ihm fast zur Sehnsuchtsära.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.09.2022

Rezensent Gustav Seibt lädt ein zu einem wahren Rausch mit Harald Jähners Geschichtstableau der Zwischenkriegszeit im 20. Jahrhundert. Wie der Autor die Automobilisierung, die Mode, den Schlager, die Philosophie, die Arbeitswelt, die Frauenemanzipation, das Bauen und Wohnen jener Zeit und vieles mehr detailreich darstellt und was die einzelnen Themen auf welche Weise miteinander verbindet, findet Seibt faszinierend. Als "chemischer Prozess" erscheint das dem Rezensenten in Jähners am "historischen Feuilletonismus" geschultem, leichtem Stil. Für Seibt geht ein Traum in Erfüllung: Geschichte, die sämtliche Lebensbereiche umfasst und sie zu einem "Epochentableau" integriert.
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