Gregor Gysi

Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn

Cover: Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2001
ISBN 9783455093384
Gebunden, 382 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

Wie äußert sich ein Mann, der zehn Jahre lang als Vorsitzender der PDS-Fraktion und Mitglied des Deutschen Bundestages so manchem unbequem geworden ist, jetzt, nachdem er nicht wieder für diesen Vorsitz kandidiert hat? Er blickt zurück, manchmal im Zorn, manchmal mit leiser Bitterkeit, oft mit Humor und der für ihn typischen Ironie, immer konzentriert auf die Entwicklungen in der deutschen Innen- und Außenpolitik, auf das, was aus seiner Sicht falsch gelaufen ist. Und er hat viel zu erzählen: von zehn Jahren leidenschaftlicher linker Opposition, in denen er als unerwünschter Außenseiter eine unerwünschte Außenseiterpartei zu einer Position führte, die heute als politischer Faktor in Deutschland nicht wegzudenken ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.04.2001

Stefan Dietrich lässt kaum ein gutes Haar an diesem Buch: "über weite Strecken einfach zum Gähnen" findet er Gysis Darstellung, und glaubt, dass lediglich eingeschworene Gysi-Fans mit dieser Lektüre etwas anfangen können. Der Rezensent sieht hier vor allem den Versuch Gysis, ein "Denkmal" zu errichten, indem der Politiker versuche, seine eigenen Verdienste um ostdeutsche Identität und die Etablierung der PDS in den Vordergrund zu stellen. Dabei stört sich Dietrich vor allem an der Darstellung, dass Gysi immer wieder "Großmut" bewiesen habe - auch im Umgang mit Politikern anderer Parteien - der ihm jedoch nicht gedankt worden sei, auch nicht von Mitgliedern der eigenen Partei. Auch an Gysis Geschichtsdarstellung hat der Rezensent einiges auszusetzen. So bemängelt er, dass Gysi behauptet, anders als in der DDR seien Nazis in der Bundesrepublik nicht zur Verantwortung gezogen worden. Überhaupt stelle Gysi die DDR als das "bessere Deutschland" dar, das nach der Wende seiner Eliten beraubt worden sei. Dietrich vermutet, dass ein Buch mit solchen Behauptungen "in Kreisen der PDS-Anhänger wie geschnitten Brot" über den Ladentisch gehen wird. Er selbst hat da andere Ansprüche.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.04.2001

Gibt es ein Politikerbuch, das frei ist von Eitelkeiten? Wohl kaum, und so kommt auch dieses nicht ganz ohne aus, meint Philipp Grassmann. Denn wem sei es zu verdanken, dass die PDS mehr gesellschaftliche Akzeptanz genießt? Dem Autor natürlich, und der nehme sich selbst als Gradmesser. Was seine Vor- und Nachteile hat, meint Grassmann, da man in den gelungenen Abschnitten des Buches eine Ahnung davon erhalte, was Gysi eigentlich umtreibt. Warum sich aber nun das Verhältnis zwischen ihm und der westdeutschen Gesellschaft entspannt, wie viel er und wie viel diese sich verändert habe, der Frage geht Gysi nicht wirklich und nicht in der Tiefe nach, so der Rezensent. Zu sehr schweigt sich Gysi für ihn auch über seinen Ausstieg aus der Politik aus. Ist der Politiker wirklich so zufrieden mit sich, dass er aufhören kann, oder plant er Neues, fragt sich Grassmann. Sicher ist er sich nur, dass das Buch immer dort wie ein politisches Vermächtnis wirkt, wo Gysi mit den Dogmatikern in seiner Partei abrechnet.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.03.2001

Toralf Staud zeigt sich nicht wirklich beeindruckt von diesem Band. Seiner Ansicht nach geht es Gysi hier vor allem darum, seiner Person und der PDS zu größerer Anerkennung zu verhelfen. Die geschilderten Gründe Gysis für den Rückzug aus der PDS-Spitze, werden nach Staud "langatmig" ausgebreitet. Darüber hinaus verteidige sich Gysi wieder einmal gegen Stasi-Vorwürfe oder auch seinen Besuch bei Milosovic während des Kosovo-Krieges. Dies alles hat man allerdings schon "Dutzende Male in Interviews" gehört, bemängelt der Rezensent. Besser gefällt ihm, wenn Gysi poiniert "westdeutsche Denkschemata der Lächerlichkeit preisgibt", wofür er auch einige Beispiele anführt. Zu den Stärken des Buchs zählt Staud außerdem das Kapitel, das sich kritisch mit dem "Elitentransfer" auseinandersetzt. Gysis Behauptung, dass die "Veränderung der Bundesrepublik (...) sein größer Erfolg" gewesen sei, hält Staud jedoch schlicht für einen Irrtum.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2001

Jens König zeigt sich ziemlich enttäuscht von Gregor Gysis Rückblick auf die letzten zehn Jahre, auch wenn er das Buch nicht prinzipiell uninteressant findet. Aber all die Qualitäten, die er bei Gysi als Redner findet - Witz, Spannungsbogen, Schlagfertigkeit - vermisst er hier. König vermutet, dass der talentierten Redner einfach ein Gegenüber braucht und bemängelt, dass Gysi in dem Buch jegliches Gefühl für Pointen vermissen lässt. Aber nicht nur stilistisch, auch inhaltlich wird der Rezensent nicht wirklich glücklich mit dem Buch. Dazu geriert sich Gysi nach Königs Meinung einfach zu sehr als jedermanns Freund und verliert sein persönliches Profil. Er verwandelt sich in "einen Johannes Rau der Sozialisten. Er steht über den Dingen. Er steht über den Parteien. Er steht sogar über der PDS" so Königs etwas spöttischer Kommentar zur Selbstinszenierung Gysis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2001

Nach Norbert Seitz wird in diesem Buch besonders stark die Entfremdung Gregor Gysis zu seiner eigenen Partei deutlich - und dies, obwohl gerade Gysi in der Politszene von einer "Persona non grata" zum beliebten Gast in Talkshows avancierte und sich inzwischen erstaunlich großer Popularität erfreue. Gysi berichte sogar von `Beklemmungen`, die er auf Parteitagen der PDS bekommen habe, wofür besonders die Hamburger Vertretung der PDS verantwortlich zu sein scheint, aber auch die Tatsache, dass sich viele seiner Parteikollegen nach Gysis Ansicht nicht genug von der DDR distanzieren. Gysi zeigt sich nach Seitz hier resigniert, gleichzeitig aber auch "eher milde gestimmt". Darüber hinaus fallen dem Rezensenten zwei Aspekte besonders auf: Zum einen sei Gysi nicht frei von Verschwörungstheorien, etwa wenn er schreibt, dass er `das Gefühl nicht los` geworden sei, dass es geheime Absprachen zwischen Milosevic und der Nato gegeben habe. Zum anderen steche Gysis Eitelkeit hervor, wenn er immer wieder seinen Gerechtigkeitssinn "hätschelt". Als Beispiel dafür nennt Seitz Gysis Eintreten für die Rechte Helmut Kohls oder Lob für Gerhard Schröder.